Fotografie
Fotografie von Marie Nekrasow
Schwarz-Weiß-Fotografie, auf der Marie Nekrasow abgebildet ist. Sie ist vom Kopf bis zu den Füßen zu sehen und wurde frontal fotografiert. Außer dunklen Halbstiefeln und hellen Kniestrümpfen ist sie unbekleidet. Vermutlich wurde sie in einem Raum fotografiert, ihr Blick geht direkt in die Kamera. Der Hintergrund ist neutral. Weil heute nicht mehr nachvollzogen werden kann, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen diese Fotografie einer unbekleideten Person entstanden ist, wird die Abbildung hier nur zum Teil in Klarform gezeigt. Kontext: Fotografien wie diese von Marie Nekrasow wurden in der zeitgenössischen Literatur der frühen Sexualwissenschaft zumeist im Kontext sog. „Bartfrauen“ bzw. „Bartdamen“ abgebildet. Auch Magnus Hirschfeld, Sexualwissenschaftler und Sexualreformer, nutzte Abbildungen von „bärtigen Frauen“ u. a. in seiner Publikation „Geschlechtsübergänge“ im Kapitel „Androtrichie. Feminae barbatae“. Dort schreibt er: „Zu den häufigsten und augenfälligsten Geschlechtsübergängen gehören die der Behaarung, einem […] besonders wichtigen sekundären Geschlechtscharakter. Um sich von der Häufigkeit des ‚Frauenbartes‘ eine Vorstellung zu machen, ist es nur nötig, die Annoncenteile der Zeitungen zu durchsehen. Ich sammelte einige Wochen die Inserate, in denen die Entfernung weiblicher Barte mittelst Elektrolyse, Enthaarungswassern, Depilatorien und anderen Methoden angepriesen wird und fand, daß sich in Berlin Dutzende von Personen diesem anscheinend recht einträglichen Erwerbszweig widmen.“ (Vgl. Hirschfeld, Magnus (1913): Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Max Spohr, Text vor Tafel XIV) Bilder von „Frauen mit Bärten“ waren auch Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“, die für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern. Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften. Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten. Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
- Location
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Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Berlin
- Collection
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Fotografische Sammlung des ehemaligen Instituts für Sexualwissenschaft
- Inventory number
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FSIFS-356_a
- Inscription/Labeling
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Bildunterschrift in Polzer: Sexuellperverse: Marie Nekrasow, russische Artilleristenfrau (Diese Nacktaufnahme zeigt die bei Frauen mit Vollbärten meist stark entwickelten Brüste) Bildunterschrift in Neugebauer: Hermaphroditismus beim Menschen: Abb. 305. 38jähr. Artilleristenfrau Marie Nekrasow, welche sich als bärtiges Weib in Rußland für Geld öffentlich sehen ließ und von Zarubin, Brandt und anderen beschrieben wurde.
- Subject (what)
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Sexualdimorphismus
Weiblicher Körper
Medikalisierung
Hirsutismus
- Event
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Gebrauch
- (who)
- (where)
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Berlin-Tiergarten
- (when)
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1919-1933
- (description)
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Besessen
- Event
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Veröffentlichung
- (who)
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Wilhelm Polzer
- (where)
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Leipzig
- (when)
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1930
- (description)
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Veröffentlicht
- Event
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Verlust
- (where)
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Berlin
- (when)
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1933
- (description)
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Verschollen
- Event
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Veröffentlichung
- (who)
- (where)
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Leipzig
- (when)
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1908
- (description)
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Veröffentlicht
- Other object pages
- Sponsorship
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Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin
- Rights
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Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft
- Last update
-
22.05.2025, 3:30 PM CEST
Data provider
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Object type
- Fotografie
Associated
Time of origin
- 1919-1933
- 1930
- 1933
- 1908