Archivale
Verordnungen des Magistrats
Regest: 1. Der Magistrat hat das Bürgergeld, den Betrag für die Aufnahme in das Bürgerrecht, auf 60 fl erhöht. Eine zum Bürger oder zur Bürgerin angenommene Person hat neben Erlegung der Rats-Gebühren und anderer Kosten im Betrag von 5 fl zum Reutlinger Waisenhaus 5 fl zu bezahlen und überdies 200 fl württ. Währung eigenes Vermögen nach Reutlingen zu bringen.
2. Wenn von einem oder beiden Eheleuten, die zu Bürgern angenommen werden, Kinder vorhanden sind, so sollen solche mitgebrachte und in das Bürgerrecht aufgenommene Kinder, falls sie das 7jährige Alter erlangt hätten oder darüber wären, den Statuten gemäss behandelt werden, wie es im übrigen bei der statutarischen Verordnung verbleibt.
3. Wenn aus hiesigen Dorfschaften die eine oder andere Person das hiesige Bürgerrecht erlangt, so hat jede die Hälfte des bereits erhöhten Bürgergelds und anderer Gebühren, wie solche im 1. Absatz bestimmt sind, zu entrichten.
4. Seit weniger Zeit hat sich veroffenbart, dass Eheleute ihre unter sich erreichten Ehepakte und Eheberedungen öfters viele Jahre bei Handen behalten, ja gar darüber absterben, ohne solche der hiesigen Obrigkeit zu insinuieren (= zuzustellen) und obrigkeitlich bestätigen zu lassen. Solches könnte zu processualischen Weiterungen Anlass geben. Der Magistrat macht daher die seit unvordenklichen Zeiten beobachtete Insinuation und Confirmation von derlei Ehepakten und Eheberedungen hiemit zu einem Gesetz, so dass von nun an alle Ehepakte und Eheberedungen, wenn sie rechtsgültig sein sollen, vor den Rat oder das geheime Collegium zur Confirmation (= Bestätigung) gebracht werden sollen.
5. Der Magistrat wiederholt die Verordnungen vom 2. Dezember 1763 und 30. September 1767, dass alle vorher schon so ernstlich verbotenen nächtlichen Bosheiten mit Schreien und Jauchzen, Lärmen und andern Arten der Frechheit, sowie das Einlassen der ledigen Gesellen in die Lichtstuben und Kärze abermals bei 5 fl Straf verboten werden. Die, welche dergleichen Excesse anzeigen, haben das Drittel der Straf zu gaudieren (= geniessen).
6. Das nächtliche Umlaufen der ledigen Burschen auf den Gassen ist schon öfters ernstlich verboten worden. Dennoch geschieht es mehrfältig, dass solche oft bis in die späte Nacht umlaufen und heimliche Excesse begehen. So wird vermög Rats-Decrets vom 17. August 1768 wiederholt zu wissen gefügt, dass jeder ledige Bursch oder Gesell, der im Sommer nach 11 Uhr und im Winter nach 10 Uhr noch auf der Gasse betreten wird, jedesmal um 1 Nacht-Gulden gestraft werden soll.
7. Weil die ledigen Burschen und Gesellen zu grösstem Missfallen des Nachts sich mit dem Tabak-Rauchen abgeben und mit den brennenden Tabakspfeifen sehr unvorsichtig in der Stadt herumgehen, so wird ihnen das nächtliche Tabakrauchen bei 1 Pfund Strafe verboten.
8. Die Bürgerschaft wird nachdrücklichst erinnert, auf Feuer und Licht gut achtzugeben. Da besonders zu vernehmen gewesen, dass einige mit blossen Lichtern in die Ställe und auf die Bühnen gehen, wird solches bei empfindlichster Strafe verboten. Jeder rechtschaffene Bürger wird aufgefordert, auf seine Nachbarn diesfalls (= in dieser Hinsicht) ein wachsames Auge zu haben, damit solche höchst sträflichen Nachlässigkeiten gehörig bestraft werden können. Derjenige, der solches der Obrigkeit anzeigt, soll neben Verschweigung seines Namens das Drittel der Geldstrafe erhalten.
9. Es gereicht zum grossen Schaden des gemeinen Wesens, dass viele Bürger, wenn ihnen zu hiesigen geistlichen und weltlichen Pflegschaften, Stadt- und Feld-, auch Pfand-Schultheissenamt vorgeboten wird, weder ihre Schuldigkeiten entrichten noch liquidieren. Künftig sollen die, welche auf 2maliges Vorbieten nicht erscheinen, das Bietgeld (= Gebühr für das Bieten) bezahlen, das drittemal aber neben Bezahlung des Bietgelds um l/2 Pfund Heller gestraft, bei weiterem Ungehorsam vor den Rat oder das geheime Collegium gestellt und zu gebührender Strafe gezogen, auch um ihre Schuldigkeiten exequiert (= ausgepfändet) werden.
10. In Zeit von 4 Wochen werden die Steuerbücher von Georgii 1780 bis 1781 abgerechnet und so fort alle Jahr 4 Wochen vor Martini geschlossen. Diejenigen nun, welche auf Vorbieten nicht erscheinen und ihre Schuldigkeiten nicht entrichten, werden ohne Ansehen der Person in eine extraordinari Straf-Steuer condemniert (= verurteilt), und solche soll nicht mehr ausgestrichen werden.
11. Weil seit einiger Zeit wahrzunehmen gewesen, dass ausser den Jahrmärkten in Schildwirts-, Becken- und Privathäusern des Nachts Spielleute gehalten werden, ohne dass eine obrigkeitliche Erlaubnis wäre eingeholt worden, wird dergleichen Aufspielen und Tanzen neben Entrichtung des Taxes von 1 fl bei 1 fl Straf verboten.
12. Da das Spielen an Sonn- und Feiertagen während den Gottesdiensten sehr im Schwange geht, wird solches bei 1 fl Straf verboten. Der Anbringer (= Anzeiger) soll neben Verschweigung seines Namens das Drittel der Straf empfangen.
13. Da viele Beisitzer (= Einwohner ohne Bürgerrecht) und andere fremde Personen sich hier aufhalten, welche zum gemeinen Stadtwesen lediglich nichts beitragen, so haben die Bürger, welche fremde Leute in ihren Häusern haben, solche bei ihren Pflichten ihrem Zunftmeister anzuzeigen.
14. Diejenigen Bürger, welche in der Feuerwahl sind, sollen jedesmal, wenn Feuerlärm gemacht wird, bei 1 fl Straf gehorsam erscheinen.
15. Diejenigen, welche von hiesigen corporibus (= Stiftungen) Spend und Brot, auch Umlagen erhalten, sollen, wenn sie auf Absterben ein Vermögen hinterlassen, solches wieder zu ersetzen schuldig sein.
16. Das Hochzeit-Anschiessen wird bei 1 fl Strafe verboten.
17. Bei obrigkeitlicher Straf wird das Herumsingen in den Weihnachtszeiten verboten.
18. Das Neujahr-Anschiessen wird bei unnachlässiger Straf von 2 fl hiemit verboten.
Decretum in senatu.
Bürgermeister und Rat der Reichsstadt Reutlingen.
- Reference number
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A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 6974
- Extent
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9 S. Text
- Formal description
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Beschreibstoff: Pap.
- Further information
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Genetisches Stadium: Kopie
- Context
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 18 Zünfte Allgemeines Nachträge
- Holding
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A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)
- Date of creation
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1782 November 27
- Other object pages
- Last update
-
20.03.2025, 11:14 AM CET
Data provider
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Object type
- Archivale
Time of origin
- 1782 November 27