Bestand
Konsulat Marseille (Bestand)
Findmittel: Datenbank; Findbuch, 1 Bd.
Vorwort
Behördengeschichte
Konsularbehörden sind diplomatischen Vertretungen nachgeordnete Einrichtungen; ihre gesetzliche Grundlage bildet das Konsularrecht <1>. Zu den spezifischen Aufgaben eines Konsulats gehören die Wahrung und Förderung der jeweiligen wirtschaftlichen Interessen des Absendestaates in Bezug auf Handel, Verkehr und Schifffahrt sowie der Schutz der eigenen Staatsangehörigen in Form von Unterstützungen und der Ausübung polizeilicher Befugnisse. Dazu kommen verschiedene Einzelaufgaben wie Kontrolle der Schifffahrt, Überprüfung der Seetüchtigkeit und der Landung sowie die Schlichtung von Streitigkeiten auf Schiffen. <2>
Den Konsuln im Dienste Preußens oblag die Führung des Verzeichnisses der in ihrem Einflussbereich wohnenden Angehörigen ihres Staates (Konsularmatrikel) <3>.
Konsuln bedürfen bei Amtsantritt keines Kreditivs (Beglaubigungsschreiben), sondern eines Bestallungsschreibens. Sie nehmen ihren Dienst wahr, sobald das Exequatur (Genehmigung) von der Regierung des Empfangsstaats vorliegt. Die mit Gerichtsbarkeit ausgestatteten Konsuln müssen vereidigt sein, während Wahlkonsuln in der Regel nicht vereidigt werden.
Mit Bildung des Norddeutschen Bundes 1866 bzw. des Deutschen Reiches 1871 gingen die preußischen konsularischen Beziehungen in die Zuständigkeit des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches über. Damit wurden die preußischen Konsulate in die Dienste des Deutschen Reiches überstellt und die Konsuln zu Reichskonsuln <4>.
Aufgrund des wichtigen Seehafens in Marseille bot sich die Einrichtung eines Konsulats an. Zu dessen vorrangigen Aufgaben gehörte die Interessenvertretung des preußischen Staates in Marseille unter besonderer Berücksichtigung der Handels- und Schifffahrtsverhältnisse zwischen beiden Staaten. Eine weitere konsularische Aufgabe war die Unterstützung preußischer Staatsangehöriger u. a. durch die Auslage finanzieller Mittel bzw. die Betreuung schiffbrüchiger oder kranker Matrosen. Besonderes Augenmerk richtete man auf die Kontrolle des Schiffsverkehrs.
Im Herbst 1742 bat der Kaufmann Daniel Le Clerc [auch: le Clerc, Leclerc] aus Neuchâtel darum, Konsul in Marseille zu werden. <5> Da es Komplikationen mit dem französischen König wegen der Anerkennung eines preußischen Konsuls im Mittelmeerhafen gab, konnte er allerdings erst im Frühjahr 1748 tatsächlich ernannt werden. 1753 erkrankte Le Clerc schwer und bat daher darum, seinem gleichnamigen Sohn die konsularischen Aufgaben übertragen zu dürfen. Dieser bat zehn Jahre später um die Ernennung zum Generalkonsul von Longuedoc und Provence, was ihm zugestanden wurde unter der Bedingung, keine Gehaltsforderungen zu stellen. Geldforderungen verschlechterten zu Beginn der 1780-er Jahre das Verhältnis des Konsuls zum König von Preußen, denn dieser war keineswegs bereit, den Konsuln ihre Auslagen zu erstatten, geschweige denn ihnen eine finanzielle Anerkennung oder gar eine Pension zukommen zu lassen. Ob Le Clerc weiterhin konsularische Aufgaben wahrnahm, lässt sich bisher nicht nachweisen. 1796 bat er jedenfalls darum, zum Konsul in Konstantinopel, Smyrna oder an der spanischen Mittelmeerküste ernannt zu werden. Seinem Gesuch wurde allerdings nicht stattgegeben.
Nach der französischen Revolution, im Jahr 1794 bat der in Prenzlau/Uckermark geborene Franz (François) Sauvage, der sich inzwischen in Marseille als Kaufmann niedergelassen hatte, um Übertragung des preußischen Konsulats. Nach mehreren Verhandlungen und der Überprüfung weiterer Bewerber wurde er am 1. Oktober 1796 zum preußischen Konsul in Marseille ernannt. Er starb 1810 <6>. Bis 1816 blieb die Stelle eines preußischen Konsuls in Marseille unbesetzt.
Am 16. Oktober 1816 wurden die Konsulargeschäfte dem Kaufmann und Seifenhersteller Abraham August Roulet (9.9.1780-26.2.1849) aus Neuchâtel übertragen. Aufgrund seiner großen Verdienste erfolgte am 8. Juni 1828 die Ernennung zum Kommerzienrat. Nach einer langen erfolgreichen Tätigkeit in preußischen Diensten suchte er aus gesundheitlichen Gründen im Februar 1843 um seine Entlassung nach. Offenbar wurde er von seinem Sohn Charles Louis Roulet bei der Wahrnehmung der konsularischen Tätigkeit unterstützt.
Sein Nachfolger wurde im Juli 1843 der Kaufmann Gustav August Lichtenstein, der gleichzeitig als Konsul von Mecklenburg-Schwerin und den Hansestädten fungierte. Wegen des Bankrotts seiner Handelsfirma 1854 sollte die preußische Konsulatsstelle anderweitig besetzt werden. Nach Überprüfung von Lichtensteins Vermögens- und Lebensverhältnissen durch das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten wurde jedoch der Entschluss gefasst, ihm weiterhin die Leitung des Konsulats zu belassen. Auf Grund einer gerichtlichen Untersuchung 1859 wegen Unterschlagung reiste Lichtenstein unter falschem Namen nach Konstantinopel und bat am 16. März 1859 um seine Entlassung.
Zwischen 1859 und 1860 wurden die Dienstgeschäfte des Konsulats interimistisch durch den ersten Buchhalter Robert von Weickhmann geführt. Da der Bewerbung des Kaufmanns, ihm den Posten ständig zu übertragen, nicht stattgegeben wurde, suchte er um seine Entbindung von den konsularischen Aufgaben nach. Die weitere, ebenfalls nur interimistische Leitung übernahm für den Zeitraum von April 1860 bis Mitte Februar 1861 der schwedisch-norwegische Generalkonsul Foelsch von Fels [auch: Fölsch von Fels] <7>. Am 8. Dezember 1860 erhielt der Chef des Handlungshauses Foelsch & Co., Ulrich Schnell, seine Bestallung zum preußischen Konsul. Für seine Leistungen wurde er 1865 mit den Roten Adlerorden 4. Klasse ausgezeichnet. Am 21. April 1866 wurde er von seinen Dienstpflichten als preußischer Konsul entbunden und zum Konsul des Norddeutschen Bundes ernannt <8>.
Konsuln
1748 - 1753 Daniel Le Clerc d.Ä.
1753 - 1784 Daniel Le Clerc d.J.
1785 - 1796 vakant
1796 - 1810 Franz Sauvage
1810 - 1815 vakant
1816 - 1843 Abraham August Roulet, seit 1821 unterstützt von Charles Louis Roulet
1843 - 1859 Gustav August Lichtenstein
1860 - 1866 Ulrich Schnell
Bestandgeschichte
Der Bestand umfasst 41 Verzeichnungseinheiten mit einer Laufzeit von 1797 bis 1874. Neun Verzeichnungseinheiten mit "Abschriften ein- und ausgehender Schreiben (Briefkopierbücher) sowie einem Konsularregister" (1797-1868) stammen aus einer Abgabe des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes im Oktober 2001 an das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz.
Wie aus dem Jahresbericht von Staatsarchivrat Dr. Müller zum Jahr 1930 hervorgeht, erfolgte um 1930 eine Abgabe von Akten durch das Auswärtige Amt, zu welcher auch die Abgabe des Konsulats Marseille gehörte. Dr. Müller nahm eine vorläufige Ordnung vor. Die Akten der Gesandtschaften und Konsulate wurden hier als Gesamtbestand I. Hautabteilung Rep. 81 Gesandtschaften (Residenturen) und (General-)Konsulate alphabetisch nach Orten aufgestellt.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Bestände des Geheimen Staatsarchivs in die Salzbergwerke von Staßfurt und Schönebeck verbracht. Dazu gehörte auch die Bestandsgruppe I. HA Rep. 81 Gesandtschaften (Residenturen) und (General-)Konsulate. Nach Ende des Krieges wurden diese Archivalien von sowjetischen Truppen beschlagnahmt und nach Moskau überführt. Die Rückgabe der Archivalien an die Regierung der DDR erfolgte in den 1950er Jahren (30.6.1955 bzw. April 1959) <9>. Als Standort wurde das "Karteihaus der Landesversicherung Merseburg in Sachsen-Anhalt" ausgewählt, die administrative Unterstellung erfolgte unter das Zentrale Staatsarchiv Potsdam als Zweigstelle Merseburg. 1955 wurde der Teilbestand revidiert (Rot-Stift) und 1962 wurde das 1930 erstellte Findbuch verfilmt.
1967 wurde eine Trennung der Überlieferung in die "feudalistische" und die "kapitalistische" Epoche vorgenommen, so dass nun Bestände von Gesandtschaften und Konsulat "vor 1808" bzw. "nach 1807" bestanden.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung erfolgte gemäß Einigungsvertrag 1990 die Rückführung der Bestände des Zentralen Staatsarchivs in die Zuständigkeit des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz nach Berlin-Dahlem <10>. 1993 wurden die Archivalien rückgeführt. 2001 wurde das Findbuch in die Datenbank AUGIAS übertragen. Da der Bestand relativ klein ist, wurde auf eine Klassifikation verzichtet.
2005 fiel die Entscheidung, den Gesamtbestand I. HA Rep. 81 Gesandtschaften (Residenturen) und (General-) Konsulate nach 1807 provenienzgerecht als Einzelbestände der verschiedenen Gesandtschaften etc. aufzustellen, so dass die vorliegenden Archivalien unter der Bestandsbezeichnung "I. HA Rep. 81 Konsulat Marseille nach 1807" firmierten. Der Bestand wurde 2017 revidiert. Die ältere Überlieferung blieb im alphabetisch nach Orten klassifizierten Gesamtbestand zusammengefasst.
Die 1967 getroffene Entscheidung, die Gesandtschaftsüberlieferungen zu trennen, wurde im Mai 2018 wieder rückgängig gemacht <11>. Daraufhin wurden im Herbst 2020 die beiden Teil-Bestände wiedervereint; der ältere Teil wurde in die vorhandene Klassifikation des jüngeren Teil-Bestands integriert und mit "I. HA Rep. 81 Konsulat Marseille" bezeichnet. Im Zuge dieser Revision wurden einige Verzeichnungseinheiten neu klassifiziert. Die Titel wurden mehrheitlich belassen, jedoch umfangreiche Enthält-Vermerke aufgenommen. Soweit der Zeitaufwand angemessen war, wurden für Personen und Orte Verknüpfungen mit der Gemeinsamen Normdatei (GND) erstellt. Der ältere Teil-Bestand wurde nach numerus currens umsigniert, in Jurismappen verpackt und die Konkordanz "Altsignatur" - "Signatur" erstellt.
Abschließend wurde im Oktober 2020 bislang nicht verzeichnetes Archivgut, das im Westhafen-Magazin zusammen mit weiterem Schriftgut aus der Zuständigkeit des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten bzw. nach 1871 Auswärtigen Amts in mehreren Kartons verwahrt wurde, erschlossen. Es wurde geordnet, zum Teil entmetallisiert, signiert und in Jurismappen verpackt.
Quellen und Literatur:
Handbuch über den königlich-preußischen Staat (Staatshandbuch) von 1779-1866
GStA PK, III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 222 bis Nr. 224
GStA PK, I. HA Rep. 178 Generalverwaltung der Staatsarchive, Nr. 1932
- Hue de Grais, Robert: Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche, Berlin 11. Aufl., 1897.
- Kohnke, Meta / Lehmann, Joachim / Waldmann, Heinrich: Fragen der Bestandsabgrenzung und Bestandsbildung in der Historischen Abteilung II des Deutschen Zentralarchivs, in: Archivmitteilungen 23 (1973), S. 172-178.
- König, Bernhard W.: Preußens Consular-Reglement in seiner heutigen Geltung und Anwendung, 2. völlig überarb. Aufl., Berlin 1866.
- Steinmann-Bucher, Arnold: Die Reform des Konsulatswesens aus dem volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte, Berlin 1884.
- Straubel, Rolf: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15, Berlin 2009.
- Ubert, Jörg: Les services consulaires prussiens au XVIIIe siècle, in: La fonction consulaire à l'époque moderne. L'affirmation d'une institution économique et politique (1500-1800), hrsg. von dems. und Gérard Le Bouëdec, Rennes 2006, S. 317-332.
Der Bestand umfasst _41 VE
letzte vergebene Nummer: ___41___
Zu zitieren: GStA PK, I. HA Rep. 81 Konsulat Marseille, Nr. #
Zu bestellen: I. HA Rep. 81 Marseille, Nr. #
Berlin, 17.12.2001/19.6.2017 S. Reinhardt
20.11.2020 Dr. P. Puppel
<1> Das Konsulats-Reglement vom 18. September 1796 (gedruckt in: Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium, Bd. 10 (1796), Nr. 97, Sp. 651-702) behielt bei mehrfacher Änderung grundsätzlich Gültigkeit bis 1866. Vgl. König, Bernhard W.: Preußens Consular-Reglement in seiner heutigen Geltung und Anwendung, 2. völlig überarb. Aufl., Berlin 1866, S. 7f. GStA PK, III. HA, II Nr. 5: Runderlass vom 4. Februar 1816.
<2> Reglement für alle königlich Preußische General-Consuls, Consuls, Agenten und Vice-Consuls in fremden Handlungsplätzen und Seehäfen. Berlin, 18.9.1796, in: GStA PK, I. HA Geheimer Rat, Rep. 69 Seeneutralitäts- bzw. Schifffahrtssachen, Fasz. 7, fol. 90r-104v.
<3> Vgl. Steinmann-Bucher, Reform des Konsulatswesens, insbes. S. 17.
<4> Vgl. Hue de Grais, Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche, S. 119-121.
<5> Vgl. auch zum Folgenden GStA PK, I. HA Rep. 9 Allgemeine Verwaltung, Z Lit. B, Fasz. 16.
<6> Vgl. GStA PK, III. HA, II Nr. 222 und ebd., I. HA Rep. 9, Z Lit. B Fasz. 18, fol. 1r.
<7> Vgl. Leipziger Literaturzeitung, Nr. 251 (1822), Sp. 2004-2006. Angehörige der aus Norwegen stammenden Familie Fölsch waren seit Jahrzehnten in Marseille ansässig. Edward Gustav Fölsch ist dort bereits um 1817 bis 1849 als Konsul nachweisbar. Seine Tochter heiratete 1846 den dänischen Konsul Frisch. BayHStA, Gesandtschaft Paris 1416: Die Verwendung des preußischen Konsuls Ulrich Schnell in Marseille für den bayerischen Staatsangehörigen Oberhauser von Sankt Ingbert, 1861.
<8> Vgl. Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, Band 1868, Nr. 14, S. 223.
<9> Siehe dazu im Einzelnen das handschriftliche Findbuch.
<10> Vgl. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31. August 1990 (BGBl. 1990 II S. 889), zuletzt angepasst durch Art. 122 G v. 8. Juli 2016, Art. 35 Abs. 5.
<11> Vgl. Arbeitsbericht über die durchgeführten Abgrenzungsarbeiten im II. Quartal 1967, in: GStA PK, I. HA Rep. 178 E, Nr. 168 sowie GStA PK, TgbNr. 9183/18 (Registratur Aktenzeichen C 1/1/1).
Zitierweise: GStA PK, I. HA Rep. 81 Marseille
- Bestandssignatur
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Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 81 Marseille
- Umfang
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Umfang: 0,5 lfm (41 VE); 0,5 lfm (41 VE)
- Sprache der Unterlagen
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deutsch
- Kontext
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Tektonik >> STAATSOBERHAUPT UND OBERSTE STAATSBEHÖRDEN, MINISTERIEN UND ANDERE ZENTRALBEHÖRDEN PREUSSENS AB 1808 >> Auswärtige und Bundes-Angelegenheiten >> Auswärtige Angelegenheiten
- Bestandslaufzeit
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Laufzeit: (1797) 1815, 1840 - 1871
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
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28.03.2023, 08:52 MESZ
Datenpartner
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- Laufzeit: (1797) 1815, 1840 - 1871