Archivalie

Sehr geehrter Herr Direktor! Erst heute beim Räumen fand ich ...

Transkription: Herrn Prof.Dr. Heinz B r a u n e Staatsgalerie Stuttgart Königstr.32 Prof.Oskar Schlemmer Sehringen über Müllheim i.B. 7.Dez.1937 Sehr geehrter Herr Direktor! Erst heute beim Raumen fand ich endlich das Gewünschte,das ich Ihnen beiliegend übermittle mit der Bitte, falls Sie in der Sache von meinem Namen Gebrauch machen wollen als Uebermittler,mich vorher zu verständigen. Inzwischen ist auch in dem Mitteilungsblatt der Reichskammer der Vorname Walter genannt worden,sodaß also kein Zweifel mehr besteht.Interessant ist ja auch,mit welcher Geschäftigkeit sich Herr Hoffmann damals im Okt.32 für die Sache der Moderne einsetzte. Ich frage Sie nur,was mit der Aufdeckung dieser Zusammenhänge erreicht werden kann ? Gibt es nicht genug Beispiele dafür,daß Personen,die sich rechtzeitig und sei es im letzten Augenblick umgestellt haben,auch geschützt werden entgegen allen Beweisen Ihre Vergangenheit betreffend ? Der Fall Traugott Müller in Berlin istmir dafür typisch.Jedermann weiß,daß er der Bühnenbildner Piscators war und ist heute derjenige der Preuß.Staatstheater. Gestatten Sie mir,Ihnen heute ein Wort über meine eigene Lage zu schreiben.-Ich habe schon nicht verstanden, in München zu den entarteten,destruktiven,grundsätzlich und vorsätzlich böswilligen Malern gerechnet zu werden.Man trat dort aber sozusagen in corpore auf und war durch die Geselllschaft des ehrwürdigen Christian Rohlfs gewissermaßen gerechtfertigt. -Nun höre ich aber von Berlin,daß ich auch in der Großen antibolschewistischen Ausstellung "Bolschewismus ohne Maske" mit einem unter 10 ausgestellten Bildern vertreten sei.Es ist eines meiner besten Bilder aus dem Jahr 1924,"Vorübergehender",zu dem ich mich heute noch durchaus bekenne,und dessen Zweck in dieser Ausstellung ich einfach nicht begreife. Das Gefährliche an der Sache ist diesmal,daß die Ausstellung sehr stark im Zeichen Bolschewismus= Judentum steht und beim Beschauer der ganz unzweifelhafte Eindruck erweckt wird,daß die Ausgestellten selbstverständlich Juden sind. Mein Ariernachweis ist aber bis zum 30jähr. Krieg komplett. Schon 1933 wurde ich an den Staatsschulen in Berlin in einem Manifest an die Schülerschaft zweideutig als Jude bezeichnet.Meine Erklärungen an das Ministerium blieben unbeantwortet und so bin ich also bis heute mit diesem Makel behaftet.-Ich frage mich-und ich wäre Ihnen sehr dankbar,wenn Sie die Güte hätten,mir bei dieser Fragenbeantwortung zu helfen ob es Sinn und Zweck hat,beim Reichspropagandaministerium zu protestieren oder doch sich zu erklären. Denn ich sehe wie gesagt erstmals die Situation als gefährlich an, ohne mir jedoch eine Vorstellung davon machen zu können,was einem geschehen kann. Wäre ich allein,so wäre die Sache nicht so tragisch; aber ich habe Familie,drei unmündige Kinder.seit kurzem auch ein Häuschen.-Wird man gezwungen,außer Landes zu gehen ? Ich empfehle mich Ihnen als Ihr sehr ergebener

Material/Technik
Papier; maschinenschriftlich
Inventarnummer
AOS 2015/1828
Sammlung
Archiv Oskar Schlemmer

Provenienz
Abschrift vorhanden; Ordner 1934-1943
Ereignis
Herstellung
(wer)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Heinz Braune (26.12.1880 - 10.01.1957)

Rechteinformation
Staatsgalerie Stuttgart
Letzte Aktualisierung
27.02.2023, 09:18 MEZ

Objekttyp


  • Archivalie

Beteiligte


Ähnliche Objekte (12)