Brief | Korrespondenz

Brief von Nel van der Le[c]k an Til Brugman und Hannah Höch. Den Haag

Motiv Inhalt: Übersetzung aus dem Holländischen: "Sonntagabend 15/12 '35 Liebe Til und Hannah. Schon wieder 3 Wochen her, daß ich Euren Brief erhielt, und ich wollte eigentlich direkt zurückschreiben. Vielleicht ist schon eine Kritik aus der N.R.C. [Nieuwe Rotterdamsche Courant] in Eurem Besitz, aber ich lege diese noch mal dazu; fand's besser, es auszuschneiden. Glücklicherweise konnten wir so gute Nachrichten von Euch erhalten, auch was Hannahs Gesundheit betrifft. Jedoch muß [es] uns eine ernsthafte Warnung sein. Ich lese in H.s Brief: [«]Mir geht es so gut und ich arbeite ziemlich viel (was bei ihr bedeutet: sehr viel, weil sie so eine aktive Natur ist) nach dem Essen ruhe ich mich etwas aus und treffe weiter keine Vorsichtsmaßnahmen». «Und das, wenn ich bedenke, daß ich voriges Jahr um diese Zeit keine Kraft für irgendetwas hatte[»]. Schau mal, Hannah, so schwer es auch für Deinen arbeitsamen Geist sein mag, so mußt Du Dich doch kräftig in acht nehmen, denn wenn Du Dich müde fühlen wirst oder andere Beschwerden hinzukommen, ist es wahrscheinlich schon zu spät. Bedenke, mit wieviel Mühe, Kosten, Sorgen und Ängsten, vor allem auch für Til, Du wieder so nach oben gekrabbelt bist, niemand außer Dir selbst weiß besser, was es bedeutet, im Sinne des Wortes «wieder dem Leben zurückgegeben zu sein[»], Du fühltest es am [---], da dann nun so achtlos mit umzuspringen. Du mußt Dich absolut mehr in acht nehmen [Seitenvermerk am Rande: Du darfst vor allen Dingen nicht abnehmen. Dein Minimalgewicht muß 115 Pfund sein und keine Unze weniger. Denke daran, Reserven zu behalten, vor allem im Winter so nötig.] als Du es zu tun scheinst, nimm Dir diesen ernsten, gut gemeinten Rat von ein paar Freunden, die es besser wissen können, zu Herzen, und damit basta! Das, was Du über den Kanarienvogel schreibst, ist unglaublich, aber laß das Tier nicht nach diesem Winter fliegen, dann stirbt er sicher. Das Tier ist natürlich irgendwo entflogen, sie können nicht selbst ihr Futter suchen, weil sie meist immer in Gefangenschaft geboren sind. - Ich kann mir vorstellen, wie Du auf Deiner Reise all das Schöne in der Natur genossen hast. Ich befürchte jedoch, daß es Dir nicht gelingen wird, die Knospen herauszukriegen, weil sie [hier nur] künstliche Wärme und keine Sonnenwärme kriegen. Ich hatte aus einer Züchterei in Locarno 4 Stücken von einem Kaktus mitgenommen, wovon nur noch ein [Ableger] am Leben ist, aber so ein gemeines Zeug, wenn du mit der Hand daran kommst, ist sie gleich voller nadelfeiner Stacheln, die mächtig pieken, die man aber fast nicht herausziehen kann. Wir genossen dort vor allem das göttliche Klima, haben eine Tour gemacht, bei der wir beinahe ein Unglück erlebt hätten. Ich habe immer noch Narben von den Brombeerzweigen, in denen wir bis zum Bauchnabel an einer steilen Böschung landeten und weder vor noch zurück konnten, ohne in Lebensgefahr zu geraten. Hat sich Tils Bronchitis wieder gebessert, sei mal vorsichtig, wenn Du in die Kälte gehst, ich habe auch etwas von einer Erkältung zurückbehalten und habe manchmal einen schlimmen Hustenanfall [wörtl.: und huste mir manchmal einen Schlaganfall], dann hilft mir nur Siruphonig, so etwas dauert manchmal so lange. Sagt, wißt Ihr, wie man so eine lästige Erkältung los wird? Warm duschen, dann den Gashahn abdrehen und eiskalt hinterher. Bert hat es bei einer ekeligen und gemeinen Nies- und Schnupferkältung auf meinen Rat hin getan, 14 Tage später ich selbst, und man ist es auf einen Schlag los, probiert's mal aus. Was für einen [vermutl.: Ärger] Du mit Deiner Arbeit hast, Til, können wir hier, als Deine «Sachverwalter» hier in den Niederlanden, etwas für Dich tun, dem Hds. bl. [vermutl.: Handelsblatt] schreiben oder dem Herausgeber die Leviten lesen. So etwas muß schon deprimierend sein, ich könnte das nicht ertragen. Das oder die Bücher noch nicht bekommen, das passiert aber noch. Wir haben seit dem 26. August wieder einen 22jährigen jungen Mann im Haus, längst nicht so schlimm wie Wim, wohl aber andere Schwierigkeiten. Wir müssen ihn eine Ausbildung machen lassen und selbständig machen. Haben in diesen 4 Mon. schon sehr viel erreicht. Ist mehr [---] geworden. Ich habe seit 14 Tagen eine Bedienstete, geschiedene Frau, 36 Jahre, echt treuherzige [---], hoffe es hiermit mal getroffen zu haben. Wirklich, Til, man könnte Grotesken darüber schreiben, was ich mit dem Mädchen mitgemacht habe, die tollsten Episoden - Unser kleiner halbgelähmter Kater, weißt Du noch, ist ein Prachtkerl geworden und so lieb.// So, Kinder, Schluß für heute, von Bert und mir recht herzliche Grüße und Wünsche für '36// Gute Gesundheit!! - Nel" // [1] s. auch BG-HHE II 34.31.
Anzahl Teile/Umfang: 1 Blatt

Brief von Nel van der Le[c]k an Til Brugman und Hannah Höch. Den Haag | Fotograf*in: Anja Elisabeth Witte

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Location
Berlinische Galerie
Inventory number
BG-HHC K 133/79
Other number(s)
BG-HHE II 35.12
Material/Technique
Papier, handgeschrieben
Acknowledgment
Erworben aus Mitteln des Senators für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin

Subject (what)
Brief
Korrespondenz
2.1.1 an den Nachlasser (pK)
Nachlass-Hannah-Höch

Event
Herstellung
(when)
15.12.1935

Last update
26.09.2024, 12:30 PM CEST

Data provider

This object is provided by:
Berlinische Galerie - Museum für Moderne Kunst. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Korrespondenz; Brief

Time of origin

  • 15.12.1935

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