Bild

Stilleben mit Blumen und Früchten

Von allen Bildgattungen hat Cézanne das Stilleben von Anbeginn bis zum Ende am beständigsten gepflegt. So entstanden etwa zweihundert Bilder, für deren Erfindung er sich mit einigen wenigen, immer wiederkehrenden schlichten Gegenständen begnügte; und da er sehr langsam arbeitete, ersetzte er die allzu rasch vergehenden Früchte und Blumen bisweilen durch künstliche. Blumenbilder (wie sie etwa Henri Fantin-Latour so bevorzugte) bleiben jedoch vergleichsweise selten. Zwanzig Jahre liegen zwischen dem älteren Stilleben und diesem, das die Kunst Cézannes in ihrer vollen Entfaltung zeigt. Eine kaum weniger instabile Anordnung der Gegenstände wird diesmal aufgefangen durch erkennbare Geometrie, durch eine abstrahierende Interpretation der Farben, die deren Lichtwert den Vorrang vor der Lokalfarbigkeit gibt (wozu »Früchte und Geschirr« nur in den mittleren Früchten ansetzt, Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 964), und eine gezügelte, behutsame Pinselführung. Die Geometrie gibt sich nicht nur in der langen Schräge des Tischtuches kund, sondern vor allem in der senkrechten Teilung der Bildfläche, die von der Spitze einer gelben Birne markiert wird: Die rechte Hälfte wird beherrscht von dem – in Cézannes Bildern so oft vorkommenden – Ingwergefäß, hinter dem die Feldblumen sich ausbreiten, die andere von dem bergförmig aufgetürmten Tischtuch. Hinter diesem ein undurchdringlich nächtliches Blau, auf ihm aber die Früchte in immateriell leuchtenden, reinen Tönen, wodurch der Komplementärkontrast von Gelb und Violett höchst aussagekräftig wird. Die Pracht sucht Cézanne in steigendem Maße in der räumlichen Entfaltung der Dinge. Dabei müssen sich die konkreten räumlichen Verhältnisse dem Zusammenklang der Dinge in einem farbig aufgefaßten Licht unterordnen: Wie sich etwa der Stuhlpfosten zur Lehne, der Stuhl insgesamt zum Tisch verhält, bleibt, der Öffnung der Volumen zum Raum hin zuliebe, undefiniert. Ebensowenig gewinnen Licht und Schatten selbständige Wirkung: Die Farbe vermittelt dies alles simultan. Die Farbschicht ist dünn, bisweilen fast aquarellartig durchsichtig. Die kurzen, schräg geführten Striche kreuzen einander stellenweise und lassen innerhalb jeder Farbzone unterschiedliche Töne anklingen, namentlich im Blau und im Weiß des Tuches: Hier wird anschaulich, was Cézanne meinte, wenn er vom ›Modulieren‹ des Tons sprach. | Claude Keisch

Vorderseite | Fotograf*in: Karin März

Public Domain Mark 1.0 Universell

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Standort
Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
A I 965
Maße
Höhe x Breite: 66 x 81,5 cm
Rahmenmaß: 82,5 x 98,5 x 7 cm
Material/Technik
Öl auf Leinwand

Ereignis
Erwerb
(Beschreibung)
1906 Geschenk Berliner Kunstfreunde (Eduard Arnhold und Robert von Mendelssohn)
Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
um 1890

Letzte Aktualisierung
08.08.2023, 11:02 MESZ

Datenpartner

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Objekttyp

  • Bild

Beteiligte

Entstanden

  • um 1890

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