Arbeitspapier | Working paper

Muss die Kriminalsoziologie (neuro-)biologisch identifizierte Einflussfaktoren in ihren Erklärungsmodellen berücksichtigen?

"Mit abweichendem oder kriminellem Verhalten beschäftigen sich verschiedene Disziplinen, vor allem Teilzweige der Rechtswissenschaft, Psychologie und Soziologie. Kriminologie kann als eine Art Synthese-Disziplin aufgefasst werden, die sich primär aus diesen drei Herkunftsdisziplinen heraus entwickelt hat. Es muss also nicht verwundern, dass die Kriminologen nun auch noch die Neurobiologie in ihre Disziplin irgendwie inkorporieren wollen. Man tut der Kriminologie wohl kein Unrecht, wenn man vermutet, dass sie im Laufe ihrer Gründungsgeschichte in Richtung eines "additiven" Kausalitätskonzepts programmiert worden ist. Alle neu ins Auge gefassten Faktoren, von denen man – aus welchen Gründen auch immer – annehmen kann, dass sie (vielleicht) die Wahrscheinlichkeit abweichenden Verhaltens mit beeinflussen könnten, werden den bisher schon bekannten Einflussfaktoren schlicht hinzugefügt. Was dabei häufig unterbelichtet bleibt, ist der theorie-logische sowie der kausal-funktionale Zusammenhang innerhalb des Satzes der mutmaßlichen Einflussfaktoren. Ich will mich jetzt aber nicht mit grundsätzlichen Problemen interdisziplinären Forschens auseinandersetzen, sondern lediglich unter pragmatischen Gesichtspunkten kurz die Frage erörtern, ob neurowissenschaftliche oder andere biologische Erkenntnisse bei der Konstruktion (kriminal-)soziologischer Erklärungsmodelle für abweichendes, kriminelles Verhalten berücksichtigt werden müssen – um entweder Fehlschlüsse zu vermeiden oder die (soziologische) Erklärungsleistung gehaltvoller zu machen. Der Ausdruck "Erklärungsmodelle" bezieht sich auf verbundene hypothetische Aussagen (probabilistische Wenn-Dann-Verknüpfungen), die mathematisch-statistisch formalisiert und mit Hilfe geeigneter Daten empirisch überprüft werden können. Im einfachsten Falle wird dabei die beobachtbare Variation der Ausprägungen einer "abhängigen" (endogenen) Variable Y (die das Explanandum repräsentiert), zurückgeführt auf die Varianzen innerhalb einer größeren oder kleineren Zahl von bedingenden, "exogenen" Variablen X1, X2, ... Xn (die das Explanans repräsentieren), wobei eventuell bestehende Korrelationen zwischen den exogenen Variablen nicht kausal interpretiert werden. (Dies ist das Modell der additiven, multiplen Regressionsanalyse). Selbst wenn dieses Modell unvollständig spezifiziert ist, wenn also Variablen unberücksichtigt bleiben, die ebenfalls auf die abhängige Variable einwirken, kann das einfache Modell unter bestimmten Bedingungen eine korrekte Einschätzung des kausalen Gewichts der berücksichtigten Variablen ermöglichen." (Textauszug)

Muss die Kriminalsoziologie (neuro-)biologisch identifizierte Einflussfaktoren in ihren Erklärungsmodellen berücksichtigen?

Urheber*in: Thome, Helmut

Free access - no reuse

Extent
Seite(n): 6
Language
Deutsch
Notes
Status: Veröffentlichungsversion

Subject
Naturwissenschaften
Soziologie, Anthropologie
Naturwissenschaften, Technik(wissenschaften), angewandte Wissenschaften
Kriminalsoziologie, Rechtssoziologie, Kriminologie
Kriminalität
abweichendes Verhalten
Kriminalsoziologie
Kausalität
Kriminologie
Theoriebildung

Event
Geistige Schöpfung
(who)
Thome, Helmut
Event
Veröffentlichung
(where)
Deutschland
(when)
2008

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-121663
Rights
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Last update
21.06.2024, 4:27 PM CEST

Data provider

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Object type

  • Arbeitspapier

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  • Thome, Helmut

Time of origin

  • 2008

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