Archivale
Gutachten der beiden Stadtrechner zwecks Beilegung der Strittigkeiten um die Tucher-Walkmühle
Regest: 1) Die Stadtrechnerei prätendiert (= beansprucht) von der Walkmühle als einem unstrittigen Lehen, das niemals der Tucherzunft als Eigentum abgetreten worden ist, wofür auch nicht der geringste Buchstab vorgezeigt werden kann, den nunmehr über 100 oder mehr Jahr kraft vorhandener Rechnungen ohne Dispute (= Widerspruch) eingelieferten Wasserzins, nämlich 5 fl 43 Kr.
2) Ferner das gesamte während des Jahres in eine besondere Büchs kommende Schaugeld neben dem, was die Grobgrünschaubüchs erträgt, als welches keinem Privato, sondern dem Publico vorhin angehörig.
3) Ferner den vom Walkmüller gereichten jährlichen Hauszins, der der Stadtrechnerei bisher ungebührend entzogen worden ist. Denn das Gehäus gehört nicht der Tucherzunft, sondern gemeiner Stadt und ist von derselben seither in baulichen Ehren erhalten worden. Der Hauszins beläuft sich auf 10 fl.
4) Wie die Stadtrechnerei alles Obige von ihrem Eigentum mit bestem Rechtsbestand sucht, so hat der jedesmalige Walkmüller bisheriger Observanz gemäss von jedem Loch Wiffling, das gewalken wird, 10 Kr zu Handen der Stadtrechnerei unfehlbar einzuliefern.
5) Daneben soll das Schnittgeld unabgängigen Lauf zur Stadtrechnerei haben.
Damit alles Genannte an den Ort, wohin es de jure gehört, nämlich zur Stadtrechnerei, künftig ohne Abgang kommt, so halten die beiden jetzigen Stadtrechner für notwendig, dass, wie vor uralten Zeiten eine ordentliche Schaubüchs in dem Walkmühlenwerk sich befunden hat, anjetzo ein hiezu tüchtiger, verschlossener Stock dahin gemacht und in denselben in Anwesenheit der Personen, die etwas zu erlegen haben, alles gleich durch den Walkmüller fleissigst eingeworfen werden soll. Daran soll der Walkmüller bei seiner Beeidigung, die durch die Tuchmacher zu geschehen pflegt, besonders erinnert werden und es soll dem Stat ( = Dienstverpflichtung) mit einverleibt werden, dass derselbe das der Stadtrechnerei zuständige Geld ohne Abgang des geringsten Hellers in diesen Stock gewiss kommen lassen wolle. Im Interesse der Stadt wäre, wenn der Rat bei Bestellung der politischen Ämter zu der Saumeisterei (gemeint: Schaumeisterei) den Oberstadtrechner verordnete, da ohne den 2 Wiflingschauer nötig sind. Sie könnten dann solches auch mit versehen, und es wäre desto weniger Abgang zu besorgen.
Wenn alles dies in den Stand gebracht sein wird, sind die beiden Stadtrechner nach Bewilligung durch den Magistrat erbötig, das Bauwesen, was allein die Walkmühle an sich selbst und den Rahm (= Rahmen) betrifft, zu übernehmen und in Pflegschaftsnamen jederzeit in guten Ehren zu erhalten. Dazu haben sie sich diese Zeit über nicht so leichtlich, entsprechend dem Ansinnen der Tucher, bequemen können, weil der bisherige Ertrag gering gewesen und der Stadtrechnerei nicht alles, was hieroben specificiert ist, zugekommen ist. Dass aber hierin vormals einige Vorgänger der Stadtrechner so mild und willig gewesen sind, ist gar nicht aus Schuldigkeit, sondern vielmehr aus guter Affection gegen das Tuch- und Zeugmacherhandwerk und also ex conniventia (= aus Nachsicht) der damaligen Herren Oberen vermutlich geschehen. Allermassen hat Bürgermeister Franz Helbling selig diese beiden Handwerke, denen er selbst zugetan (= zugehörig) war, nicht wenig patrociniert und ihnen manches Bene (= Vorteil) angedeihen lassen, dem sein auch selig verschiedener Schone (gemeint: Sohn) Michael Helbling als Stadtrechner nicht widerstanden hat, sondern in dem einen und andern übermässigen Bauwesen von den Tuchmachern um seiner Friedfertigkeit willen hat leicht bewogen werden können, im Gegenteil (bei der Gegenseite) aber nach dem Interesse (= Nutzen) nicht so sehr gefahndet. Daraus ergab sich, dass den Tuch- und Zeugmachern mehr zuhanden gekommen ist, als ihnen zuständig wäre, welches alles jedoch zu keiner Beschimpfung angeführt wird, sondern diese Vorstellung geschieht aus Not, da die Stadtrechner für sich nichts Neuerliches eingehen oder bewilligen können.
Es geschieht nicht ohne besondere Erheblichkeit, dass die Tucher- und Zeugmacher so instanter (= beharrlich) darauf dringen, das Walkmühlwerk an sich zu bringen, in dem sie einen ziemlichen Profit erhoffen. So ergibt sich die Frage, ob solch bevorstehendes Interesse mehr etlichen Privaten oder dem vorhin (= vorher schon) so hoch beschwerten Publicum (= Gemeinwesen) zuzuwenden sei, um so mehr, als im Fall der Abtretung der Walkmühle an die Zeug- und Tuchmacher leichtlich ein Aufschlag für die Bürger, die dieses Mühlwerk auch gebrauchen müssen, erfolgen könnte. Die Gedanken der beiden Stadtrechner gingen daher dahin, das Lehen auf obige Weise weiterhin unveräussert zu lassen und die Zeug- und Tuchmacher zur Ruhe zu weisen, dass sie von ihrem ungereimten Anmassungen abstehen, da sie jetzt, nachdem man ihnen keinen Kauf mehr gestatten will, sich lächerlicherweise unterwinden, die Walkmühle als Eigentum anzusprechen und zu diesem Zweck allerhand absurde, obscure und nichtswerte Argumente zusammenzurappen, denen hauptsächlich dieses entgegengesetzt wird: derjenige, der ein dergleichen Eigentum besitzt, muss dasselbe notwendig versteuern oder wird dessen verlustig. Ferner empfängt er die Baukosten von keinem andern, sondern muss sie selbst leiden. Drittens liegt ihm ob zu docieren (= nachzuweisen), auf welche Art und Weise er das Eigentum an sich gebracht hat, ob er es gekauft und von wem, wie es bezahlt worden ist, oder ob er es erbaut und wer ihm den Platz dazu eingeräumt hat. Viertens, ob ihn in der Possession von unerdenklichen Zeiten her niemand beeinträchtigt, sondern er dieses ohne Einred als Eigentum genossen hat. Dagegen kann nichts verfangen, dass eingeworfen wird, die Tucher müssen umwendig (= ?) bauen und es werden gemeiner Stadt Zeichen auf keinem Eisenwerk angetroffen. Ferner: sie bestellen und beeidigen den Walkmüller, während bei andern Mühlwerken, besonders in den Mahlmühlen, alles von gemeiner Stadt angeschafft und die Müller obrigkeitlich beeidigt werden. Nicht weniger mache der Wasserzins ein Eigentum. Sonst könnte die Stadtrechnerei auch die Hammerschmieden und dergleichen ansprechen. Und was dergleichen aus blödem Hirn zusammengesponnene liederliche Scheingründe mehr sind. Denn weit nicht genug, dass die Tucher "vor erste" ein und das andere repariert haben, weil sie nicht probieren (= beweisen) können, dass gemeine Stadt zu allem Bauwesen gegen das bisher geringe Einkommen verbunden sei. Wenn dieser Streich anginge, würde man auch die Weißgerberwalk verlieren, worin selbige Meisterschaft, die doch selbst walkt, viel erhalten muss; sie bestellen auch ihre Walkmeister selbst ... Die Beeidigung der Mahlmüller durch die Obrigkeit geschieht, weil das, was die Müller verrichten, gemeiner Stadt wegen geschieht. Das aber, was der Walkmüller unter Handen hat, berührt die Tuch- und Zeugmacher. Es würde übel getan sein, wenn man ihren Knecht noch lohnen müsste.
Der Wasserzins der Hammerschmieden macht zwar diese der Stadtrechnerei nicht eigen. Man ist aber auch nicht schuldig, sie im Bau zu erhalten, und weiss dort nichts von einem Lehen, während die Tucherwalk unhintertreiblich eines ist. ...
- Reference number
-
A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 3254
- Extent
-
5 S. Text
- Formal description
-
Beschreibstoff: Pap.; geheftet
- Further information
-
Zeugen / Siegler / Unterschriften: keine Unterschriften
Bemerkungen: nur das Monats-, nicht das Jahresdatum angegeben
Genetisches Stadium: Or. oder Kopie?
- Context
-
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 10 Zünfte Tucher und Tuchscherer
- Holding
-
A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)
- Date of creation
-
1699 März 22
- Other object pages
- Last update
- 20.03.2025, 11:14 AM CET
Data provider
Stadtarchiv Reutlingen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Archivale
Time of origin
- 1699 März 22