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Drohende Kreditklemme : sollten die Basel-II-Regeln überholt oder zeitweise ausgesetzt werden?

Im Gefolge der Finanzkrise werden Forderungen nach einer Reform oder sogar einer zeitlichen Aussetzung von Basel II laut. Kritisiert wird vor allem die systemimmanente Prozyklizität. Ist dieser Mechanismus mitverantwortlich für die bestehende oder vermeintliche Kreditklemme? Martin Hellwig vermisst bei dem derzeit praktizierten System der Eigenkapitalregulierung von Banken die konzeptionelle Grundlage. Die intendierte Wirkungsweise sei nie dargelegt worden. Tatsächlich habe die Eigenkapitalregulierung in der Krise als »Brandbeschleuniger und nicht als Feuerlöscher« gewirkt und sollte »grundlegend umgebaut oder abmontiert« werden. Für Martin Faust sind Basel I und Basel II nicht die alleinige Ursache für eine Kreditklemme, sie haben jedoch die Entwicklung, die dazu geführt hat, begünstigt. Die Antwort auf die aktuelle Krise solle daher nicht die Aufweichung der Basel-II-Regeln, z.B. bei der Akzeptanz von Eigenkapitalbestandteilen, sein, sondern eine grundlegende Reform. Auch Hans-Peter Burghof sieht viele Gründe, die Baseler Regeln zu überarbeiten. Denn diese Regeln seien »ein höchst unvollkommener Kompromiss zwischen dem aus Sicht der Theorie Erstrebenswerten und dem in der Praxis Machbaren«. Aussetzen solle man die Baseler Normen aber nicht, da eine unzureichende Eigenkapitalregulierung gefährlich sei und Banken ohne ausreichende Eigenkapitalausstattung ein Systemrisiko darstellen. Mario Ohoven führt die Kreditklemme auf ein Regulierungsversagen zurück. Basel II verzerre die Kreditmärkte, weil es Kredite und Verbriefungen ungleich behandle. Das Regelwerk müsse durch Basel III ersetzt werden, damit sich die Kreditversorgung des Mittelstands nicht weiter verschlechtere. Christoph Schalast findet derzeit kaum überzeugende Argumente für ein Aussetzen von Basel II. Vielmehr könnte eine solche Maßnahme das gerade wieder entstehende Vertrauen in die und in der Finanzindustrie erschüttern.

Language
Deutsch

Bibliographic citation
Journal: ifo Schnelldienst ; ISSN: 0018-974X ; Volume: 62 ; Year: 2009 ; Issue: 15 ; Pages: 3-18 ; München: ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München

Classification
Wirtschaft

Event
Geistige Schöpfung
(who)
Hellwig, Martin
Faust, Martin
Burghof, Hans-Peter
Ohoven, Mario
Schalast, Christoph
Event
Veröffentlichung
(who)
ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München
(where)
München
(when)
2009

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Last update
10.03.2025, 11:42 AM CET

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  • ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München

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  • 2009

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