Arbeitspapier | Working paper

Verringerte Handlungsspielräume für humanitären Schutz

Der Krieg in Syrien fordert weiterhin Todesopfer und erzeugt Zwangsmigration. Über sechs Millionen Menschen leben als Binnenvertriebene im eigenen Land, während über fünf Millionen ins Ausland geflohen sind - die meisten nach Jordanien, in den Libanon und die Türkei. Ähnlich wie sich in verschiedenen Weltregionen der Handlungsspielraum für zivilgesellschaftliches Handeln verringert, verschlechterte sich in den wichtigsten Aufnahmeländern des Nahen Ostens in den letzten Jahren der humanitäre Schutz für Geflüchtete deutlich. Jordanien, der Libanon und die Türkei nahmen seit Beginn des Syrienkrieges Millionen syrische Geflüchtete auf. In der Hoffnung, dass der Aufstand in Syrien ebenso kurzlebig sein würde wie seine Vorläufer in Tunesien und Ägypten, betrieben alle drei Länder in der ersten Phase des Syrienkonfliktes eine Politik der offenen Tür. Alle drei Staaten führten ein Regelwerk für den vorübergehenden Schutz ein. Damit wird syrischen Geflüchteten einerseits schnell und relativ unbürokratisch Zuflucht gewährt, ihnen aber andererseits der besondere Schutz versagt, der mit einem offiziellen Flüchtlingsstatus verbunden ist. Alle drei Staaten mussten das erschreckende Desinteresse der internationalen Gemeinschaft an der Syrienkrise erleben, welches sich vor allem in der gravierenden Unterfinanzierung von Hilfsmaßnahmen für die Region manifestiert. Seit einiger Zeit haben alle drei Staaten ihre anfängliche Politik fast vollständig revidiert: Grenzschließungen sowie die Kriminalisierung und Zurückweisung (refoulement) von Migranten wurden zur Regel. Die Verlagerung aus der Region in vermeintlich "sicherere" Gebiete wie die Europäische Union hat einen Teufelskreis aus Abschreckung und Druck auf die Transitstaaten in Gang gesetzt, in dem die Geflüchteten lediglich Schachfiguren sind. Durch die fortschreitende Abschottungspolitik des globalen Nordens steigt die Wahrscheinlichkeit, dass syrische Geflüchtete in Jordanien, im Libanon oder in der Türkei bleiben müssen. Viele von ihnen würden gern nach Hause zurückkehren, jedoch ist weiterhin unklar, wie es ihnen ergehen wird, wenn in Syrien - wo der Krieg aktuell andauert - beim Wiederaufbau mit dem alten Regime und seinen Verbündeten zusammengearbeitet wird. Inländische wie ausländische Akteure müssen dies bei ihren Bemühungen in Bezug auf den zukünftigen Wiederaufbau Syriens berücksichtigen.

Verringerte Handlungsspielräume für humanitären Schutz

Urheber*in: Fröhlich, Christiane

Attribution - NoDerivates 4.0 International

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Alternative title
Shrinking Spaces of Humanitarian Protection
ISSN
1862-3611
Extent
Seite(n): 13
Language
Deutsch
Notes
Status: Veröffentlichungsversion; nicht begutachtet

Bibliographic citation
GIGA Focus Nahost (6)

Subject
Sozialwissenschaften, Soziologie
Migration
Flüchtling
Flüchtlingspolitik
Weltflüchtlingsproblem
Flucht
Asylpolitik
Libanon
Jordanien
Türkei
Umsiedlung
Deportation
Syrien
Nahost

Event
Geistige Schöpfung
(who)
Fröhlich, Christiane
Event
Veröffentlichung
(who)
GIGA German Institute of Global and Area Studies - Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, Institut für Nahost-Studien
(where)
Deutschland, Hamburg
(when)
2018

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-61074-4
Rights
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Last update
21.06.2024, 4:26 PM CEST

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Object type

  • Arbeitspapier

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  • Fröhlich, Christiane
  • GIGA German Institute of Global and Area Studies - Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, Institut für Nahost-Studien

Time of origin

  • 2018

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