Bestand

170/49 - Nachlass Gustav Nonnenmacher (Dep.) (Bestand)

Vorwort: Abt. 170/49 Nachlass Gustav Nonnenmacher (Dep.)
Umfang: 39 Archivkartons - 272 Verzeichnungseinheiten = 7,5 lfm = 3 große Kartons Skizzen- u. Zeichnungssammlung (gerollt), 1,5 lfm Skizzen- u. Zeichnungssammlung (plan liegend), Großformate
Laufzeit: ca. 1930-2010 (2015-2016)
Übernahme und Verzeichnung
Nach dem Ableben des seit 1951 in Worms lebenden Bildhauers Gustav Nonnenmacher (21.4.1914 Stuttgart - 2.11.2012 Worms) wurden bereits locker bestehende Kontakte des Archivs zu den beiden Kindern des Künstlers (Ulrike Arnold-Nonnenmacher, Worms und Prof. Dr. Frank Nonnenmacher, Frankfurt/M.) wieder aufgenommen. Es konnte grundsätzliche Einigung über die Hinterlegung des Nachlasses Nonnenmachers im Stadtarchiv erzielt werden. Die Abholung der familiärerseits sorgfältig vorgeordneten, in einer Liste zusammengestellten Unterlagen aus dem Wohnhaus bzw. Atelier im Klosterweg 2 (Worms-Hochheim) fand - fotografisch dokumentiert - am 6.8.2013 im Beisein der Tochter von G. Nonnenmacher statt. Im Anschluss wurden verschiedene Gespräche über die bei einer Verzeichnung zugrunde zu legende Klassifikation des Bestands geführt und eine eigene Systematik festgelegt. Ziel war dabei, dass das Archivverzeichnis auch zu einer Art Werkkatalog ausgebaut bzw. als solcher genutzt werden sollte.
Am 14.1.2014 wurde mit Frau Ulrike Arnold, Tochter von Gustav Nonnenmacher, eine von ihr mit ihrem Bruder abgesprochene Vereinbarung über die Übernahme von Seite des Stadtarchivs des Nachlasses ihres Vaters getroffen und damit Übereinstimmung über die depositarische Hinterlegung von Unterlagen erzielt (Vertrag und Abholung weiterer Unterlagen April 2014). Eine weitere kleinere Abgabe erfolgte am 13. Mai 2014.
Den künstlerischen Nachlass selbst erhielt zu größten Teilen das Museum der Stadt Worms, das Nonnenmacher 2014/15 mit einer Ausstellung aus Anlass seines 100. Geburtstags würdigte.
Die Verzeichnung (in enger Abstimmung mit Frau Arnold) des vielfältigen Materials samt den aufwendigen Umbettungsarbeiten erfolgte zwischen Frühjahr 2014 und Februar 2015 durch die Archivarin Magdalena Kiefel.
Das vorgeordnete Schriftgut samt Skizzen und Großfotos wurde in Kartons verpackt und von Frau Arnold vorläufig durchnummeriert; zunächst wurden die Akten neu verzeichnet, die bisherige vorläufige Signatur wurde im Feld als Altsignatur vermerkt. Im Bestand befinden sich zahlreiche Skizzen plan liegend oder gerollt, diese wurden ebenso verzeichnet und in große Kartons verpackt. Auch analoge Fotos von Werken Nonnenmachers in Klein- und Großformat, schwarz-weis oder farbigen Abzügen befinden sich im Bestand. Es wurden zahlreiche Verweise zwischen Korrespondenz, Rechnungen, vorhandenen Entwürfen, Skizzen und Fotos zu den hergestellten Objekten erstellt. Nähere Informationen über den Verkaufspreis oder Standort findet man im Werkververzeichnis. In der Fotoabteilung des Stadtarchivs Worms befinden sich von zahlreichen Werken Nonnenmachers Negative. Für den Nachlass wurde nach Absprache mit der Tochter von Nonnenmacher eine eigene Klassifikation erarbeitet.

Biographisches
vgl. zur Person den Artikel in Wikipedia (1914-2012)
"Ein Künstler darf sein eigenes Werk nicht interpretieren, denn sein Werk ist eine Maschine (zur Fabrikation von Deutungen) mit vielen Hebeln, in verschiedenen Größen und Einstellungsmöglichkeiten", G. Nonnenmacher (Nr. 252)
Gustav Nonnenmacher wurde am 21.4.1914 in Stuttgart als uneheliches Kind einer Weißbüglerin geboren und von ihr bald der Fürsorge überlassen. Als er sieben Jahre alt war, kam er (bis 1929) in ein Waisenhaus. Mit 15 Jahren mußte er den Schutz des Waisenhauses verlassen, seine Erzieher hatten dem begabten Jungen eine Lehrstelle bei einem Holzbildhauer in Holzgerlingen besorgt. Die Ausbildung hat seine künstlerische Tätigkeit nachhaltig geprägt. Seine Arbeiten zeugen von anatomischer Genauigkeit, sicherer Kunst- und Stilgeschichte, Kenntnis von Bildhauermaterialien und deren Wirkungsweise auf die Aussage (vgl. Schulzeichnungen und Zusammenstellung über Götterlehre, Symbolik, profane Symbolik und Anatomie, Nr. 247/21). Nonnenmacher wurde 1936 zum Wehrdienst bei der Luftwaffe eingezogen und bis 1939 nicht wieder entlassen (Flugstundenbücher befinden sich noch im Privatbesitz der Familie Nonnenmacher). Im Krieg war er als Pilot eingesetzt und überlebte mehrere Abstürze. Nach der Heirat wird 1944 ein Sohn (Frank) geboren. Nach Kriegsende zieht Nonnenmacher mit seiner Familie nach Monsheim, wo die Eltern seiner Frau lebten, vgl. Nr. 100.
Zur Entwicklung seines künstlerischen Schaffens
Nonnenmacher arbeitete trotz aller materiellen Schwierigkeiten ab 1951 in Worms als freischaffender Künstler, wo er ein kleines Haus mit Atelier bauen konnte, 1952 kam seine Tochter Ulrike zur Welt. Nach und nach konnte er sich etablieren, einen Schwerpunkt bilden Werke im sakralen Raum.
"Der Krieg ist verderblich. Länder werden verwüstet, Menschen gemordet, Säuglinge zertreten, Tugenden verleugnet". Dieses Franz Marc zugeschriebene Zitat war Leitmotiv der plastischen Arbeiten des Bildhauers. Er ist einer derjenigen Bildhauer, die sich der Aufgabe annehmen, die das im Krieg Erlebte zu verarbeiten (vgl. Brief an Ludwig Freiherr Heyl zu Herrnsheim über die Kriegserinnerungen als Pilot, die er verarbeiten zu müssen glaubte, 1984, Nr. 196). Es entstehen Kriegsopferanlagen, u.a. in Pfeddersheim 1961. Ein 16 Meter breites Relief beherrscht ein Feld mit Steinkreuzen, die die Jahreszahlen der beiden Kriege tragen, die Apokalyptischen Reiter sind in Muschelkalk gehauen (s. Nr. 010), weitere Anlagen wurden geschaffen für Sinsheim (Baden), s. Nr. 019; Ingelheim (Nr. 098) und Landau-Arzheim (Nr. 235); vgl. auch das Gedenkrelief für die gefallenen Schüler der Landwirtschaftsschule Worms, 1954 (s. Nr. 153).
Zahlreiche sakrale Gebäude der zerstörten Stadt Worms müssen wieder aufgebaut werden. Gustav Nonnenmacher nimmt an Wettbewerben und Ausschreibungen der Stadt Worms teil. Die Idee aus dem Holz des Lutherbaumes Lutherrosen herzustellen, hatte großen Erfolg. Der Vertrieb von Lutherrosen u. Luther-Reliefs aus dem Holz des Lutherbaumes wurden zum Wiederaufbau der Magnus- u. der Dreifaltigkeitskirche verwendet, s. Nr. 032, Nr. 228, Nr. 229. Er fertigt die Bronzekanzel in der Dreifaltigkeitskirche (Nr. 006), den sinnträchtigen Zelebrationsaltar in St. Martin (Nr. 030) an. Diese Aufgaben im kirchlichen Bereich erfordern seine Erkenntnisse und seine praktizierte Sprache über die christliche Mystik und Symbolik. 1964 erscheint im Callwey-Verlag München sein Bildband "Christliche Sinnbilder, neue Entwürfe frühchristlicher Symbole". Die Reliefsinnbilder: Evangelisten u. ihre Evangelien; Tiere oder "Wesen" der Johannesoffenbarung u. dort auch Visionen des Propheten Ezechiel kann man noch heute bewundern in der Saalkirche in Ingelheim, 1965; oder Anfertigung eines Bronzeportals (die Funktion dieses Portals ist Öffnen u. Schließen, Trennen u. Verbinden, Aufnehmen u. Bewahren. Der Eintritt in den Kirchenraum ist der Eintritt in die Gemeinde u. Eintritt in das Reich der Verheißung), s. Nr. 016. Das Buch ist vergriffen und eine begehrte Rarität (Nr. 251/1), vgl. auch zahlreiche Presse- und Rundfunkmitteilungen (vgl. Nr. 012, 163, 164).
1974 kam es zur ersten großen Einzelausstellung "Plastik - Relief - Objekt" kombiniert mit Großfotos und stationären Werken. Neben Anerkennung provozieren die Arbeiten nicht selten auch Widerspruch.
Die Stadt Worms mit ihrer reichen Geschichte wird zur Herausforderung für den Bildhauer. Das Burchardjahr 1975 begründet eine neue Aktion zur Neugestaltung des Nordportals am Dom. Zusammen mit den städtischen Gremien wurde ein Gestaltungsentwurf erarbeitet. Die Finanzierung des Wormser Kaiserportals konnte ermöglicht werden durch seine Aktion für den Verkauf von Bronzeplaketten, die Nonnenmacher entworfen hatte, Träger der Spendenaktion war der Lions-Club Worms, 06.08.1975, s. Nr. 043 und Nr. 186.
Ein Zeugnis besonderer Art der Verbundenheit mit der Stadt Worms ist das 1986 auf dem Obermarkt errichtete "Wormser Schicksalsrad" (Anlass/Mäzen: 75 Jahre EWR). Zweitausend Jahre Geschichte der Stadt Worms fasste G. Nonnenmacher hier in ein Denkmal, vgl. u.a. Nr. 112, 118 und 155 (technische Daten u.a. in Nr. 119).
Im März 1983 fertigte Nonnenmacher im Auftrag der Interessengemeinschaft Wonnegauer Weinkeller die Ausführung des Modells Winzerbrunnen in der Fußgängerzone an (Granitplatte mit Stiftertext, Reliefkranz, keramikverblendete Stahlbetonsäule u. Drachenvollplastik in Bronze-Kunstguss, Skizzen, Fotos s. in: Nr. 38, 156, 231, 243/3). Seine letzte große Arbeit war 2003, die Bronzeskulptur "Nibelungenliedbrunnen", die vom Wormser Büromöbelfabrikant Heinrich Schärf finanziert wurde. Es finden sich im Bestand zahlreiche Entwürfe, Fotos und die Beschreibung der einzelnen Blätter, die die drei Figurengruppen umhüllen (Guss Fa. Strassacker, Kunstgießerei). Zahlreiche Rechnungen über die Ausführung seiner Vorentwürfe belegen die Kosten für das Material und Arbeitsaufwand, auf deren Rückseite oft eine Übersicht über die Einnahmen, Atelierkosten u. Grundausgaben notiert ist (Nr. 255 - Nr. 257).
1964 gründete Gustav Nonnenmacher einen Modellierkreis in Worms und in Bürstadt. Zuerst in den Räumen der VHS Worms, später in der Gemeinde Neuhausen wirkte er als Dozent für Bildhauerkunst. Jungen Menschen wurden die Grundkenntnisse, die technische Abwicklung, die mit praktischen Übungen verbunden sind, beigebracht. Die Ergebnisse künstlerischen Laienschaffens werden in diversen Ausstellungen im Museum der Stadt Worms gezeigt (u.a. 1974 und 1980). Der Erlös der Ausstellungen wurde immer für einen guten Zweck eingesetzt, zum Beispiel für die Neuvergoldung der Zeilen aus dem Privileg von Kaiser Friedrich I. Barbarossa auf der Schriftplatte des Kaiserreliefs am Dom, 1999 (s. Nr. 204).
Gustav Nonnenmacher war Mitglied bei der Wormser Narrhalla 1840 e.V., für sie fertigte er u.a. Karnevalsorden (Nr. 244), viele größere und kleinere Auszeichnungen für verdiente Mitglieder aus Bronze sowie kleinere glasierte Handkeramiken. Erwähnenswert ist ein Dankbrief an die Wormser Narrhalla, bei der er das Lachen lernte und 'tausende frohe Stunden' verbracht habe. Auch ein Ordensverzeichnis (1958-2005) der Stücke, die er für die Narrhalla angefertigt hatte, findet man in der Akte Nr. 196 (vgl. auch: Nr. 158 und Nr. 177).
Als auch in Worms 1983 das Reformationsgedächnisjahr gefeiert wird provoziert Nonnenmacher mit seinem "Reformations-Kreuz", das er auf eigene Kosten errichtet hatte. Er hatte es als Diskussionsobjekt während der Veranstaltungen zum Lutherjahr auf dem Schlossplatz platziert, vgl. Schriftverkehr, Briefe mit Kritik ("künstlerische u. theologische Missgriff") u. Bewunderung, Achtung der Aussage Nonnenmachers u. sein Mut (s. Brief von Heinrich Trescher aus Heidelberg, 21.06.1983). Seine Gedanken u. Gefühle beim Anblick des "Gespaltenen Kreuzes" fasste er zusammen (s. Nr. 034). Mit ihm will er auf die Folgen der Kirchenspaltung hinweisen (vgl. Nr. 217- Nr. 218). Auch weitere Aktivitäten wie "500 Jahre Gemeiner Pfennig" (1995), Aktionen auf dem Obermarkt (s. dazu Presseinformation) oder der Hinweis auf die hässliche Rheinufer-Promenade im Zusammenhang mit den Bitumina-Behältern am Rheinufer (1996) findet man in der Korrespondenz und in den Zeitungsartikeln (s. auch: Nr. 133, 145, 149, 220).
Erwähnenswert sind auch die freien Arbeiten von Gustav Nonnenmacher, die gesellschaftliche Zustände kritisch beleuchten u. hinterfragen: Unikate, Kleinplastiken, Reliefs usw., besonders wichtig: Kassandra, Europa, Karsamstag (s. dazu Beitrag bei Wikipedia über Gustav Nonnenmacher u. Nachlass der mobilen Werke im Museum der Stadt Worms).
Ein Werkverzeichnis - standortgebundene Werke (nach Standorten u. chronologisch) erstellt von Ulrike Arnold - befindet sich als PDF-Datei in Nr. 265 (Stand 3.5.2016). Im Zuge der Erstellung des Werkverzeichnisses wurden zahlreiche Ergänzungen und Korrekturen in die Datenbank eingepflegt.
Ergänzende Archivabteilungen im Stadtarchiv:
- Abt. 6 Stadtverwaltung Worms (nach 1945)
- Abt. 20 Städtische Kulturinstitute
- Abt. 204 Wormser Dokumentation/Sammlung
- Abt. 185 Familien- und Firmenarchiv Ludwig C. Freiherr von Heyl
Literatur:
Max Herdegen "Der Bildhauer Gustav Nonnenmacher, Intuition -Werkstoff-Objekt", München, 1991
Frank Nonnenmacher "DU hattest es besser als ICH". Zwei Brüder im 20. Jahrhundert, Waldkirchen, 2014
"Christliche Sinnbilder", neue Entwürfe. Mit einer Abhandlung von Richard Wisser von Gustav Nonnenmacher, Verlag Georg Callwey, München, 1964
Worms, Febr. 2015/Mai 2016
Magdalena Kiefel

Zitierhinweis: Abt. 170/49

Erschließungszustand, Umfang: Verzeichnung 2014 bis 2/2015 (Ki) in 'Augias'-Datenbank

Reference number of holding
Stadtarchiv Worms, 170/49

Context
Stadtarchiv Worms (Archivtektonik) >> Nachlässe/Nachlass-Splitter

Date of creation of holding
1950-2010

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Last update
15.12.2023, 2:57 PM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1950-2010

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