Bild
Franz Liszt am Flügel phantasierend
Gleichzeitig mit seinem Porträt in ganzer Figur (aber in bescheidenem Format, heute Österreichische Galerie Belvedere, Wien) bestellte der Wiener Hofklavierfabrikant Konrad Graf bei Josef Danhauser ein Gemälde, das auf einem selbstgelieferten Brett von bestem Instrumentenholz die Ausstrahlungskraft seiner Produktion vor Augen führte: Er erhielt ein einzigartiges Gemeinschaftsbild der romantischen Elite Europas. An einem Flügel, der die Marke Grafs deutlich erkennen läßt – ein Exemplar ist im Berliner Musikinstrumentenmuseum ausgestellt –, sitzt Franz Liszt, damals erst 29 Jahre alt, aber als virtuoser Pianist europaweit berühmt. Die Statuette der Jeanne d’Arc auf dem Kaminsims zeigt an, daß der Schauplatz die Pariser Wohnung des Künstlers ist. Zu seinen Füßen hat sich Gräfin Marie d’Agoult, Mutter seiner drei Kinder, niedergelassen. Hinter ihm drei französische Schriftsteller: sitzend Alexandre Dumas der Ältere und, in ihrer berühmten Männertracht, den Klängen hingegeben, George Sand. Hinter ihnen der noch bartlose Victor Hugo, dessen Porträt mehrfach für das des Komponisten Hector Berlioz gehalten worden ist. Im Hintergrund stehen unter dem Bildnis des Engländers Lord Byron in enger Umarmung der Geigenvirtuose Niccolò Paganini und der Komponist Gioacchino Rossini. Alle diese Porträts, die Hauptfigur ausgenommen, mußten wohl nach graphischen Dokumenten ausgeführt werden (vgl. A. Roessler, Josef Danhauser, Wien, 1911, S. 38). Mit gutem Grund aber war das Bild 1841 im Wiener Kunstsalon unter dem Titel »Ein Weihemoment Liszt’s« ausgestellt (vgl. ebd., S. 34). Der Virtuose benötigt keinen besonderen Schemel und spielt von der Chaiselongue aus Beethovens »Marcia funebre sulla morte d’un Eroe«. Ohne das Notenheft zu öffnen, richtet er den Blick auf die überlebensgroße Büste des Komponisten, eine Arbeit von Anton Dietrich (vgl. Josef Danhauser, Ausst.-Kat., Wien 1983, S. 78), die vor einem dramatischen Himmel wie eine übernatürliche Erscheinung auftaucht. Dieses Inspirationsmotiv hebt die Komposition aus der Gattung des Gruppenporträts. Hier wächst der Biedermeiermaler über sich hinaus und prägt unmittelbar Zeitgenössischem den Stempel des Historischen auf. Seine ›allégorie réelle‹ wird erst fünfzehn Jahre später wieder aufgegriffen – in der Substanz allerdings auch gesteigert – durch Courbets »Das Atelier des Künstlers« (1855, Musée du Louvre, Paris). | Claude Keisch
- Standort
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Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
- Inventarnummer
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F.V. 42
- Maße
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Höhe x Breite: 119 x 167 cm
Rahmenmaß: 153 x 196 x 10 cm
- Material/Technik
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Öl auf Holz
- Ereignis
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Erwerb
- (Beschreibung)
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Seit 1967 Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland
- Ereignis
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Herstellung
- (wann)
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1840
- Letzte Aktualisierung
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08.08.2023, 11:02 MESZ
Datenpartner
Alte Nationalgalerie. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bild
Beteiligte
Entstanden
- 1840