Bestand

Nachlass Eberhard Gönner (1919-2012) (Bestand)

1. Zur Person Eberhard Gönners: Eberhard Gönner wurde am 10. Dezember 1919 in Neckarhausen bei Horb als Sohn des Forstmeisters Franz Gönner und seiner Frau Hedwig, geb. Probst geboren. In dem kleinen Geburtsort verbrachte er seine Kindheit, bis die Familie 1926 nach Hechingen umzog. Hier besuchte er 8 Jahre das Preußische Reform-Gymnasium und legte 1938 die Reifeprüfung ab. Gönners Wunsch, Archivar zu werden, war schon im Abiturzeugnis festgehalten. Als Grund für sein Berufsziel formulierte er später: "Es war bei mir die Freude an historischen Quellen, die Neugier zu erfahren, welchen historischen Werdegang unsere Umwelt, unsere Heimat, unser Land genommen hat, das Interesse an der historischen Individualität und die Freude an der Vielfalt und Buntheit des Lebens, wie sie uns in der Geschichte entgegen tritt." (Personalakte, Rede Gönners 1984). Der Krieg kam dazwischen, Gönner leistete fast 8 Jahre Militär- und Kriegsdienst. Sein Reichsarbeitsdienst in Leutkirch währte vom 5. April bis Ende Oktober 1938, sein Kriegsdienst in Wien, Polen, England und Russland vom 7.11.1938 bis 8.5.1945 und die amerikanische Kriegsgefangenschaft vom 8.5.-13.08.1945. Im Oktober 1945 nahm Gönner ein Studium der Fächer Geschichte, Deutsch und Französisch an der Universität Tübingen auf. Da die Berufsaussichten als Archivar damals relativ ungünstig waren, legte er sein Studium so an, dass es auch für das Lehramt qualifizierte. Als Schüler von Prof. Dr. Otto Herding wurde er mit einer Arbeit über "Die Revolution von 1848/49 in den hohenzollerischen Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen" 1950 zum Dr. phil. promoviert. Ein Jahr später legte er die Wissenschaftliche Prüfung und Herbst 1952 die Pädagogische Prüfung für das Lehramt an Höheren Schulen ab. Der Einstieg ins Berufsleben klappte problemlos. Am 15.12.1952 erhielt Gönner die neugeschaffene Stelle eines wissenschaftlichen Angestellten im Staatsarchiv Sigmaringen. Da er keine Fachausbildung an einer deutschen Archivschule (in Marburg oder München) besucht hatte, nahm er Dezember 1953 bis März 1954 an dem Stage technique des französischen Nationalarchivs in Paris teil. Er wurde dazu unter Weiterzahlung der Dienstbezüge beurlaubt. Zum 26. Februar 1954 erfolgte die Ernennung zum Staatsarchivassessor, also die Überführung ins Beamtenverhältnis. 1957 wurde er zum Archivrat unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ernannt. Gönner zeigte sich sehr flexibel und nutzte die Gelegenheit, auch andere Staatsarchive Baden-Württembergs persönlich kennen zu lernen. Er ließ sich 1954/55 für 7 Monate ins Generallandesarchiv Karlsruhe versetzen. 1955 arbeitete er im Juni im Staatsarchiv Ludwigsburg und daran anschließend im Juli im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Ab dem 1. August 1955 arbeitete er wieder im Staatsarchiv Sigmaringen, ließ sich bald aber vom 23.04.-19.05.1956 in das Hauptstaatsarchiv Stuttgart zur Einarbeitung in die Bestände des ehemaligen Heeresarchiv und in die kommunale Heraldik abordnen. November 1959 heiratete Gönner die Diplomvolkswirtin Eva Maria Breucha. Dieser Ehe entstammten zwei Kinder: die Tochter Andrea, geb. 1960 und der Sohn Jörg, geb. 1964. Zum 1. November 1956 wurde Gönner ins Hauptstaatsarchiv Stuttgart versetzt , wo er die Stelle und die Aufgaben von Hansmartin Decker-Hauff übernahm, der seine Professur in Tübingen antrat. Damit übernahm er auch dessen Referate Heraldik und Sphragistik, in die er sich zunehmend einarbeitete und die - neben der hohenzollerischen Landesgeschichte - seine wissenschaftlichen Interessenschwerpunkte bildeten. Stuttgart blieb dauerhaft (über 23 Jahre) sein Einsatzort, nur kurz September 1957 von einer Abordnung ins Staatsarchiv Sigmaringen unterbrochen, um es interimistisch zu leiten. Nachdem Gönner im Oktober 1961 zum Oberstaatsarchivrat, Dezember 1965 zum Staatsarchivdirektor und Februar 1972 zum Oberstaatsarchivdirektor befördert worden war, oblag ihm die Ausbildung für den Nachwuchs des höheren und gehobenen Archivdienstes und die Stellvertretung des Leiters des Hauptstaatsarchivs. Zum 1.1.1975 wurde ihm die Leitung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart übertragen. September 1979 erfolgte seine Beförderung zum Präsidenten der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg. Er war der zweite Präsident dieser 1975 eingerichteten Landesoberbehörde. Das höchste Amt in der staatlichen Archivverwaltung des Landes übte er 5 Jahre lang bis zum Erreichen der Altersgrenze mit Ablauf des Monats Dezember 1984 aus. Parallel zu diesen Berufserfolgen übernahm Gönner zunehmend Aufgaben in landesgeschichtlichen und historischen Vereinigungen, darunter auch in internationalen Gremien. Seit 1959 war er ordentliches Mitglied der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, 1969 wurde er deren Schriftführer und er war von 1979 bis 1985 Vorsitzender der einflussreichen Kommission. 1972 wurde Gönner zum Mitglied des Denkmalrats beim Regierungspräsidium Nordwürttemberg berufen, 1975 erfolgte seine Ernennung zum ordentlichen Mitglied der Académie internationale d'héraldique, deren assoziiertes Mitglied er schon seit 1970 war. Außerdem war er Mitglied des Siegelausschusses des Internationalen Archivrats im Auftrag der Archivreferentenkonferenz des Bundes und der Länder. Von 1969-1981 war er Vorsitzender des Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins sowie Vorsitzender des Verbandes der Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereine sowie eine Zeit lang auch Vorstandsmitglied im Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine. Ebenso war er zweiter Vorsitzender des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung und Beiratsmitglied im Verein für Familien- und Wappenkunde in Württemberg und Baden e.V. Auch nach Eintritt in den Ruhestand blieb Gönner aktiv. Noch lange arbeitete er am kommunalen Wappenbuch, bis Anfang der 90er Jahre widmete er sich dem Auf- und Ausbau des jüdischen Zentralarchivs in Heidelberg. Erst seinen 70. Geburtstag 1989 sah er als "Abschied vom Beruf" an (vgl. J 40/21 Bü 48). Die herausragenden Leistungen Gönners fanden in zahlreichen Ehrungen Anerkennung. Zu seinem 60. Geburtstag 1979 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. 1984 verlieh ihm Ministerpräsiden Späth den Professorentitel und Gönner erhielt im gleichen Jahr auch das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. 1985 verlieh ihm die Stadt Ellwangen (Jagst) die Jubiläumsmedaille in Anerkennung seiner Verdienste für die Erforschung der Geschichte der Stadt Ellwangen. Eberhard Gönner starb am 18. Mai 2012 im hohen Alter von 92 Jahren.

2. Zum Nachlass Gönner und seine Bearbeitung: Die vorliegenden Unterlagen übergab die Witwe Eberhard Gönners, Eva-Maria Gönner, im Mai 2014 und in kleineren Nachträgen März/April 2017 dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart zur Archivierung. Der Nachlass enthält persönliche Unterlagen, Korrespondenzen, Unterlagen aus dem beruflichen Werdegang, Veröffentlichungen und Reden Gönners und umfangreiche Materialsammlungen, vor allem zur Landesgeschichte Hohenzollerns und Württembergs sowie zur Siegelkunde und Heraldik, seinen hilfswissenschaftlichen Spezialgebieten. Zu den Nachlieferungen gehörten Unterlagen zur Familie Eberhard Gönners und zu seiner Familienforschung. Besonders umfangreich ist der Nachlass seines im Krieg gefallenen älteren Bruders Roland (1915-1942), der auch Unterlagen seines im Ersten Weltkrieg gefallenen Onkels mütterlicherseits Eberhard Probst enthielt. Roland Gönner wollte seinen Onkel biographisch würdigen, kam aber nicht mehr dazu und erlitt ein vergleichbares Schicksal. Die Unterlagen des älteren Bruders verwahrte Eberhard Gönner pietätvoll, hat sie aber nie geordnet. Die wenigen Unterlagen aus der Familie der Ehefrau Eberhard Gönners enthalten hauptsächlich Material von oder über den Bildhauer Karl Rieber (1888-1957). August I. Breucha, zuletzt Amtsgerichtsdirektor in Göppingen, war Kunstfreund und hat Rieber Aufträge, u.a. Kriegerdenkmale, vermittelt. Die eigenen Unterlagen hat Gönner relativ gut geordnet. Er legte Mappen zu den ihn interessierenden Themen an und sammelte in ihnen fortlaufend Material. Auf dem Umschlag ist in der Regel ein kurzer Betreff oder ein Stichwort angegeben, erst für die spätere Zeit ließen sich falsche (oft versehentliche) Einordnungen feststellen, die korrigiert wurden, oder lagen die Materialien noch nicht geordnet, sondern lose verwahrt vor. Gönner tendiert wie ein Dokumentar zu einer Sachordnung. Grundlage der Ordnung war das Sachthema und nicht die Art der Unterlagen (die für eine archivische Gliederung maßgeblicher ist). Beispielsweise zum Sachthema "Wappen" können sich Notizen Gönners, Exzerpte, Kopien aus der Literatur, Wappen betreffende Korrespondenz, Manuskripte und Drucke von Schriften oder Reden Gönners, Fotos von Wappen, wie auch Papers aus seinem Unterricht für Anwärter oder Referendare finden. Unterlagen über die Ausbildung der Anwärter und Referendare finden sich sonst im Nachlass nicht. Unterlagen aus seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins wie Ehrungen und Reden wurden von Gönner nach Bezugspersonen oder Themen zusammen mit anderen Materialien eingeordnet. Soweit möglich, wurde diese Ordnung korrigiert, wobei grundsätzlich die vorliegende Struktur erhalten blieb. Gönner war ein akribischer Sammler. Er hat zahlreiche Unterlagen vielfältigster Natur zusammengetragen und gesammelt: Literatur, meist in Gestalt von Kopien, ganz oder in Auszügen, eigene Exzerpte, Notizen, eigene Manuskripte oder Manuskriptteile, Zeitungsausschnitte, beginnend in den 30er Jahren, Prospekte, Literaturnachweise etc. Seine Unterlagen stellen eine fundierte Dokumentation zu hilfswissenschaftlichen und landesgeschichtlichen Themen dar. Hierin liegt der besondere Wert des Nachlasses Gönner. An Büchern und Sonderdrucken wurden nur solche in den Nachlass aufgenommen, die in besonderer Weise Bezug zu Gönner haben, also eigene Schriften und Schriften mit Widmung an Gönner. Alle anderen mit dem Nachlass übergebenen Titel wurden in die Dienstbibliothek eingeordnet. Kassiert wurden Briefumschläge, wenn sie keine besonderen Aufschriebe enthielten und Doppelstücke, etwa bei Drucken oder Durchschläge von Manuskripten. Einige besonders dicke Einheiten wurden in handlichere Einheiten aufgespalten. Ungeordnete Korrespondenz wurde in chronologische Serien nach Kalenderjahren eingeordnet , die auch für Gönner das maßgebliche Ordnungssystem seiner Korrespondenz waren. Die Korrespondenzserie kann außer Briefen auch andere Unterlagen enthalten wie (gedruckte) Einladungen, Zeitungsartikel, "Knötchen", Todesanzeigen (in späteren Jahren zunehmend) und auch Fotos. Oft finden sich Konzepte oder Durchschläge für Gönners ausgehende Briefe. Falsche chronologische Einordnungen wurden korrigiert. Gratulationen zum 60. Geburtstag und zur Übernahme des Präsidentenamtes 1979 finden sich an verschiedenen Stellen, je nach Bearbeitung im Nachlass oder in seiner Personalakte. V.a. für die Korrespondenz von wichtigen Fachkollegen und zu besonders intensiven Korrespondenzbeziehungen wurden Korrespondenzpartner-Serien angelegt, die Gönner teilweise schon selbst begründet hatte. Sachthematische Korrespondenz findet sich meistens in den "Sachakten". Gönner schrieb das Datum seiner Antwort auf den Briefumschlag, teilweise auch auf dem Brief selbst. Auf den Umschlägen finden sich auch Hinweise zur Person des Briefschreibers von Gönners Witwe. Sonderdrucke sind zu unterscheiden von Kopien von Literatur. Sie sind in der Regel gedruckt (Ausnahmen sind Kopien mit Widmung) und enthalten meist eine kleine Widmung oder einen Gruß des Verfassers. Kopien wurden dagegen von Gönner selbst zur eigenen Information angefertigt. Sonderdrucke geben die wissenschaftlichen Beziehungen des Nachlassers wider, die Kopien seine Interessen. Die Verzeichnung und Ordnung der Unterlagen erfolgte von Oktober 2016 bis April 2017 durch den Unterzeichneten. Der Bestand J 40/21 "Nachlass Eberhard Gönner (1919-2012)" hat eine Laufzeit von 1911-2012 mit einigen Vorakten und umfasst 740 Archiveinheiten in ca. 11 lfd. m. Stuttgart, im Mai 2017 Dr. Peter Schiffer

3. Nachtrag: Es fanden sich weitere Unterlagen von Eberhard Gönner, die in den Bestand eingearbeitet wurden. Sie waren erst 2013 nach dem Tod Gönners vom dienstlichen Schreibtisch abgeräumt worden. Mehrheitlich stammen sie aus der Zeit kurz vor und nach der Pensionierung und betreffen vor allem die Tätigkeiten im Württembergischen Geschichtsverein und im Verband der württembergischen Geschichts- und Altertumsvereine. Einige Vorakten reichen weit in die 40er Jahre zurück. Der Nachtrag umfasst die Bü 844-906. Er wurde von den Praktikanten Lea Beck und Tobias Bidlingmaier im März und Sophie Prasse und Manuel Mozer im September 2019 unter der Aufsicht des Unterzeichnenden geordnet und erschlossen. Die Bestandsgliederung musste für die Eingliederung des Nachtrages modifiziert werden. Der Bestand umfasst nach der Ergänzung 906 VE in ca. 17,25 lfd. m. Die Laufzeit hat sich nicht geändert. Stuttgart, im Oktober 2019 Dr. Peter Schiffer

4. Literatur: Personalakte StAL EL 17 I Zugang 1993/49, Bü 22 J 191 Mappe mit Zeitungsausschnitten zu Eberhard Gönner Robert Kretzschmar: Eberhard Gönner +. Geb. 10.12.1919 Neckarhausen, gest. 18.5.2012 Stuttgart, in: Der Archivar 65 (2012), S. 456-458 Robert Kretzschmar: Eberhard Gönner (1919-2012). Ein Nachruf, in: ZWLG 72 (2013), S. 509-514

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 40/21
Umfang
906 VE (17,25 lfd. m)

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Sammlungen >> Sammlungen zur Landesgeschichte und Landeskunde >> Wissenschaftliche Nachlässe von Archivaren und Historikern (20. Jh.)

Indexbegriff Person

Bestandslaufzeit
(Vorakten) 1911-2012

Weitere Objektseiten
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Landesarchiv Baden-Württemberg. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • (Vorakten) 1911-2012

Ähnliche Objekte (12)