Bestand

Polizeibehörde I (Bestand)

Verwaltungsgeschichte: Die Polizeibehörde und ihre Organisation in Grundzügen

Der Bestand stellt keine geschlossene Behördenregistratur dar, sondern ist ein Sammelbestand für vielerlei Teile, Reste und Splitter aus Aktenregistraturen des Bereiches der Polizeibehörde und der Polizei überhaupt von der Zeit ihres Aufbaus nach Ende der Franzosenherrschaft im Jahre 1814 bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und des Zweiten Weltkriegs 1945.

Als die Franzosenherrschaft im Jahre 1814 definitiv zu Ende gegangen war, vollzog sich der historische Bruch und Neuanfang im uniformierten Bereich des Polizeiwesens mit einem sinnfälligen formalen Akt: am 24. Mai 1814 zog ein Kommando des Hamburger Korps der Nachtwache "mit Trommel und Pfeife" an der Hauptwache auf und löste die abziehende französische Einheit ab.
Bei der Neuorganisation Hamburgs stand man bei der Polizei ebenso wie bei anderen Institutionen vor einem Dilemma. Einerseits wollte man sich prinzipiell zu vorfranzösischen bewährten Rechten und Traditionen bekennen, andererseits sah man deutlich die Untauglichkeit der alten Formen gemessen an den effektiveren und moderneren französischen Einrichtungen, ohne dies allzu deutlich zugeben zu dürfen.
Substantiell wandte der Senat jedoch diese Erkenntnis an, als er am 25. Mai 1814 die Einrichtung der Polizeibehörde anordnete und am 26.Mai 1814 dazu erste grundsätzliche Bestimmungen erließ. Nach grundlegenden Überlegungen des juristischen Senators Dr. Johann Heinrich Bartels sahen diese vor, alle polizeilichen Kompetenzen, die zuvor über mehrere Behörden und Institutionen teilweise mit konkurrierenden Zuständigkeiten verteilt waren, nun in einer einheitlichen Polizeibehörde zu bündeln. Die Leitung erhielten zwei vorzugsweise juristische Mitglieder des Senats, für die die jährliche Rotation in den Senatsämtern nicht mehr gelten sollte. Diese, die sog. Polizeiherren, residierten nun mit zentralen Polizeieinrichtungen in einem eigenen für geeignet befundenen Gebäude.

In den folgenden Jahrzehnten vollzog sich in teils grundsätzlichen teils organisatorischen Stufen die Entwicklung zur modernen Polizei im heutigen Sinne, wobei die Kompetenzen in den Bereichen von Sicherheit und Ordnung sowie der Verbrechensbekämpfung an Gewicht zunahmen und sich als Kernaufgaben ausprägten:

- Abgrenzung von Polizei und Justiz

Die Hamburger Verfassung vom 28.09.1860 leitete die Trennung und Abgrenzung von Rechtsprechung und exekutiven Institutionen ein. Für die Polizei bedeutete das den Verlust von strafgerichtlichen und ähnlichen die Rechtsprechung berührenden Kompetenzen. Grundlage bildeten vor allem die hochrangigen Rechtsvorschriften, die in den Reformen zum Strafverfahren am 01.09.1869 in Kraft traten, nämlich das "Gesetz betr. das Verhältnis der Verwaltung zur Strafrechtspflege und die Competenz der Polizeibehörde", das "Criminalgesetzbuch" und die "Strafproceßordnung" sowie einige Jahre später das "Gesetz betr. das Verhältnis der Verwaltung zur Zivilrechtspflege" v. 23.04.1879.

- Gesetz über die Reorganisation der Polizeiverwaltung v. 25.10.1875

Dieses Gesetz führte u.a
a) zur Schaffung der Beamtenstelle eines "Polizeiraths", der den Polizeiherrn beriet, generell
vertrat und fachliche Leitungskompetenzen gegenüber der gesamten Behörde besaß,
b) zur Gliederung der Behörde in elf Abteilungen:

I. Abt. Allgemeine Sicherheits-Polizei
II. Abt. Criminal-Polizei
III. Abt. Sitten-Polizei
IV. Abt. Polizei-Wachdienst
V. Abt. Gesinde-Bureau
VI. Abt. Fremden- und Passwesen
VII. Abt. Gewerbewesen
VIII. Abt. Hundesteuer-Bureau
IX. Abt. Registratur, Cassen- und Rechnungswesen
X. Abt. Expeditions- und Schreiberdienst
XI. Abt. Hafen-Polizei

Archivierungsgeschichte: Registraturen und überliefertes Registraturgut

Schon der Große Hamburger Stadtbrand von 1842 und andere Vorkommnisse hatten zu merklichen Verlusten von Schriftgut geführt. Insbesondere aber ist gerade auch das Schriftgut der Polizei infolge der Kriegsereignisse im Zweiten Weltkrieg in erheblicher Weise dezimiert worden.
Nach dem Kriege ging das Staatsarchiv daran, sich ein Bild über die Registraturen und das verbliebene Altschriftgut der Polizei zu machen. Am 02.02.1952 teilte die Polizeibehörde dazu mit, dass sich bei ihr weder Altregistraturen der eigenen Behörde noch Bestände von Vorläuferbehörden finden ließen. Diese wären durch Kriegseinwirkung vernichtet worden.
Bei archivpflegerischen Besuchen der nächsten Jahre ergab es sich jedoch, dass die Meldung von Totalverlusten so nicht richtig war. So fanden sich von umfassenden Organisationsstrukturen der Polizei einige geschlossene Altregistraturen, aus denen im Staatsarchiv Sonderbestände der Polizei angelegt wurden ( s. u. ). Daneben richteten Gespräche mit Polizeibediensteten vor Ort und Begehungen der Registraturen durch Archivare das Augenmerk dann aber auch auf "verstecktes und vergessenes" altes Polizeischriftgut, das verstreut in Schränken, Kellern und Böden lagerte. Durch teils systematische teils gelegentliche Nachsuche über einen langen Zeitraum hin konnten Archivare mit der früher ihrem Berufsstand eigenen Geduld größere und kleinere Teile, Reste und Splitter von Polizeiregistraturen mit historisch wertvollem Schriftgut sicherstellen. Im Ergebnis gelangten so ca. fünfzig Einzelablieferungen zur schriftlichen Überlieferung der Polizei in das Staatsarchiv. Nach jahrelanger Pause kam Mitte der 1990er Jahre die bislang letzte Ablieferung dieser Art , so dass die Sicherstellung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für abgeschlossen angesehen werden kann.
Die Zusammenführung sowie die nunmehr abgeschlossene archivarische Bearbeitung und Erschließung dieser letzteren Unterlagen haben zu dem hier nun vorliegenden Ergebnis

einer Rekonstruktion der polizeilichen Aufgabengebiete in aktenmäßiger
Überlieferung geführt. Das daraus hervorgegangene Bestandsverzeichnis weist verständlicherweise einerseits erhebliche Lücken auf, weil Vernichtetes nicht wieder beschaffbar ist, bietet aber andererseits polizeiliches Wirken in vielfachen Aspekten dar und macht das erhaltene Schriftgut historisch auswertbar.

Wo hingegen - wie oben erläutert - aus umfassenden Organisationsbereichen der Polizei der infrage stehenden Zeitphase geschlossene Registraturen übernommen werden konnten, sind diese zu Sonderbeständen formiert worden und in der Beständestruktur des Staatsarchivs mit eigenen Bestandsverzeichnissen entsprechend auffindbar. Dies sind insbesondere:

- Bestand 331 - 2 Polizeibehörde - Kriminalwesen
- Bestand 331 - 3 Politische Polizei
- Bestand 331 - 5 Polizeibehörde - Unnatürliche Sterbefälle
- Bestand 332 - 8 Meldewesen
- Bestand 376 - 2 Gewerbepolizei

Von wiederholtem Interesse ist über die die Zeit hinweg immer wieder speziell die Frage nach dem Verbleib des Schriftgutes der Geheimen Staatspolizei ( Gestapo) während des Dritten Reiches in Hamburg gewesen.
Hierzu hatte die Polizei Hamburg, Kriminalabteilung E dem Staatsarchiv bereits am 10.12.1951 mitgeteilt:
"Die Akten der Staatspolizeileitstelle bzw. der Geheimen Staatspolizei wurden bereits im Stadthaus und in anderen Bürogebäuden durch Bombeneinwirkung zum Teil vernichtet. Das restliche Aktenmaterial wurde kurz vor dem Einmarsch der alliierten Truppen im Jahre 1945 von den Gestapoleuten verbrannt."

Diese Feststellung hat sich als zutreffend erwiesen. Soweit in dem vorliegenden Bestand - wenig und vereinzelt - Bezüge zur Gestapo erkennbar geworden sind, finden sich diese im Index ausgeworfen.

Bestandsbeschreibung: Nach 1814 wurde das reichlich zergliederte Polizeiwesen Hamburgs nach französischem Vorbild umgestaltet. Eingerichtet wurde eine allgemeine Polizeibehörde, in der alle innerstädtischen polizeilichen Kompetenzen zusammengefaßt wurden. Die Leitung erhielten zwei Ratsmitglieder, die Polizeiherren genannt wurden. Reorganisationen führten 1852 zur Vereinigung von Polizei und Nachtwache und 1860 zur Trennung von Polizei und Justiz. 1875 wurde die Kompetenz der Polizeibehörde auch auf die Vorstädte und Vororte ausgedehnt. Eine moderne Großstadtpolizei entstand durch die Polizeireform von 1892, die zur Bildung folgender Abteilungen führte: I. Allgemeine und Wohlfahrtspolizei, II. Politische Polizei, Kriminal- und Sittenpolizei, III. Gewerbe- und Verkehrspolizei, IV. Polizeiwachdienst, V. Hafen-, Alster- und Schiffahrtspolizei, VI. Einwohner-, Meldebüro, Fremden-, Paß- und Gesindepolizei, VII. Kassen- und Rechnungswesen. 1920 wurde die Ordnungspolizei, eine kasernierte Polizeitruppe, etabliert. Während der Jahre 1933-1945 wurde die Polizeiverwaltung mehrfach umgegliedert und als Teil der staatlichen Verwaltung vom Reich wahrgenommen. Der Leiter der Polizeibehörde erhielt die Amtsbezeichnung Polizeipräsident.

Der Best. setzt sich aus dem an das Staatsarchiv gelangte Schriftgut der Polizei aus der Zeit vor 1945 zusammen, soweit dieses nicht zu Polizei-Sonderbeständen formiert wurde. Er ist bisher nur provisorisch gegliedert und erschlossen. Inhaltliche Schwerpunkte bilden die Bereiche: Polizeiorganisation, Polizeirecht, Genehmigung, Schutz und Mitwirkung bei staatlichen und privaten Versammlungen, politische Überwachungen, Landverkehrsüberwachung, Sondermaßnahmen im Zusammenhang mit beiden Weltkriegen, Arbeits-und Gewerbeaufsicht, Wasserschutzpolizei. Dem Best. angeschlossen finden sich Disziplinaruntersuchungsakten der Polizeibehörde der Jahre 1869-1920.

Hinweis: 331-2; 331-3; 331-5; 331-6; 331-8
(Ga)

Bestandssignatur
Staatsarchiv Hamburg, 331-1 I
Umfang
Laufmeter: 42.3

Kontext
Staatsarchiv Hamburg (Archivtektonik) >> FACHVERWALTUNG >> POLIZEIWESEN >> ALLGEMEINE POLIZEIVERWALTUNG >> Polizeibehörde
Verwandte Bestände und Literatur
Verwandte Verzeichnungseinheiten: siehe auch: 331-2; 331-3; 331-5; 331-6; 331-8
Im Bestand der alten Senatsakten befinden sich auch die Akten des Senats über die Polizei bis 1928 : Bestand 111-1 Senat Cl. VII Lit. Lb No. 28a.

Literatur: 150 Jahre Hamburger Polizei 1814 - 1964. Festschrift aus Anlaß des Internationalen Jubiläumssportfestes der Polizei Hamburg 1964. Herausgeber: Sportvereinigung Polizei Hamburg von 1920 e. V. Hamburg 1964 ( Bibl.Sign. A 455/7 K2 ).

Verwandte Bestände / Verzeichnungseinheiten: 331-5 Polizeibehörde - Unnatürliche Sterbefälle, 1938-1959 (Bestand) [siehe auch]

Indexbegriff Sache
Polizeibehörde I

Bestandslaufzeit
1802-1990 (-1990)

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Rechteinformation beim Datenlieferanten zu klären.
Letzte Aktualisierung
13.03.2022, 12:48 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1802-1990 (-1990)

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