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Der Fishersche Preiserwartungseffekt: Ein Erklärungsansatz für das Gibson-Paradoxon?

Der Fishersche Preiserwartungseffekt: Ein Erklärungsansatz für das Gibson-Paradoxon? Das Gibson-Paradoxon behauptet eine positive Korrelation zwischen den Bewegungen des langfristigen Zinssatzes und des allgemeinen Preisniveaus. I. Fisher erklärte diesen Sachverhalt durch den Preiserwartungseffekt; gemäß dieser Hypothese "einigen" sich in einer Inflation bei Aufnahme eines Kreditverhältnisses Gläubiger und Schuldner über einen Inflationszuschlag zum Zins in Höhe der erwarteten Preissteigerungsrate. Diese These findet in jüngerer Zeit immer breiteren Zuspruch, und es liegen bereits zahlreiche bestätigende empirische Untersuchungen vor. Diese unterstellen gemeinhin, daß die Wirtschaftssubjekte ihre Preiserwartung durch Gewichtung bereits aufgetretener Preisänderungsraten ableiten, womit sog. distributed-lags herangezogen werden können. Aufgrund verschiedener Indizien aus Befragungen usw. erscheint es allerdings sehr unwahrscheinlich, daß die Erwartungsbildung der Wirtschaftssubjekte den äußerst einfachen, restriktiven Erwartungsstrukturen folgt, die durch Verwendung der verschiedenen Lag-Modelle impliziert sind. Man kann versuchen, über die im Rahmen der Preiserwartungshypothese behauptete "Einigung" der Kreditpartner hinaus, Verhaltensweisen zu spezifizieren, die in der Inflation eine Zinserhöhung herbeiführen können. Eine entsprechende Konfrontation dieser Verhaltensweisen mit empirischem Material ergibt aber für die BRD erst für den allerjüngsten Zeitraum mögliche Anhaltspunkte, wobei die Wirkungen auf den Zins zudem nicht immer eindeutig sind. Hinsichtlich der empirischen Tests zeigt sich, daß sowohl partielle Schätzungen einer Inflationskomponente im Zins wie auch Tests umfassender spezifizierter Zinsmodelle aus verschiedenen Gründen problematisch sind; der Preiserwartungseffekt kann ferner nicht statistisch eindeutig gegenüber konkurrierenden Hypothesen zur Erklärung des Gibson-Paradoxons, speziell dem Einkommenseffekt und dem Reaktionseffekt, abgegrenzt werden. Der Verfasser kommt deshalb zu dem Ergebnis, daß die Preiserwartungshypothese noch nicht zum Bestand an gesichert nachgewiesenen ökonomischen Hypothesen gezählt werden kann.

Language
Deutsch

Bibliographic citation
Journal: Kredit und Kapital ; ISSN: 0023-4591 ; Volume: 9 ; Year: 1976 ; Issue: 2 ; Pages: 252-283

Classification
Wirtschaft

Event
Geistige Schöpfung
(who)
Badura, Jürgen
Event
Veröffentlichung
(who)
Duncker & Humblot
(where)
Berlin
(when)
1976

DOI
doi:10.3790/ccm.9.2.252
Last update
10.03.2025, 11:45 AM CET

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  • 1976

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