Bestand
A Rep. 060-41 Sternwarte Treptow e.V. (Bestand)
Vorwort: A Rep. 060-41 Treptow Sternwarte e. V. (Entwurf)
1. Geschichte der Sternwarte Berlin-Treptow
Friedrich Simon Archenhold entdeckte auf einer Himmelsaufnahme, die er am 27. Oktober 1891 mit einer neuartigen fotografischen Kamera gemacht hatte, einen Nebel im Sternbild Perseus. Eine Bestätigung dieser Entdeckung blieb aus, weil es zu dieser Zeit in Deutschland keine modernen Fernrohre gab und keiner dies bestätigen konnte. Für F. S. Archenhold war das der Beginn seiner Bemühungen um ein modernes Großteleskop. So begann er den Bau eines Riesenfernrohrs. Auf der Berliner Gewerbeausstellung (1. Mai 1896 bis 15. Oktober 1896) präsentierte sich Berlin als aufstrebendes Industrie- und Gewerbezentrum. Auch Archenholds Riesenfernrohr, umgeben von einem Holzgebäude, wurde dabei gezeigt. Da es aber immer noch eine Baustelle und erst zum Ende der Ausstellung benutzbar war, blieben die dringend benötigten Eintrittsgelder aus. So fehlte F. S. Archenhold das Geld, das Fernrohr und die Sternwarte nach dem Ende der Ausstellung 1897 vertragsgemäß abzubauen. Der Magistrat von Berlin stimmte schließlich zu, beides vorerst stehen zu lassen. So blieb die Sternwarte mit dem Riesenfernrohr fast als einziges Zeugnis der Gewerbeausstellung bis heute erhalten. Die Sternwarte wurde nun von einem privaten Verein, dem "Verein Treptow-Sternwarte e. V." getragen. Vereinsvorsitzender und erster Direktor der Sternwarte wurde ihr Gründer, F. S. Archenhold.
Biografie Friedrich Simon Archenhold (Direktor der Archenhold-Sternwarte von 1896 - 1931)
Friedrich Simon Archenhold wurde am 2.10.1861 in Lichtenau / Westfalen geboren. Nach Beendigung des Realgymnasiums in Lippstedt kam er nach Berlin und begann im April 1882 ein Studium der Naturwissenschaften an der Friedrich-Wilhelm-Universität (heute Humboldt-Universität). Den stärksten Einfluss übte der Direktor der Berliner Universitätssternwarte Wilhelm Foerster (1831-1921) auf ihn aus. Er setzte sich stark für die öffentliche Verbreitung wissenschaftlicher Ergebnisse ein. Ab 1888 wirkte Archenhold an der von Foerster gegründeten Berliner Urania und auf einer Außenstelle der Berliner Universitätssternwarte. Ab 1893 trat Archenhold für den Bau eines großen Fernrohrs in Deutschland ein. Er realisierte dieses Vorhaben der Errichtung des längsten Linsenfernrohrs der Erde unter Einsatz von Spendenmitteln 1896. Damit war die Treptower Sternwarte geboren. Der das Fernrohr zunächst umgebende Holzbau wurde 1908/09 durch das heutige Gebäude ersetzt. Archenhold entfaltete in der von einem Verein getragenen Sternwarte eine lebhafte Veranstaltungs- und Publikumstätigkeit. Ab 1900 gab er die Zeitschrift "Das Weltall" heraus, die bis 1944 erschien. Zu den Höhepunkten seiner Aktivitäten zählen verschiedene Reisen, so nach Schweden, Großbritannien, Spanien und in die USA. Die Gründung einer "Kinematischen Studiengesellschaft e.V." zur Herstellung wissenschaftlicher Filme (1913) sowie die Mitwirkung im Vorstand der "Panterra" - Gesellschaft für Projekte friedlicher Großforschung. Im Jahre 1931 schied der Siebzigjährige aus dem Amt und übergab es seinem Sohn Günter. Archenhold starb am 14. Oktober 1939 in Berlin. Mit dem Machtantritt der Nazis begann die Vertreibung der jüdischen Familie aus der Sternwarte. Archenholds Frau Alice und seine Tochter Hilde kamen im KZ Theresienstadt ums Leben. Die Söhne Günter und Horst konnten nach England emigrieren. Archenhold war eine originelle und mitunter wohl auch skurrile Persönlichkeit, wie zahlreiche Anekdoten belegen. Mit Weitblick setzte er sich für die Schaffung internationaler Sternwarten auf hohen Bergen, für den Bau eines Planetariums in Berlin und für die Herstellung preisgünstiger Schulfernrohre ein.
Trotz des provisorischen Holzgebäudes erfreute sich die Sternwarte großer Popularität. Für zahlreiche astronomische, naturwissenschaftliche und auch andere Veranstaltungen war sie z. B. ein interessanter Ort. Bis Ende 1901 konnte die Sternwarte bereits 200.000 Besucher verzeichnen. Noch immer war der (nur für einen Sommer gedachte) Holzbau das beengte Domizil der Sternwarte. Die Königlichen Bauräte und Architekten Konrad Reimer und Friedrich Körte erstellten 1907 einen Entwurf im neoklassizistischen Stil für den Neubau der Treptower-Sternwarte, der dann am 28. Februar 1908 offiziell dem Magistrat vorgelegt wurde.
Als die Geldsammlung sichtbare Fortschritte machte, wurden Kredite durch die Berliner Pfandbriefbank und weitere Geldspenden auch durch die Berliner Gewerkschaften möglich. Am 14. Februar 1908 wurde der Mietvertrag für das Parkgrundstück unterzeichnet. Bedingung war, dass den "Schulklassen der städtischen Lehranstalten" der unentgeltliche Besuch der Sternwarte gestattet würde. Nach dem Abriss des alten Holzgebäudes Ende März war es soweit: Am 17. Mai 1908 wurde der Grundstein für den Neubau der Sternwarte gelegt. Das große Fernrohr blieb vom Neubau unberührt und benutzbar. Um die Berliner nicht zu lange ohne Sternwarte zu lassen (und die Sternwarte nicht so lange ohne Eintrittsgelder), hatte man einen provisorischen Zugang auf der Südseite errichtet. Erst nachdem das Türmchen fiel, das zum Bedienen des Objektiv-Schutzdeckels nötig war, stand das Fernrohr still. Die weiter organisierten Vorträge fanden gegenüber, im Saal des "Etablissement Friedrich Knape" (heute Gaststätte Eierschale Zenner) statt. Der Neubau wurde am 4. April 1909 unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit sowie in- und ausländischer Ehrengäste eingeweiht. Albert Einstein hielt am 2. Juni 1915 seinen ersten öffentlichen Vortrag über die Relativitätstheorie in Berlin im großen Vortragssaal der Treptow-Sternwarte.
F. S. Archenhold veröffentlichte in der Zeitschrift "Das Weltall" mehrere Artikel zu den Arbeiten von Einstein. Auch nach Beginn der antisemitischen Hetzkampagnen gegen Einstein ließ sich Archenhold nicht von seiner sachlichen Berichterstattung über Einsteins Arbeiten abbringen. Insgesamt erschienen bis 1933 ca. 30 Beiträge in "Das Weltall" zur Relativitätstheorie und ihren Konsequenzen für die Astronomie. Anlässlich des 100. Geburtstages Einsteins erhielt der Saal am 15. März 1979 den Namen "Einstein-Saal". Seit dem erinnert eine Gedenktafel an den Vortrag des berühmten Physikers. 1936 wird Günter Archenhold wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt und die Familie aus der Sternwarte, ihrem Lebenswerk, vertrieben. Die Sternwarte wurde entschädigungslos in den Besitz der Stadt Berlin übernommen und der Hauptschulverwaltung unterstellt. Verwaltungsleiter wurde ein der Astronomie völlig unkundiger Beamter. Die Sternwarte wurde zu Umbauarbeiten geschlossen. Bis dahin konnte die Sternwarte seit ihrer Eröffnung eine Gesamtbesucherzahl von 2.666.567 belegen. F. S. Archenhold starb am 14. Oktober 1939 in Berlin. Archenholds Frau Alice und seine Tochter Hilde kamen im KZ Theresienstadt ums Leben. Die Söhne Günter und Horst konnten nach England emigrieren.
Studienrat Dr. Richard Sommer übernahm 1937 die wissenschaftliche Leitung der Sternwarte und führte die von Günter Archenhold gegründete Astronomische Arbeitsgemeinschaft weiter.
Richard Sommer (Wissenschaftliche Leitung 1937-1942)
Richard Sommer hat an der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität (heute Humboldt Universität) Naturwissenschaften studiert und mit einem Examen für das höhere Lehramt abgeschlossen. Zu seinem akademischen Lehrern zählte neben H. Struve und Julius Scheiner auch Wilhelm Foerster. Im Jahre 1919 wurde Sommer stellvertretender Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Liebhaberastronomie (Ingedelia) und von 1927 -1945 wirkte er neben seiner Tätigkeit als Lehrer auch als stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Sternenfreunde. Ab 1928 übernahm Sommer nebenamtlich die Leitung des 1926 erbauten Berliner Planetariums am Bahnhof Zoo, das 1943 zerstört wurde. 1937 wurde Sommer wissenschaftlicher Leiter der Treptower Sternwarte, wo er unter anderem die von Günter Archenhold gegründete Arbeitsgemeinschaft weiterführte. Ab 1942 konnte sich Sommer der Sternwarte nur noch eingeschränkt widmen, da er im Rahmen der Kinderlandverschickung außerhalb von Berlin eingesetzt wurde.
Als kommissarischer Leiter wirkte dann Edgar Mädlow von 1945 bis 1948 an der Sternwarte. Die Sternwarte und das Riesenfernrohr wurden im 2. Weltkrieg bei Luftangriffen beschädigt. Mädlow bewirkt die Wiederaufnahme des Sternwartenbetriebs und die vorläufige Instandsetzung des Großen Fernrohrs, so dass die partielle Sonnenfinsternis am Nachmittag des 9. Juli 1945 wieder vom Dach der Sternwarte aus mit dem Großen Fernrohr verfolgt werden konnte. Edgar Mädlow ist es auch zu verdanken, dass zwei Teleskope und die Bibliothek aus der aufgegebenen Urania-Sternwarte an die Treptower Sternwarte geholt werden.
Edgar Mädlow (Kommissarischer Leiter von 1945 - 1948)
Edgar Mädlow wurde 1921 in Berlin geboren. Wegen seiner teils jüdischen Abstammung konnte er nach der Erlangung des Abiturs nicht studieren und begann eine Handwerkslehre. Ab 1937 beteiligte er sich als Amateurastronom an der Arbeitsgemeinschaft der Treptower Sternwarte und später auch im Publikumsdienst. 1942 führte er die Betreuung der Arbeitsgemeinschaft von Richard Sommer weiter. 1945 berief ihn der Magistrat als Kommissarischen Leiter der Sternwarte. Mädlow bewirkte die Wiederaufnahme des Sternwartenbetriebs und eine vorläufige Instandsetzung des Großen Refraktors. Er sicherte das erhalten gebliebene Unterrichtsmaterial aus dem Planetarium am Zoo und sorgte für die Überführung zweier Teleskope und der Bibliothek der aufgegebenen Urania-Sternwarte nach Treptow. Den Abschluss seiner Tätigkeit in Treptow bildete eine "Arbeitstagung Deutscher Volkssternwarten" vom 3. - 6. April 1948. Hauptberuflich war Mädlow als Diplom-Meteorologe an der FU Berlin tätig. Er veröffentlichte als profilierter Amateurastronom zahlreiche Arbeiten über die Beobachtung von Planeten, Kometen, den Mond und anderes.
Die Akten wurden Anfang der 1980er vom Stadtarchiv Berlin übernommen.
2. Bestandsbeschreibung
Der Bestand enthält zwölf Akten (0,15 lfm) mit der Laufzeit (1869) 1896 - 1945. Er beinhaltet Jahres- und Arbeitsberichte, Korrespondenzen (Friedrich S. Archenhold, Bruno H. Bürgel) und Akten zu Grundstücks- und Verwaltungsangelegenheiten.
Die Akten wurden mit der Software Augias.Archiv 7.1 verzeichnet und sind nun über eine Datenbank und ein Findbuch nutzbar.
3. Korrespondierende Bestände
C Rep. 121 Magistrat von Berlin, Abteilung Kultur
C Rep. 145-15 Rat des Stadtbezirks Treptow, Abteilung Kultur
C Rep. 720 Archenhold-Sternwarte
4. Literatur
Archenhold, Friedrich Simon: Die Treptow-Sternwarte, In: Teltower Kreis-Kalender, 2.1905, S. 97-100.
Besichtigung der Sternwarte in Treptow, In: Brandenburgia ; 10.1901/02, S. 51.
Die Geschichte der Astronomie in Berlin, hrsg. von Dieter B. Herrmann und Karl-Friedrich Hoffmann, Berlin 1998.
Herrmann, Dieter B.: Friedrich Simon Archenhold und seine Treptower Sternwarte, Berlin 1986, In: Vorträge und Schriften / Archenhold-Sternwarte Berlin-Treptow ; 65
Herrmann, Dieter B.: Sterne über Treptow. Die Geschichte der Archenhold-Sternwarte, Berlin 1987 (= Treptower Historische Hefte, 3).
Städtische Sternwarte Berlin-Treptow - Treptower Sternwarte 1937.- Berlin 1937.
http://www.sdtb.de/Geschichte.142.0.html
Berlin, März 2011 Kerstin Bötticher
- Bestandssignatur
-
A Rep. 060-41
- Kontext
-
Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> A Bestände vor 1945 >> A 7 Kammern und Körperschaften, Organisationen und Vereine >> A 7.3 Vereine und Verbände
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rechteinformation
-
Für nähere Informationen zu Nutzungs- und Verwertungsrechten kontaktieren Sie bitte info@landesarchiv.berlin.de.
- Letzte Aktualisierung
-
22.08.2025, 11:21 MESZ
Datenpartner
Landesarchiv Berlin. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand