Grafik
Der Monat Februar
Ausgelassenes Feiern soweit das Auge reicht – so könnte man den Inhalt des Blattes zusammenfassen, das Gillis Sadeler nach einer Vorlage von Peter Stevens gestochen hat. Im Vordergrund tummeln sich mehrere Gruppen von Menschen vor einem Wirtshaus. Von links tauscht eine Gruppe von teilweise maskierten Frauen und Männern Zärtlichkeiten aus. Dahinter ist ein ausgelassenes Festgelage zu sehen, das zumindest für einige Teilnehmer, die dem Alkohol schon zu sehr zugesprochen haben, beendet zu sein scheint. Rechts fährt eine Gruppe mit der Kutsche in Richtung Stadt. Mehrere Musikanten und Tänzer säumen ihren Weg. Vor den Toren der Stadt versuchen einige Männer einen Stier zu bändigen. Andere verweilen vor den Bühnen der Schausteller. Auf dem zugefrorenen Kanal fahren Pferdeschlitten und Schlittschuhläufer. Dieser Stich des Monats Februar ist Teil einer Serie der zwölf Monate. Jedes der Blätter ist am oberen Bildrand mit dem jeweiligen Sternzeichen versehen, der Name des Monats ist am unteren Bildrand zu lesen. Außerdem findet sich unter jedem Blatt eine sechszeilige lateinische Unterschrift, die die Eigenschaften jeden Monats benennt. Zum Februar lesen wir, daß hier das Reinigungsfest Februa stattfindet, bei dem lustige Menschen durch die Häuser, Straßen und Dörfer ziehen und auf dem Marktplatz Dinge veranstalten. Die Zeilen enden mit dem Bekenntnis „Wir werden darauf vertrauen, daß es einen Gott gibt.“ Der Karneval ist in den Niederlanden seit dem Mittelalter fester Bestandteil des jährlichen Festkalenders. Bereits 1120 feierte man in Kleve bereits 1120 eine Art Karneval, dort wurde auch 1381 eine „Geckengesellschaft“ gegründet. In zahlreichen Quellen werden für den Karneval unterschiedliche Betätigungen genannt. Spiele, Aufführungen, Festmahle und Trinkgelage gehörten ebenso zum Standard wie die Wahl von Viertelfürsten, Prinzen, Potentaten und auch „Eselspäpsten“. Der Karneval ist sowohl auf dem Land als auch in der Stadt eines der wichtigsten Volksfeste der Neuzeit. Er beginnt regional verschieden, zwischen dem Dreikönigstag (6.1.) und Mariä Lichtmeß (2.2.) und endet Karnevalsdienstag/Aschermittwoch. Während des Karnevals steht die Welt sprichwörtlich auf dem Kopf: Dieses eine Mal im Jahr sind Exzesse, Maskeraden, Lärm und Lieder mit verunglimpfendem Inhalt erlaubt. Nach der langen und harten Zeit des Winters war diese Art der körperlichen und psychischen Wiedererstarkung gerade im Mittelalter und in der frühen Neuzeit dringend nötig. Außerdem war es die vorerst letzte Möglichkeit für exzessives Treiben, denn anschließend begann die Fastenzeit mit dem Verzicht auf Fleisch, Eier, Alkohol und nur einer Mahlzeit mittags und einem leichten Imbiss abends. Die zahlreichen Feste sowohl auf dem Land als auch in der Stadt dienten den Menschen dazu, ihre aufgestauten Ängste und Aggressionen zu kanalisieren. Außerdem war wenigstens an diesen Tagen ihre Welt scheinbar in Ordnung. Auch der Karneval hatte eine Präventivfunktion und sollte als eine Art „Ventilsitte“ verhüten, daß sich soziale Spannungen in der Gesellschaft anhäufen. Die Anhänger des Calvinismus bekämpften, ebenso wie andernorts die Reformanten, ab 1579 den Karneval in den Niederlanden. Der Karneval galt als „Bacchus-Tag“, als „römische Superstition“ oder als „paepsche Stoutigkeit“. Aber nicht nur den Reformatoren war das Fest ein Dorn im Auge, viele Städte erließen Vorschiften, um dem wilden Treiben ein Ende zu setzen. Die Freude der Menschen an ihren Festen nahm jedoch während der gesamten Dauer der Republik nicht ab, und der vorreformatorische Festkalender hatte weiterhin bestand. Auf der wohl bekanntesten Darstellung des niederländischen Karnevals dem Wiener Gemälde Der Kampf zwischen Karneval und Fasten von Pieter Bruegel aus dem Jahr 1559 sind ebenso wie hier typische karnevalistische Tätigkeiten abgebildet: Verkleiden, Musizieren, Würfelspiel, das Tragen von Spiegeln, Weingenuß, Tanzen und szenisches Spiel.
- Alternative title
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Februarius
- Location
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Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
- Inventory number
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D 4710
- Measurements
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Höhe: 214 mm
Breite: 284 mm
- Material/Technique
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Papier; Kupferstich
- Inscription/Labeling
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Aufschrift: Aedes, plateas, insulas, ...esse credamus DEUM. (unten rechts)
Aufschrift: En vota Diti ...ipse orcus Dei: (unten links)
Aufschrift: Fornix nefandi conscia ...ruelibus aulae procax (unten mittig)
- Classification
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Kupferstich (Oberbegriffsdatei)
- Subject (what)
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Bauer
Baum
Dorf
Landschaft
Februar
Fest
eine Landschaft, die den Februar darstellt
Pisces, Fische (Tierkreiszeichen des Februar)
Karneval, Fastnacht (nicht-liturgisches Feiern)
- Event
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Entstehung
- (who)
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Stevens, Pieter (Vorbild / IdeengeberIn)
- (when)
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1607
- Event
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Herstellung
- (who)
- Sponsorship
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Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Deutsche Digitale Bibliothek aus Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
- Last update
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24.04.2025, 12:58 PM CEST
Data provider
Kunstsammlung der Universität Göttingen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Grafik
Associated
- Stevens, Pieter (Vorbild / IdeengeberIn)
- Sadeler, Ægidius (StecherIn)
Time of origin
- 1607