Bestand
Erwin Sylvanus (Bestand)
Bestandsbeschreibung: Werkmanuskripte (v.
a. Theaterstücke, Rundfunkskripte, Filmdrehbücher), Korrespondenzen,
Lebensdokumente, Sammlungen (Theaterprogramme, Presseausschnitte, eigene
Veröffentlichungen und anderer Autoren). Teilnachlass, ergänzend zum sehr
umfangreichen Nachlass Erwin Sylvanus in der Stadt- und Landesbibliothek
Dortmund.
Form und Inhalt: Der Teilbestand Erwin
Sylvanus - ergänzend zu seinem 1987 von der Stadt- und Landesbibliothek
Dortmund aus den Dichterhäusern in Völlinghausen/Möhnesee und auf der Insel
Aegina/Griechenland übernommenen sehr umfangreichen echten Nachlass (vgl.
dazu den Arbeitsbericht von Hans-Christian Müller, in: Literatur in
Westfalen 1, 1992, S. 245-251) - war im Besitz von Jürgen P. Wallmann
(1939-2010), der seit 1973 als freiberuflicher Publizist und Kritiker in
Münster lebte und viele zeitgenössische Autoren kannte und sie
freundschaftlich begleitete. Zusammen mit dem Nachlass J. P. Wallmanns wurde
auch der Bestand Erwin Sylvanus im Juli 2010 dem Westfälischen
Literaturarchiv übergeben. Der Teilnachlass umfasst 46
Verzeichnungseinheiten mit Unterlagen von 1925 bis 1986. Er ist benutzbar im
Lesesaal des LWL-Archivamtes und zu bestellen bzw. zu zitieren als:
Westfälisches Literaturarchiv im LWL-Archivamt für Westfalen (WLA), Bestand
1035/Nr. [...]. Ein Online-Findbuch kann auf der Website des LWL-Archivamtes
bzw. über das Internetportal NRW-Archive abgerufen werden.
1.
Anmerkungen zu Biographie und Werk
Erwin Sylvanus wurde 1917 in
Soest geboren und wuchs dort und später in Dortmund-Hombruch auf. Am Soester
Archigymnasium legte er 1937 sein Abitur ab (eine Festschrift zum Abitur
enthält Gedichte von Sylvanus, 1035/Nr. 34). Danach meldete er sich
freiwillig zum Reichsarbeitsdienst und zur Wehrmacht. Bereits als Schüler
war er als Pressestellenleiter für die in Soest organisierte Hitlerjugend
tätig gewesen (vgl. ein von ihm verfasstes Tagebuch einer Ostpreußenfahrt,
1035/Nr. 35); für die Soester Lokalpresse schrieb er seit Mitte der 30er
Jahre journalistische und essayistische Arbeiten. Während des Krieges
veröffentlichte Sylvanus zwei Erzählungen, die in Westfalen spielen ("Der
ewige Krieg", 1942; "Der Dichterkreis", 1943). Sowohl seine literarischen
als auch seine publizistischen Beiträge belegen seine damalige Nähe zur
nationalsozialistischen Ideologie. Schwer verwundet kehrte Sylvanus aus dem
Krieg zurück und verbrachte mehrere Jahre in Krankenhäusern und Sanatorien.
Seit 1953 lebte er als freier Schriftsteller in Soest und Völlinghausen am
Möhnesee, hatte zeitweise Wohnsitze in der Schweiz und in England und besaß
seit den 70er Jahren auch ein Haus auf der griechischen Insel Aegina. In
seiner Geburtsstadt Soest ist Erwin Sylvanus 1985 gestorben.
In
den 1950er Jahren distanzierte sich Sylvanus von seiner Haltung in der
NS-Zeit und vertrat einen engagierten Humanismus. Der Journalismus half ihm,
sich als freier Autor zu etablieren. In der Anfangszeit des
"Westfalenspiegels" (1951ff.) unterstützte er die Redaktion unter Clemens
Herbermann und verantwortete u. a. eine ständige Rubrik zu
Kunstausstellungen in Westfalen-Lippe. Parallel arbeitete er an einer
eigenen literarischen Karriere. Ein erster internationaler Erfolg war sein
1957 uraufgeführtes Theaterstück "Korczak und die Kinder", das den
polnischen Arzt, Dichter und Pädagogen Janusz Korczak, der 1942 mit den
jüdischen Kindern seines Warschauer Waisenhauses in den Tod ging, einer
breiteren Öffentlichkeit bekannt machte. Das Stück wurde zu einem der
meistgespielten deutschen Nachkriegsdramen mit über 120 Inszenierungen und
Übersetzungen in 15 Sprachen. Nachfolgend avancierte Sylvanus zu einem
vielbeschäftigten Bühnen-, Rundfunk- und Fernsehautor. Er war Mitglied des
P.E.N. und der Dortmunder "Gruppe 61", hatte sich zuvor bei westfälischen
Dichtertreffen - vor allem 1956 in Schmallenberg - sehr für einen Anschluss
der regionalen Literatur an die literarische Moderne eingesetzt und 1957 die
Vergabe des Droste-Preises an Ernst Meister mitbewirkt. Für seine
literarische Auseinandersetzung mit Themen wie Hass, Gewalt,
Willkürherrschaft und Unmenschlichkeit wurde er 1959 mit dem Leo-Baeck-Preis
ausgezeichnet - dem bis 1943 in Berlin wirkenden Rabbiner hatte Sylvanus ein
Theaterstück und eine Hörfolge gewidmet - und erhielt 1960 die
Jochen-Klepper-Medaille in Erinnerung an den 1942 mit seiner jüdischen
Familie in den Freitod gegangenen Dichter.
2. Bestandsstruktur
und Bearbeitung
Als Materialgruppen lagen bereits getrennt vor:
Werkmanuskripte, Korrespondenzen, persönliche Dokumente sowie Sammlungen
(Theaterprogramme, Presseausschnitte, Veröffentlichungen Erwin Sylvanus'
sowie fremder Autoren). Auf die Ordnung des Bestandsbildners zurück ging
wohl lediglich ein Holzkasten mit Privatkorrespondenz aus der Zeit 1938 bis
1945, darunter viele Feldpostbriefe, u. a. des mit Sylvanus befreundeten
Walter Grasemann, dem auch einige der Dramenmanuskripte gewidmet sind.
Die Bestandsklassifikation entspricht dieser Überlieferung:
Vorangestellt sind die Werkmanuskripte (23 Verzeichnungseinheiten), in der
Mehrzahl Reinschriften von Theaterstücken, von Rundfunksendungen und
Filmdrehbüchern. Die Korrespondenzen (12 VE) wurden in der vorgefundenen
Ordnung belassen; lediglich die separat im Holzkasten aufbewahrte
Privatkorrespondenz ist in zwei Bänden neu formiert (1035/Nr. 23 und Nr.
33). Hervorzuheben ist ein Briefwechsel mit Siegfried Unseld resp. dem
Suhrkamp-Verlag v. a. zu dem 1973 bei Suhrkamp erschienenen Band mit drei
Theaterstücken (1035/Nr. 22). Wichtige Einzelkorrespondenzen, etwa zu seinem
Engagement für die "Gruppe 61", sind durch Sachbetreffe ausgewiesen. Als
Lebensdokumente (2 VE) enthalten sind Porträtfotos, eine "Soester Chronik"
(1944), die Abitur-Festschrift (1937), das von Sylvanus geschriebene
Tagebuch einer Ostpreußenfahrt (1936). Die Sammlungen (9 VE) enthalten
Theaterprogramme, darunter 21 Programmhefte zu "Korczak"; Presseausschnitte
zu Aufführungen von Stücken, zu Fernseh- und Hörspielproduktionen;
Veröffentlichungen Erwin Sylvanus' 1936 bis 1981 (enthalten auch die erste
selbständige Publikation: Jahresring. Erlebnisreihe der Jungen des Bannes
132 der Hitler-Jugend im Jahre 1936. Soest 1936); Veröffentlichungen anderer
Autoren 1938 bis 1982.
Im Rahmen eines freiwilligen Praktikums im
LWL-Archivamt für Westfalen wurde der Bestand von Tobias Hachmann im Oktober
2011 erstverzeichnet; die Redaktion seiner Verzeichnung sowie das Vorwort
zum Findbuch wurden im Januar 2012 von der Facharchivarin besorgt.
3. Literaturhinweise
Die wichtigsten bio-bibliographischen
Angaben zu Erwin Sylvanus enthält der Eintrag in der Datenbank "Lexikon
Westfälischer Autorinnen und Autoren"
(www.lwl.org/literaturkommission/alex/index.php), auf der Grundlage und in
Fortführung des vierbändigen "Westfälischen Autorenlexikons 1750-1950" im
Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe hrsg. und bearb. von Walter
Gödden und Iris Nölle-Hornkamp, Paderborn: Schöningh Verlag, 1993-2002. Das
Wirken Erwin Sylvanus' für die "Gruppe 61" ist dokumentiert in:
Schreibwelten - erschriebene Welten. Zum 50. Geburtstag der Dortmunder
Gruppe 61. Hrsg. v. Gertrude Cepl-Kaufmann und Jasmin Grande. Essen 2011
(Schriften des Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der
Arbeitswelt 22).
Zitierweise: Westfälisches Literaturarchiv,
Best. 1035/lfd. Nr.
- Bestandssignatur
-
1035
- Kontext
-
Westfälisches Literaturarchiv (Archivtektonik) >> Schriftsteller
- Bestandslaufzeit
-
1925-1986
- Weitere Objektseiten
- Geliefert über
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
23.06.2025, 08:11 MESZ
Datenpartner
LWL - Archivamt für Westfalen. Westfälisches Literaturarchiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1925-1986