Bestand
Lauritzen, Lauritz (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Lauritz Lauritzen wurde am 20. Jan. 1910 als Sohn von Anne und
Friedrich Lauritzen in Kiel geboren. Sein Vater war ein gelernter
Schreiner, der früh der Holzarbeitergewerkschaft und der SPD beitrat.
1912 wurde Friedrich Lauritzen Filialleiter des Konsumvereins in Plön,
dann Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion und stellvertretender
Landrat. Seit 1920 leitete er das Kreisarbeitsamt in Plön und wurde
1927 zum Gemeindevorsteher von Elmschenhagen bei Kiel gewählt, 1933
jedoch von den Nationalsozialisten in den Ruhestand versetzt. In der
NS-Zeit arbeitete Friedrich Lauritzen als Grundstücksmakler. 1945
wurde er für kurze Zeit Bürgermeister von Plön.
Sein Sohn Lauritz Lauritzen besuchte das humanistische
Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium in Plön, wo er 1929 sein Abitur
ablegt. Im selben Jahr wurde er Mitglied der SPD und begann das
Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten
Freiburg und Kiel. Von 1930 bis 1932 war er Vorsitzender der
sozialistischen Studentengruppe an der Universität Kiel. Am 12. Juni
1933 bestand er sein Erstes Staatsexamen in Kiel.2 Um weiter im
Justizdienst bleiben zu können - Lauritz Lauritzen war am
Oberlandesgericht Kiel tätig - trat Lauritzen 1934 der SA bei, der er
bis 1938 angehörte.3 Am 28. Aug. 1936 wurde er in Kiel zum Doktor der
Rechtswissenschaften promoviert. Sein Zweites Staatsexamen absolvierte
er am 4. März 1937 in Berlin. Im selben Jahr wurde er Justitiar,
später Hauptabteilungsleiter in der Reichsstelle für Chemie in
Berlin.4 Aufgrund seiner Unabkömmlichkeitsstellung und einer längeren
Krankheit wurde er nicht zum Kriegsdienst eingezogen.
Nach kurzer Tätigkeit als Referent für
Volkswirtschaft und Statistik beim Berliner Magistrat ging Lauritzen
1945 an das Landratsamt in Rendsburg (Holstein) und übernahm im
November desselben Jahres die Leitung der Präsidialkanzlei beim
Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein. 1946 wurde er
Landesdirektor im Kieler Innenministerium und wirkte dort an der
Ausarbeitung der Landessatzung sowie der Kreis- und Gemeindeordnung
des Bundeslandes Schleswig-Holstein mit. Von der neuen Landesregierung
unter Leitung des Christdemokraten Walter Bertram wurde Lauritzen im
Sept. 1950 in den Wartestand versetzt. Am 6. Febr. 1951 wurde er als
Ministerialrat, seit dem 17. Sept. 1952 als Ministerialdirigent nach
Hannover in das Niedersächsische Ministerium des Innern berufen, wo er
zunächst für Polizeiangelegenheiten, dann für die Allgemeine Abteilung
zuständig war.
Am 5. Juli 1954 wählte die
Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel Lauritzen zum
Oberbürgermeister. Eine an den hessischen Ministerpräsidenten Georg
August Zinn gerichtete Empfehlung des Vizepräsidenten des
Bundesverfassungsgerichts und früheren schleswig-holsteinischen
Justizministers Rudolf Katz hatte seine Kandidatur unterstützt.5 Als
Oberbürgermeister leitete er den Wiederaufbau der im Krieg zu 75%
zerstörten Stadt, der er als Veranstaltungsort der Documenta (seit
1955) eine überregionale Bedeutung sicherte. Lauritzen war von 1955
bis 1963 auch Mitglied des SPD-Bezirksvorstandes Hessen-Nord. Am 30.
Jan. 1963 vom hessischen Ministerpräsidenten Zinn als Minister der
Justiz und für Bundesangelegenheiten ins hessische Kabinett berufen,6
widmete er sich besonders dem Verwaltungsrecht, der Justizreform und
dem hessischen Gefängniswesen, hier vor allem dem Jugendstrafvollzug.
Zinn übertrug Lauritzen den Vorsitz einer 1966 gebildeten Kommission
für Fragen der Verwaltungsreform. Von 1966 bis 1967 gehörte er dem
Hessischen Landtag an.
Nach der Bildung der
Großen Koalition wurde Lauritzen am 1. Dez. 1966 als Bundesminister
für Wohnungswesen und Städtebau in das Kabinett Kiesinger berufen.
Auch im sozialliberalen Kabinett Brandt/Scheel setzte er seit dem 22.
Okt. 1969 seine Tätigkeit als Bundesminister für Städtebau und
Wohnungswesen fort. Unter seiner Leitung wurde der soziale Wohnungsbau
in starkem Maße gefördert und Anfang 1970 der Entwurf des
Städtebauförderungsgesetzes vorgelegt, das am 27. Juli 1971
verabschiedet wurde.7 Durch eine Reform des Bodenrechts sollte die
Bebauungsplanung durch die Kommunen erleichtert und die
Bodenspekulation eingedämmt werden. Unter Lauritzen begann auch die
systematische Ausarbeitung einer Mieterschutzgesetzgebung.8 Lauritzen
vergab wissenschaftliche Forschungsaufträge und richtete Arbeitskreise
zur Städtebaupolitik ein; sein Ziel der Errichtung einer
„Bundesanstalt für Bauforschung" konnte er jedoch nicht verwirklichen.
Als zuständiger Bundesminister war Lauritzen 1972/73 Vorsitzender des
Bauausschusses der Olympia-Baugesellschaft mbH in München.
Durch den Rücktritt des Bundesministers für
Wirtschaft und Finanzen Karl Schiller am 6. Juli 1972 wurde eine
Kabinettsumbildung notwendig. Lauritzen blieb Wohnungsbauminister,
erhielt aber noch zusätzlich das Bundesministerium für Verkehr und für
das Post- und Fernmeldewesen. Nach den Bundestagswahlen bekleidete er
vom 15. Dez. 1972 bis zum 7. Mai 1974 das Amt des Bundesministers für
Verkehr. In seine Amtszeit fallen die Bummelstreiks der Fluglotsen im
Sommer 1973, die den zivilen Flugverkehr fast lahmlegten. Lauritzens
Vorschläge zur Einführung einer Autobahnsteuer im Jahre 1973 blieben
ebenso erfolglos, wie seine Pläne zur Einführung einer
Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen, die zunächst noch im Zeichen der
Ölkrise im November/Dezember 1973 durchsetzbar zu sein schienen.9 Die
im März 1974 eingeführte Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf
Autobahnen, die auf einem Bundesratskompromiss beruhte, war nicht von
Dauer.10
Von 1969 bis 1971 gehörte Lauritzen
dem Landesvorstand der schleswig-holsteinischen SPD an. Auf deren
Landesparteitag in Heiligenhafen im November 1973 wurde er mit 146
gegen 22 Stimmen zum Bundeskandidaten der SPD für die Landtagswahl
1975 nominiert. 11 Vorwürfe, sich in bundespolitischen Fragen nicht
durchgesetzt zu haben, schadeten jedoch seinem Ansehen. Nach dem
Rücktritt Willy Brandts als Bundeskanzler am 6. Mai 1974 wurde
Lauritzen in das neue Kabinett unter Helmut Schmidt nicht übernommen.
Lauritzen verzichtete 1974 auch auf seine Kandidatur bei den
schleswig-holsteinischen Landtagswahlen zugunsten des
Oppositionsführers im Kieler Landtag, Klaus Matthiesen.
Lauritzen war seit 1969 Abgeordneter des Bundestages
(1972 Direktwahl im Wahlkreis Plön, ansonsten Landesliste
Schleswig-Holstein); hier arbeitete er in mehreren Ausschüssen mit: im
Rechtsausschuss als ordentliches Mitglied vom 5. Juni bis 18. Sept.
1974, im Haushaltsausschuss als Stellvertreter seit dem 18. Sept.
1974, im Finanzausschuss als ordentliches Mitglied seit 1976, im
Verteidigungsausschuss als Stellvertreter seit dem 5. Juni 1974 und
als ordentliches Mitglied seit dem 18. Sept. 1974. Lauritzen wurde
1969 auch in den Stadtrat seines Wohnortes Bad Honnef
(Nordrhein-Westfalen) gewählt.
Auf Bundesebene
war Lauritzen seit 1969 Mitglied des Parteirates der SPD. Er wurde
außerdem im selben Jahr zum Vorsitzenden des Kommunalpolitischen
Ausschusses beim Bundesvorstand der SPD gewählt und gehörte der
Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in der
Bundesrepublik Deutschland (Bundes-SGK) an. Von 1972 bis 1974 war er
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer
Wohnwirtschaftler und Wohnungspolitiker sowie von 1968 bis 1973 und
1978 bis 1980 Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft für Städtebau
und Wohnungspolitik der SPD. Mitgliedschaften bestanden ferner in der
Arbeitsgruppe Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, der Arbeitsgruppe
Steuern, der Arbeitsgruppe Sicherheitsfragen und dem Arbeitskreis V
(Öffentliche Finanzwirtschaft) der SPD-Bundestagsfraktion sowie der
Kommission Sicherheitspolitik beim Parteivorstand der SPD. Neben der
Arbeit in diesen Parteiämtern wirkte er in Schleswig-Holstein im
Gremium für Fragen der deutschen Minderheit in Nordschleswig
mit.
Lauritzen gehörte den Vorständen
zahlreicher wohnungsbaupolitischer Verbände und Wohnungsbauunternehmen
an. Seit 1974 war er Vorsitzender der Gesellschaft für Wohnungs- und
Siedlungswesen (GEWOS) e.V. Hamburg, an der neben der Neuen Heimat und
einer Reihe von Wohnungsbauunternehmen der Bund und die Stadt Hamburg
beteiligt waren, ferner Vorstandsmitglied, 1977 Präsident des
Verbandes gemeinwirtschaftlicher Unternehmen für Städtebau und
Landesentwicklung e. V. Bonn, Präsident des Kuratoriums der
Gesellschaft für Wohnungs- und Siedlungswesen e.V. Hamburg,
Beiratsmitglied der Neue Heimat Städtebau und der BEWOBAU Betreuungs-
und Wohnungsbaugesellschaft mbH sowie Aufsichtsratsmitglied der
Salzgitter Wohnungsbau-AG. Auch in Gesellschaften zur Städtebau- und
Wohnungsbauforschung war Lauritzen tätig: Seit 1977 als Vorsitzender
des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung
e.V. Bonn und seit 1974 als Mitglied des Kuratoriums des
Informationsverbundzentrums RAUM und BAU (IRB) Stuttgart der
Fraunhofer-Gesellschaft.
Lauritzen war
verheiratet und hatte vier Kinder. Für seine Verdienste wurde er 1970
mit dem Großkreuz des Königlich Schwedischen Nordstern-Ordens und 1973
mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des
Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Am 5.
Juni 1980 starb Lauritzen.
Bestandsbeschreibung: 1
Überlieferungsgeschichte und archivische Bearbeitung
Bereits seit dem Mai 1974 bemühte sich das Bundesarchiv um die
Übernahme der schriftlichen Unterlagen des Bundesministers a. D. Dr.
Lauritz Lauritzen. Erst nach seinem Tod am 5. Juni 1980 gelangte der
Nachlass in zwei Ablieferungen in das Bundesarchiv. Ein erster Teil
wurde schon im Juni/Juli 1980 von dem Nachlassverwalter, Prof. Dr. Udo
Kollatz, im Einverständnis mit der Witwe, Frau Edith Lauritzen, dem
Bundesarchiv überlassen. Es handelte sich dabei um 115 Aktenbände,
eine Mappe und sechs Terminkalender, vor allem aus seiner Tätigkeit
als Bundestagsabgeordneter. Korrespondenzakten, die sich auf die
laufenden Wahlkreisangelegenheiten bezogen, verblieben für Lauritzens
Nachfolger Kurt Leuschner im Bundestagsbüro. Ebenfalls nicht
übernommen wurden die Broschüren und Bücher aus seinem Arbeitszimmer
im Bundeshaus.
Im August 1980 übergab Frau
Lauritzen dem Bundesarchiv weitere 113 Aktenordner, unter anderem mit
Schriftgut aus Lauritzens Amtszeit als Bundesminister, sowie einen
Karton mit Mappen und Einzelblättern. Am 18. Aug. 1986 wurde der
Nachlass der Bundesrepublik Deutschland vertraglich übereignet. Bis
zum 1. Jan. 2000 waren Benutzungen zu amtlichen, wissenschaftlichen,
publizistischen oder privaten Zwecken an die vorherige schriftliche
Zustimmung von Frau Lauritzen gebunden.
Im
Frühjahr 1985 wurden im Rahmen eines Praktikums 51 Aktenordner mit
Reden verzeichnet und ein vorläufiges Findbuch für diesen Teil des
Nachlasses erstellt. Dieses Findmittel umfasste jedoch nicht alle
Reden Lauritzens; es fehlten 22 Aktenordner aus der Zeit von 1947 bis
1966 und 1977 bis 180. Die Verzeichnung des gesamten Nachlasses wurde
am 15. Apr. 1991 als Prüfungsarbeit für die praktische Prüfung zum
Bundesarchiv für den höheren Dienst vergeben und am 12. Juli 1991
abgeschlossen. Nach dem Ablauf des Zeitraums, in dem Benutzungen an
einen Genehmigungsvorbehalt gebunden waren, und nachdem inzwischen
Angaben von weiteren Nachlassteilen auszuschließen sind, konnte das
Findbuch zum Nachlass Lauritzen publiziert werden. In Vorbereitung der
Veröffentlichung wurde es im Sommer 2001 nochmals überarbeitet.
Da der Nachlass eine gute vorarchivische Struktur
besaß, wurde diese im Wesentlichen beibehalten. Daraus ergab sich eine
Grobgliederung in Reden, Korrespondenz, Sachakten, eine
Materialsammlung zur Bundespolitik sowie einen eigenen Teil mit
Sachakten und eine Materialsammlung zur Landespolitik
Schleswig-Holstein. Die Materialsammlungen waren bis auf die unterste
Ebene systematisch gegliedert. Die übrigen Akten ließen sich innerhalb
der Gliederungsabschnitte in der Regel nach Amtszeiten,
Wirkungskreisen und Chronologie ordnen. Die in einem Karton
befindlichen ungeordneten Einzelblätter wurden bestehenden Akten
zugeordnet; zusammengehörige Vorgänge wurden zu Archivalieneinheiten
formiert. Eingriffe in die innere Aktenstruktur unterblieben
ansonsten; Mängel der vorarchivischen Ordnung wurden durch eine
intensive Verzeichnung und den Index ausgeglichen. Aufgrund der
erforderlichen Neuformierungen umfasst der Nachlass nunmehr insgesamt
246 Bände. Kassationen wurden auf acht Bände mit reiner
Doppelüberlieferung oder Materialsammlungen ohne Überlieferungswert
beschränkt. Aus dem Band 241 wurde eine Karte des öffentlichen
Personenverkehrs im Kreis Herzogtum Lauenburg (1:75.000) aus
konservatorischen Gründen entnommen und in der Kartensammlung des
Bundesarchivs unter der Signatur Kart 600 (Verkehrskarte) abgelegt.
Ferner sind in der biografischen Bildsammlung des Bundesarchivs (Bild
1) Fotos von Lauritzen und im Bestand Bild 145 vier Dienstausweise aus
seiner Tätigkeit als Bundesminister enthalten.
2 Bewertung der Überlieferung und ergänzende archivische
Überlieferung
Die ältesten Unterlagen aus dem
Nachlass Lauritzen stammen aus den Jahren 1947/48. Insgesamt ist
jedoch die Zeit bis zum Eintritt Lauritzens in die Bundespolitik
vergleichsweise schwach dokumentiert. Die Überlieferung der
politischen Arbeit als Landesdirektor in Kiel, Ministerialbeamter in
Hannover, Oberbürgermeister in Kassel und Hessischer Minister der
Justiz und für Bundesangelegenheiten besteht weitgehend aus
Fragmenten. Nur die Reden Lauritzens vermitteln für diese Zeit einen
Eindruck seiner Tätigkeit. Insgesamt machen die Reden Lauritzens fast
ein Drittel des gesamten Nachlasses aus.
Einen
Überlieferungsschwerpunkt bilden die Amtszeiten Lauritzens als
Bundesminister, doch sind auch hier deutliche Lücken im Nachlass
erkennbar. Aus diesem Zeitabschnitt ist die Tätigkeit als
Bundesminister für Verkehr von 1972 bis 1974 am besten belegt. Zu den
Auseinandersetzungen um den Fluglotsen-Bummelstreik und die Frage
eines Tempolimits auf Autobahnen, die auch im Zentrum der öffentlichen
Diskussion standen, liegen Akten aus dem Ministerbüro vor. Erhalten
ist ferner der Briefwechsel mit Bundeskanzler Brandt im Zusammenhang
mit Lauritzens Ernennung zum Bundesverkehrsminister. An politischer
Korrespondenz aus dieser Zeit ist ansonsten vor allem ein Band mit
Tageskopien aus dem Bundesministerium für Verkehr zu erwähnen. Die
Reden Lauritzens als Bundesminister sind besonders gut
dokumentiert.
Der größte Teil des Nachlasses
stammt aus Lauritzens Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter seit 1974.
Aus dieser Zeit sind seine Reden, seine Korrespondenz und seine
Materialsammlungen zu großen Teilen erhalten. Auch zu seiner Arbeit in
Ausschüssen des Bundestages, insbesondere im Finanzausschuss, liegen
Akten vor. Die Parteiarbeit ist dagegen schwächer überliefert, und
sehr spärlich sind die Zeugnisse über Lauritzens Tätigkeit in den
Vorständen zahlreicher wohnungsbaupolitischer Verbände und
Wohnungsbauunternehmen. Das Schriftgut aus Lauritzens Abgeordnetenzeit
spiegelt seine wichtigsten Interessengebiet - Fragen der Städte- und
Wohnungsbaupolitik, der Verkehrspolitik und der Öffentlichen
Finanzwirtschaft - deutlich wider. Einen besonderen Schwerpunkt bildet
neben den Reden vor allem die systematisch geordnete Materialsammlung
aus Lauritzens Abgeordnetenzeit, die etwa ein Viertel des gesamten
Nachlasses umfasst. Sie diente als Grundlage für seine politische
Arbeit, vor allem für seine Reden und Debattenbeiträge.
Schon in dem Schriftgut aus der Ministerzeit wird
Lauritzens ausgeprägtes Interesse für schleswig-holsteinische
Angelegenheiten deutlich. Besonders seit er 1973 zum Spitzenkandidaten
der SPD für die schleswig-holsteinischen Landtagswahlen nominiert
wurde, unterstützte er als Bundesminister den Ausbau der
Verkehrsverbindungen und die Erneuerung von Bahnhofsanlagen in diesem
Land mit Bundesmitteln.1
So wurde der
Autobahnbau auch in einer Zeit fortgesetzt, als dieser allgemein eher
gedrosselt wurde. Nach seinem Rücktritt als Minister nutzte er seine
Verbindungen zum Bundesverkehrsministerium, um Baumaßnahmen in seinem
Wahlkreis zu fördern. Lauritzens Wahlkreisarbeit in Schleswig-Holstein
nimmt in der Überlieferung seiner Abgeordnetenzeit einen breiten Raum
ein; so beispielsweise die Verhältnisse in dem Wahlkreis Nordfriesland
- Dithmarschen-Nord, für den er bei den Bundestagswahlen 1976
kandidierte. Zu den innerparteilichen Schwierigkeiten, die der dem
eher rechten Flügel der SPD zugehörige Lauritzen in dem
SPD-Landesverband Schleswig-Holstein hatte, gibt es dagegen nur
vereinzelte Hinweise.
Der Nachlass zeigt
Lauritzen als einen Politiker, der in und mit seiner Verwaltung
arbeitet. Seinen sachlichen und nüchternen Stil spiegelt sein Schrift
wider: Sachakten, sachbezogene Materialsammlungen und Reden herrschen
hier vor, während Zeitungsausschnittsammlungen zur eigenen Person,
Erinnerungen und Selbstdarstellungen völlig fehlen. Am Beispiel des
Nachlasses Lauritzen ist zu sehen, wie etwa seit Ende der 1960er Jahre
auch in der parteipolitischen Arbeit das persönliche Büro sowie die
persönlichen Referenten und Assistenten ein immer stärkeres Gewicht
gewinnen, während die Politiker an der Spitze in erster Linie
korrigierend und genehmigend in Erscheinung treten. Die Arbeit des
„Apparate" wird immer dominanter, sie umfasst den größten Teil des
Schriftgutes im Nachlass. Umgekehrt nimmt die Korrespondenz mit
Verbänden, Organisationen und Gremien jeder Art gegenüber der mit
Einzelpersonen immer mehr zu.
Zur politischen
Lebensleistung des Politikers Lauritzen zählen die Förderung des
Wiederaufbaus und des sozialen Wohnungsbaus, der systematische Ausbau
der Mieterschutzgesetzgebung, das Städtebauförderungsgesetz und der
Beginn der Innenstadtsanierung, die das alltägliche Lebensumfeld und
die soziale Wirklichkeit nachhaltig veränderten. Auch wenn dem Versuch
zur Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen kein Erfolg beschieden
war, ist die Diskussion um eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit
und die Grenzen des Individualverkehrs bei schwindenden
Rohstoffressourcen seitdem nicht mehr abgerissen. Lauritzen hat hier
deutliche Akzente gesetzt.
Ergänzend zum
Nachlass sind für die Amtszeit Lauritzens als Bundesminister die
Bundesarchivbestände B 108 (Bundesministerium für Verkehr) und B 134
(Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau)
heranzuziehen; aus dem Ministerbüro stammen die Aktenbände B 134/4494,
4495 und 10744. Im Nachlass Heinrich Lübke (N 1216) liegt im Band 159
Schriftwechsel mit Lauritzen vor. Im Archiv der sozialen Demokratie
der Friedrich-Ebert-Stiftung befinden sich die Akten der
SPD-Parteigremien, in denen Lauritzen Mitglied war. Hier sind
insbesondere die Akten des Parteivorstands und seiner Ausschüsse, die
Protokolle des Parteirates und die Akten der SPD-Bundestagsfraktion zu
nennen. Unterlagen zu Lauritzen dürften auch in den Akten des
SPD-Landesverbandes Schleswig-Holstein und im Nachlass Willy Brandt zu
finden sein. Einschlägige Informationen erhält ferner die Sammlung
Personalia: Lauritzen, Lauritz, Nr. 1778, der
Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Protokolle der Bundestagsausschüsse,
denen Lauritzen angehörte, sind im Bundestagsarchiv
vorhanden.
Zitierweise: BArch N
1282/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch N 1282
- Umfang
-
246 Aufbewahrungseinheiten; 15,0 laufende Meter
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Nachlässe und Sammlungen >> Nachlässe >> L
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Literaturhinweise:
Arnulf Baring: Machtwechsel. Die Ära Brandt-Scheel. Stuttgart 1982.
Gerhard Beier: SPD Hessen. Chronik 1945 bis 1988. Bonn 1989.
Heinrich Bügel: Grundlagen deutscher Verkehrspolitik. Aus der Werkstatt des Verkehrspolitikers. Darmstadt 1983.
Bundesverband des Deutschen Güterfernverkehrs (BDF) e. V. (Hrsg.): Zur Lage der gegenwärtigen Verkehrspolitik: Stellungnahme des gewerblichen Güterfernverkehrs zum Kursbuch für die Verkehrspolitik des Bundesministers für Verkehr, Dr. Lauritz Lauritzen. Frankfurt a.M. 1973.
Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen: Unsere Städte. Probleme von heute - Lösungen für Morgen. Bonn 1970.
Der Bundesminister für Verkehr (Hrsg.): Der Mensch hat Vorfahrt: Kursbuch für die Verkehrspolitik. Bonn [1973].
Walter Henkels: Neue Bonner Köpfe. Düsseldorf/Wien 1978.
Ralf G. Jahn: Lauritzen, Lauritz. In: Udo Kempf, Hans-Georg Merz (Hrsg.): Kanzler und Minister 1949-1998. Biografisches Lexikon der deutschen Bundesregierungen. Wiesbaden 2001, S. 409-413.
Dietmar Klenke: „Freier Stau für freie Bürger": Die Geschichte der bundesdeutschen Verkehrspolitik 1949-1994, Darmstadt 1995.
Hans Dieter Kloß: Gefragt: Lauritz Lauritzen. Bonn 1970.
Herbert Knorr: Der parlamentarische Entscheidungsprozess während der Großen Koalition 1966 bis 1969. Struktur und Einfluss der Koalitionsfraktionen und ihr Verhältnis zur Regierung der Großen Koalition. Meisenheim am Glan 1975.
Hans-Otto Hemmer, Kurt Thomas Schmitz (Hrsg.): Geschichte der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland. Von den Anfängen bis heute. Köln 1990.
Achim von Loesch: Die gemeinwirtschaftlichen Unternehmen der deutschen Gewerkschaften. Entstehung - Funktionen - Probleme. Köln 1979.
Georg Ritter: Gewerkschaften als Unternehmer. Ein Kapitel bundesdeutscher Wirklichkeit. München 1987.
Ausgewählte Veröffentlichungen von Lauritz Lauritzen:
- (Bearb. u. Hrsg.): Die Selbstverwaltung in Schleswig-Holstein: Handkommentar zur Gemeindeordnung, Amtsordnung, Kreisordnung und Landessatzung. Kiel 1950.
- Aspekte des Wohnungs- und Städtebaues. Vortrag von Lauritz Lauritzen anlässlich der ersten Tagung der Landesgruppe Hessen des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung e.V. am 30. Jan. 1967 im Sitzungssaal der Stadtverordneten in Frankfurt a.M. Hrsg. vom Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung e.V. (Schriften des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung e.V. Heft 70). Köln-Mülheim 1967.
- Städtebau und Stadterneuerung. Vortrag von Lauritz Lauritzen am 24. Mai 1968 in Helgoland. Hrsg. vom Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung e.V. (Kleine Schriften des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung e.V. 5). Köln-Mülheim 1968.
- Zusammen mit Hans Albert Berkenhoff: Zur baulichen Entwicklung der Klein- und Mittelstädte (Schriftenreihe des Deutschen Städtebundes 12). Göttingen 1968.
- (Hrsg.); unter Mitarbeit von Horst Jürgen Winkel: Städtebau der Zukunft: Tendenzen, Prognosen, Utopien. Düsseldorf [u.a.] 1969 (Neuaufl. 1970).
- Städtebau für Morgen - eine gesellschaftspolitische Aufgabe. In: Die Neue Gesellschaft 16 (1969), S. 318-320.
- Zusammen mit Georg Leber, Hans-Jochen Vogel, Käthe Strobel und Volkmar Gabert: Wohnungs- und Städtebaukongress München 1969. Hrsg. vom Vorstand der SPD. Bonn 1969.
- Städtebau. In: Horst Ehmke (Hrsg.): Perspektiven. Sozialdemokratische Politik im Übergang zu den siebziger Jahren. Bonn 1969, S. 113-118.
- Städtebau und Wohnungswesen: Vorträge auf dem Zentralverbandstag 1970 in Augsburg (Schriften des Zentralverbandes der Deutschen Haus- und Grundeigentümer e.V. 31). Düsseldorf 1970.
- Einführung zu: Kurt Walter: Städtebau nach neuem Recht: Grundriss des Städtebauförderungsgesetzes. Bonn-Bad Godesberg 1971.
- Städtebau und Eigentum. In: Die Neue Gesellschaft 18 (1971), S. 349-353.
- Die Zukunft unserer Städte: Analysen, Ziele, Lösungen (Reihe Gesellschaftspolitik 4). Bonn 1971.
- Deshalb bin ich Sozialdemokrat: Bundesminister Dr. Lauritz Lauritzen. Hrsg. vom Vorstand der SPD, Abt. Öffentlichkeitsarbeit. Bonn [ca. 1972].
- Vorwort in: Peter Conradi, Hartmut Dietrich, Volker Hauff: Für ein soziales Bodenrecht: Notwendigkeiten und Möglichkeiten. Frankfurt a.M. 1972 (Neuaufl. 1973).
- Die Vorschläge der SPD zur Reform der Bodenordnung: Ein Kommentar zu den Ergebnissen der Bodenrechtskommission beim Parteivorstand. In: Die Neue Gesellschaft 19 (1972), S. 654-658.
- (Hrsg.): Mehr Demokratie im Städtebau: Beiträge zur Beteiligung der Bürger an Planungsentscheidungen. Hannover 1972.
- Der Mensch im Mittelpunkt der Verkehrspolitik. In: Die Neue Gesellschaft 21 (1974), S. 267-269.
Kleinere Beiträge und Interviews in:
Wohnungsbestandspolitik und Marktforschung. Hrsg. vom Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität (Beiträge und Untersuchungen / Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 70). Münster, 1968.
Welttag des Städtebaues 1968. Ein Pressegespräch am 7. Nov. 1968 in Bonn. Hrsg. vom Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung e.V. Köln-Mülheim 1969.
Welttag des Städtebaues 1969. Forumsgespräch Städtebaufinanzierung und Städtebauförderung, Möglichkeiten des Kapitalmarkts, am 7. Nov. 1969 in Bonn. Hrsg. vom Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung e.V. Bonn 1970.
Probleme der Stadtentwicklung: Tagung von 8. Bis 11. Okt. 1968, Leitung: Peter C. Dienel. (Protokolle / Evangelische Akademie Loccum 18). Loccum 1968.
- Provenienz
-
Lauritzen, Lauritz, 1910-1980
- Bestandslaufzeit
-
1947-1980
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- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Lauritzen, Lauritz, 1910-1980
Entstanden
- 1947-1980