Archivbestand

210,22/Luce Verpackungswerk (Bestand)

Form und Inhalt: Vorwort zum Bestand 210,22/Luce Verpackungswerk


Unternehmensgeschichte

Firmengründer Fritz Luce wurde am 2. Dezember 1857 im westfälischen Rietberg geboren. Sein Vater war Gymnasiallehrer. Eigentlich sollte der Sohn ebenfalls Lehrer werden, ging aber noch vor dem Abitur vom Gymnasium ab und trat eine kaufmännische Lehre in der Wäschefirma Brackmeyer & Heise in Bielefeld an. Nach der Lehre absolvierte er seinen Militärdienst in Minden, wo er auch seine zukünftige Ehefrau Luise Wittkopp kennenlernte. Zurückgekehrt nach Bielefeld, verdiente er sein Geld wieder bei Brackmeyer & Heise. Ein Freund von ihm war Reisender in Sachen Wäsche. Bei einem Aufenthalt im Erzgebirge lernte dieser eine neuartige Art der Verpackung aus Papier bzw. Pappe, die "Handlederpappe" kennen. Nachdem Luce davon erfahren hatte, sah er die Chance, diese für die Bielefelder Wäscheindustrie nutzbar zu machen. Schließlich handelte es sich um ein Material, dass zum einen flexibler reagierte, zum anderen wesentlich stabiler war als die übliche Verpackung aus Strohpappe.

Mit gerade 30 Jahren gründete er 1887 ohne Kapital und ohne geschäftliche Verbindungen seine Firma: Versandschachtelfabrik, Hagenbruchstraße 1, direkt am Klosterplatz. Es war die erste Kartonagenfabrik, die spezialisiert war, Verpackungen aus Lederpappe herzustellen. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, betrieb er zusätzlich eine Zweigstelle einer privaten Krankenkasse. Die Pappen bezog er aus dem sächsischen Pirma, wo er sie auch kennengelernt hatte. Nur dort wurde sie innerhalb von Deutschland hergestellt.

Als das Geschäft sich stabilisiert hatte, holte Fritz Luce seinen Schwager mit ins Boot. Die Firma war stets mit den besten und den neuesten Maschinen ausgestattet. Nachdem die Räumlichkeiten in der Hagenbruchstraße zu klein geworden waren, wurde die Produktion in die Waldeckstraße 6 verlegt. Die Firma florierte und belieferte inzwischen fast die gesamte Wäscheindustrie in Bielefeld. Später saß er auch in der Margarine-Industrie "fest im Sattel".

Bei der Preußischen Klassenlotterie gewannen Luce und Wittkop die beachtliche Summe von 100.000 Goldmark. Da genügend Geld in der Firma vorhanden war, entschieden sich beide, in die Fahrradindustrie einzusteigen und gründeten 1904 die Sattelfabrik Wittkopp & Co. an der Herforder Straße 51 (heute steht dort die Stadthalle). Da beide fachfremd waren, übernahm Richard Ziegler, der lange Jahre bei der Sattlerfirma Nagel angestellt war, die Leitung der Firma. Später wurde er Mitinhaber. Eine seiner Töchter heiratete Dr. Theo Kaselowesky.

An der Hochstraße 15 baute Luce eine große Villa, die er zusammen mit seinem Schwager bewohnte. Ebenfalls 1904 wurde eine Zweigstelle in Hamburg eröffnet, die bis 1924 Bestand hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg kaufte Fritz Luce das Grundstück Johannistal 3a, auf dem die Familie Galny eine Weberei betrieben hatte. Es sollte der endgültige Firmensitz werden, wurde aber am 30. September 1944 bei einem Bombenangriff getroffen. Von der Spezialfirma für Versandschachteln war nicht mehr viel übrig. Auch sein Wohnhaus blieb nicht verschont. Fritz Luce starb noch im selben Jahr am 7. Dezember in Bethel an Altersschwäche. Seine Frau, mit der er keine Kinder hatte, war schon früh verstorben. Seine letzte Ruhe fand er auf dem unmittelbar neben seinem Fabrikgelände liegenden Johannisfriedhof.

Trotz seines Wohlstandes wurde Luce immer wieder als ein bescheidener und sparsam lebender Mann beschrieben, der am gesellschaftlichen Leben nur im geringen Maße teilnahm. Als gläubiger Katholik war er sozial engagiert, ohne davon "groß Reden zu machen". So hat er in seinem Testament langjährige Betriebsangehörige und seine Hausangestellten finanziell bedacht. Auch die Stadt Bielefeld und das Franziskus-Hospital gingen nicht leer aus. Er liebte Musik und übte sie auch selbst aus. Fritz Luce besaß einen Steinway-Flügel, auf dem er noch im hohen Alter spielte. Dem Männergesangsverein "Arion" unter der Leitung von Prof. Wilhelm Lamping, dem ersten städtischen Musikdirektor, war er über viele Jahre treu.
Nach dem Krieg wurde zügig aufgebaut und in langsamen Schritten kam auch die Produktion wieder in Gang. Friedrich Schaarschmidt (1892-1983), Diplom-Ingenieur und langjähriger Erster Direktor der Firma E. Gundlach, übernahm 1947 die Firma, um sie im Sinne Luces weiterzuführen. Für den Bau des Ostwestfalendamms musste die Firma den Standort Johannistal Anfang der 1970er Jahre verlassen und verlegte den Firmensitz in die Senne. Nach dem Tod von Schaarschmidt übernahmen sein Sohn Ekkehard Schaarschmidt (1921-2016) und Jürgen Pollnow, Diplom-Kaufmann, zu gleichen Teilen die Geschäfte. 1991 übernahm Pollmann die alleinige Führung. Das Luce-Verpackungswerk hatte bis 1999 Bestand. Dann wurde es von der Kurt H. Schumacher Crimpack Wellpappenwerk KG aus Coburg übernommen und ist heute Bestandteil der Schumacher-Packaging-Gruppe.


Bestandsgeschichte

Der vorliegende Bestand umfasst nur drei Verzeichnungseinheiten. Diese "Firmensplitter" wurden am 3. Mai 2005 dem Archiv von Ekkehard Schaarschmidt, ehemaliger Mitinhaber der Firma, als "letztes Überbleibsel der alten Firma" geschenkt. Die Laufzeit umfasst die Jahre 1937 bis 1949.


Benutzungshinweise

- Archivalienbestellungen: 210,22/Luce Verpackungswerk, Nr.
- Zitation: Stadtarchiv Bielefeld oder StABi, Best. 210,22/Luce Verpackungswerk, Nr.


Weitere Fundstellen:
- Bestand 104,1/Ordnungsamt, Nr. 1182, Nr. 1183 (Gewerbekartei)
- Bestand 105,2/Stadtkämmerei, Nr. 504
- Bestand 107,10/Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek, Nr. 53
- Bestand 108,5/Bauordnungsamt, Hausakten, Nr. 4664
- Bestand 109,1/Sozialamt Stadt, Nr. 106
- Bestand 109,5/Ausgleichsamt, Nr. 13294
- Bestand 200,34/Nachlass Heinrich Hollmann, Nr. 188
- Bestand 300,2/Briefköpfe, Nr. 293

Literatur:
- Schaarschmidt, Friedrich, Werden und Wachsen der Papierwirtschaft im Bielefelder Raum. 75 Jahre Geschichte der Firma F. Luce. Ein Leben für Papier und Pappe Bielefeld 1962
- Luce Verpackungswerk. Ideen in Verpackung und Display, in: Andreas Beaugrand (Hg.), Stadtbuch Bielefeld - Tradition und Moderne in der ostwestfälischen Metropole, Bielefeld 1996, S. 658


Dagmar Giesecke, Dipl.-Archivarin
Bielefeld, Januar 2018

Bestandssignatur
210,022/Luce

Kontext
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (Archivtektonik) >> Nichtamtliches Schriftgut >> Firmenarchive

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Letzte Aktualisierung
17.09.2025, 13:26 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

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