Archivale
Gesuch an Bürgermeister und Rat, betr. Beleidigungssache wegen Börtlinhandels
Regest: In neulicher Zeit hat die Kramerzunft allerhand Klagen gegen den Börtlinkauf +) vorgebracht und der Rat einen Spruch gefällt. Da ist die unterzeichnete Catrina Schaup in der Abstandsstube ++) von etlichen Kramern, insonderheit aber Hans Jacob Kurz, dem Tochtermann des Magister Banthlin, Diaconus superior, mit allerhand stumpfierischen (= beschimpfenden) Reden angegriffen worden: dass sie neben ihrem Börtlinskram auch andere Waren zu nicht geringem Nachteil der Kramerzunft, da ihr Mann doch nur ein Weingärtner sei, vertreibe. Darauf ist sie, Catrina Schaup, in schmerzlicher Beherzigung dessen und übereiltem Zorn in diese Reden ausgebrochen, seine Frau Schwieger habe gleich ihr einen Börtlinskauf angefangen und er hätte derselben ihn ebenso verbieten lassen können. Darauf meinte er sich zu verantworten, es sei ein Weiberhandel; der Mann der Schaup aber, welcher mit den Börtlin hin und wieder in die Messen zöge, unterfange sich des Handels neben ihr, seiner Frau. Sie entgegnete ihm, dass sie denselben, ihren Mann, der Schreibens und Lesens unberichtet (= unkundig) sei, in diesem Stück informieren tue und dass sie, ehe sie den Börtlinskauf meide, mit ihm wie eine Kesslerin (= Landfahrerin) auf alle Jahrmärkte ziehen wolle. Der Kurz meinte, mit dem Wort Kesslerin sei seine Frau Schwieger gemeint gewesen, ist auf sie zugefahren und hat Injurien (= Beleidigungen) auch auf der Gasse bis in ihr Haus getrieben. Der erwähnte Kurz, seine Hausfrau und Frau Schwieger haben am nächsten Tage alle erdenklichen Schmähworte auf sie geworfen. Die Frau des Kurz hat auch etliche Male mit Fäusten gezuckt, um nach ihr, die doch schwangeren Leibes gewesen, zu schlagen, was eine nicht geringe Ursach der kurz darauf gehabten unglücklichen Geburt sein kann. Sie, die Schaup, will mit Gott bezeugen, dass sich damals die Geburt im Leib bewegt und gleichsam umgekehrt hat. Der Herr Banthlin hat diesen Handel nicht ungeahndet gelassen, indem er, als man an dem genannten Tage aus der Kirche gegangen, sie schmählich anredete, sie sei eine rechte Vettel und loses Frauenbild, sie sei weder Gott noch der Welt nütz und müsse seiner Frau einen Widerruf tun. Das ist für sie hochverkleinerlich und sie wird noch dieses Tags von dem Kurz und den Seinigen nicht in Frieden gelassen. Sie hätte sich gern mit ihnen christlich versöhnt, aber sie wollen davon nichts wissen.
Die Schaup bittet den Rat, ihr zu helfen, dass sie künftig von dergleichen Leuten unperturbiert (= unbelästigt) bleibt, und weil es auch in kaiserlichen Rechten hoch verpönt ist, jemand an seinen Ehren und Leinmueth (= Leumund) abzugreifen, ihnen zugleich aufzuerlegen, dass sie neben exemplarischer Bestrafung ihr einen öffentlichen Widerruf tun.
Catrina, Hausfrau des Michel Schaup.
- Reference number
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A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 3861
- Formal description
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Beschreibstoff: Pap.
- Further information
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Bemerkungen: +) = Börtleinhandel. Vgl. Gayler: Denkwürdigkeiten I S. 601 ff.
++) Fischer: Schw. WB: wohl = Parteienzimmer, Wartezimmer auf dem Rathaus
Genetisches Stadium: Or.
- Context
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 10 Zünfte Posamentierer
- Holding
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A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)
- Date of creation
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1650 Dezember 13
- Other object pages
- Last update
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20.03.2025, 11:14 AM CET
Data provider
Stadtarchiv Reutlingen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Archivale
Time of origin
- 1650 Dezember 13