Bestand
G 797 - Evangelisches Pfarramt Tübingen Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde (Bestand)
Einleitung: Der Stadtteil "Waldhäuser-Ost" (WHO), offiziell zum Tübinger Stadtbezirk Nordstadt gehörig, verdankt seinem Namen dem Dorf Waldhausen, das ursprünglich zu Bebenhausen gehörte. Schon seit den 1950er-Jahren plante die Stadt eine Erweiterung auf dem Gelände des ehemaligen Exerzierplatzes, der zu der Zeit von der französischen Armee verwendet wurde. Man wollte damit das Wohnraumangebot erweitern, vor allem in Hinblick auf das Wachstum von Klinik und Universität. 1968 wurde der Bebauungsplan beschlossen; drei Jahre später waren die ersten Wohneinheiten fertig. Stadtbildprägend sind die vielen Hochhäuser in Waldhäuser-Ost.
Kirchlich wurde das Gebiet von der Albert-Schweitzer-Kirchengemeinde Tübingen-Wanne betreut, die selbst erst 1966 gegründet worden war und vorher zur Martinskirche gehört hatte. Zunächst wurde Vikar Erich Haller mit der Seelsorge im Neubaugebiet beauftragt. Im März 1972 kam dann Jürgen Quack zunächst als Vikar nach WHO, ab Sommer 1972 dann als Pfarrer. Im September wurden das erste Gemeindehaus und der Glockenturm eingeweiht. 1977 gründete sich die Kirchengemeinde Waldhäuser-Ost als eigenständige Gemeinde. Als Jürgen Quack 1978 als Missionar nach Nigeria ging, folgte ihm der damalige Studierendenpfarrer Gottfried Dufft 1979 nach. In seine Amtszeit fiel auch der Bau der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche und die Umbenennung in Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde im Jahr 1985. Das Ensemble wurde 1991 um ein Gemeindehaus zum Gemeindezentrum erweitert. 1992 folgten Angelika und Michael Volkmann in Stellenteilung nach; als Michael Volkmann einen Dienstauftrag für das Christlich-jüdische Gespräch übertragen bekam, übernahm Angelika Volkmann die Pfarrstelle allein und führte sie, insgesamt 31 Jahre, bis zu ihrem Ruhestand. Seit 2023 ist Inken Rühle Pfarrerin an der Bonhoeffer-Kirche. Im Zuge des Pfarrplans und der Strukturreformen wird die Pfarrstelle in WHO gekürzt; die Geschäftsführung liegt nun bei der Albert-Schweitzer-Gemeinde.
Die Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde hatte immer ein enges Verhältnis zur Studierendengemeinde (ESG) und der ebenfalls in an der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche angesiedelten zweiten Pfarrstelle der ESG. Diese Stelle wurde in der betreffenden Zeit von Gottfried Dufft (1976-1979), Wolfgang Wagner (1979-1986), Hans-Ludwig von Dobeneck (1987-2002), Heidi Abe (2003-2012), Christina Jeremias-Hofius (2013-2022) und seit 2022 von Ravinder Salooja besetzt. Das Pfarrarchiv enthält entsprechend auch einen Teil der Semesterunterlagen für die Studierendenarbeit. Weitere Unterlagen dürften im Bestand GS 7 (ESG) zu finden sein.
Das Archiv der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde wurde im September 2023 vom Landeskirchlichen Archiv gesichtet und bewertet. Der Kirchengemeinderat beschloss am 27.09.2023 die Abgabe an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart. Nach einer eingehenden konservatorischen Behandlung wurde das Archiv Anfang 2024 nach Stuttgart gebracht und im Frühjahr 2024 von Daniel Grützmacher geordnet und verzeichnet. Dabei wurden Publikationen vom Bestand getrennt und der Landeskirchlichen Zentralbibliothek übergeben, darunter eine fast vollständige Ausgabe des Gemeindebriefs "Fliegende Blätter".
Das Archiv ist nicht streng nach Aktenplan geführt; deshalb wurde die Klassifikation bei der Ordnung auch freier angelegt, der tatsächlichen Überlieferungslage entsprechend.
Das Archiv der Bonhoeffer-Gemeinde stellt ein herausragendes Beispiel für ein Pfarrarchiv aus einer neu entstandenen Wohnsiedlung dar. Deutlich wird, dass die Kirchengemeinde gerade in der Anfangszeit überkirchliche Aufgaben übernommen hat, weil die entsprechende Infrastruktur im Stadtteil (noch) unterentwickelt war. So waren die Fliegenden Blätter ein wichtiges Austauschorgan für alle in WHO, das Gemeindehaus diente verschiedensten Gruppen, Kinderbetreuung und Jugendarbeit wurden maßgeblich von der Gemeinde betrieben usw. Die in einigen Akten enthaltenen Materialien über Stadtteilarbeit in anderen Neubaustädten oder die Dokumentation der von der Kirchengemeinde begleiteten Mietstreiks 1973 und 1977 zeigen, dass man sich mit der spezifischen Sozialsituation bewusst auseinandergesetzt hat.
Zu den bedeutsamen Teilen des Pfarrarchivs gehören auch die Unterlagen, die aus dem besonderen theologischen Profil der Gemeinde erwachsen sind. Vor allem unter Angelika und Michael Volkmann und in Zusammenarbeit mit Dankwart Paul Zeller hat die Gemeinde sich stark im Bereich des christlich-jüdischen Gesprächs engagiert. Ausdruck dieses Schwerpunkts sind die Unterlagen zum Denkmal Synagogenplatz in Tübingen, an dem die Kirchengemeinde an maßgeblicher Stelle beteiligt war. Das gilt auch für die Tübinger Städtepartnerschaft mit Petrosawodsk, die wesentlich aus der Partnerschaft der Gemeinde mit der dort ansässigen jüdischen Gemeinde erwachsen ist. Aus beiden Bereichen bietet das Pfarrarchiv eine reiche Überlieferung.
An Schwerpunkten zu nennen wären außerdem noch Unterlagen zur Studierendenarbeit, zu Gruppen und Kreisen, zu Gemeindereisen, zur Stadtteilarbeit sowie eine Reihe von Fotos und einige Plakate. Insgesamt umfasst das Archiv 250 Nummern mit einem Gesamtumfang von 9,5 m.
Kusterdingen, im April 2024
Daniel Grützmacher
- Reference number of holding
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G 797
- Extent
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9,5 m
- Context
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Landeskirchliches Archiv Stuttgart (Archivtektonik) >> G - Pfarrarchive >> Orte mit T
- Indexentry person
- Indexentry place
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Tübingen, Landkreis Tübingen
- Date of creation of holding
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1942-2023
- Other object pages
- Last update
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27.03.2025, 11:46 AM CET
Data provider
Landeskirchliches Archiv Stuttgart. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- 1942-2023