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Liebste, ich möchte mich von der Verameisung ...

Trankription: 24 Mai 15 Liebste, ich möchte mich von der Verameisung in die Vereinsamung retten - noch spiele ich mit dem Wort - bald auch mit dem Leben, denn ich werde sehr wahrscheinlich bald an der Front sein. Der Krieg muss mich so interes- sieren. Der Staat verfügt über raffinierte Mittel, Soldaten zu machen. Die wunderbar heissen Tage verhelfen mir zum Schweiss des Angesichts. Die Postkarte giebt Dir die Landschaft in der ich lebe Sie ist schön. Ich muss nur in der Kaserne schlafen u essen. Massenquartier. Schwarz- brot u die Pfeife Tabak- morgens um 5 der Trommel- wirbel. Dann: der Dienst! In der Stadt muss ich schlechte Bilder sehen, die mich zur Arbeit reizen - ich muß widerstehen; an mich halten. Wenn die schlechten Maler wenigstens kriegstäzglich wären. - - Doch will ich nicht verbittert werden. - Betreffs unserer ge- meinsamen Sorge: die Natur will uns beide also beim Wort nehmen. Nun, so sei, was ist. Dann sei aber keine Sorge, fürcht mehr, dann müssen wir ja sagen. Ja? Schreibe mir, wie Du lebst; ich kann fast keine Vorstellung machen über Deine Verfassung kommst Du zu Lilly, u in die Friedrichsruherstraße? Ich sitze in einem Konzertgarten u schreibe: Was ist das: ,,....Die Grenze dieser äusseren Welt so über- streitend, will ich keinen seichten Traum mehr träumen, noch im Rausch der Welt befangen sein..." (es war ein chinesisches Gedicht) ich denke es täglich . Herzlichst Dein Oskar 24 Mai 15

Collection
Archiv Oskar Schlemmer
Inventory number
AOS 2013/1,46
Material/Technique
Papier; Bleistift

Event
Herstellung
(who)
Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
Dora Yekimovsky (1890 - 1972)
Provenance
Abschrift vorhanden; Kasten 122 Mappe 10

Rights
Staatsgalerie Stuttgart
Last update
28.03.2025, 12:10 PM CET

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