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Porträt des Hans Bol

Der berühmte Maler und Kupferstecher Hans Bol ist tot. Ein Grund für Hendrik Goltzius, ihm zur Erinnerung ein Denkmal auf Papier zu errichten. Es zeigt in der Mitte ein Medaillon mit dem Dreiviertelporträt des Verstorbenen, das ihn – so die umlaufende Inschrift – im Jahre seines Todes 1593 als 59jährigen darstellt. Auf dem Gesims des Memorials sitzt zu beiden Seiten ein geflügelter Putto auf Büchern. Sie wenden sich einer Weltkugel zu, die zwischen ihnen in einer Muschel liegt. Der linke Knabe betrachtet sie durch eine Lupe, während er Zeichenmaterial auf seinen Knien bereithält. Er spielt auf Bols Fähigkeit an, die Welt in seinen Landschaften miniaturhaft wiederzugeben. Auf der anderen Seite symbolisiert der zeichnende Putto vermutlich seine Kupferstecherkunst. Die beiden brennenden Kerzen verdeutlichen die Unsterblichkeit seiner Kunst, während die erloschenen, noch qualmenden Fackeln am Boden sowie der Totenschädel unter dem Bildnis auf den Tod seines Körpers verweisen. Vom Gesims hängen beiderseits Fruchtgirlanden und Werkzeuge herunter, die die darstellenden Künste versinnbildlichen. Unter dem Medaillon befindet sich eine vertiefte Kartusche mit sechs lateinischen Hexametern. Sie wird von zwei geflügelten Frauenbüsten flankiert, deren Unterkörper in einer Akanthus-Volute enden und das Denkmal tragen. - Mit der Inschrift wendet sich Goltzius direkt an Hans Bols Stiefsohn Franz, mit dem er befreundet war und dem er das Blatt zur Erinnerung an den verstorbenen Vater schenkte. Von seinem Vater hatte Franz die Malerei so gut gelernt, daß er dessen Stil getreu nachahmen und viele von den hinterlassenen Werken fertigstellen konnte. - In Anlehnung an antike Grabinschriften sind die sechs Zeilen als Lobeshymne auf den Verstorbenen abgefaßt: „Sieh an Franziskus, das gestochene Bildnis des Stiefvaters, aber achte noch mehr auf seine Tugend und sein bewährtes Leben. Bewundere die kunstvolle Malerhand, mit der er das blühende Tempe-Tal und den anmutigen Hain des Alkinos erreichte. Dieses Bildnis überreicht dir Goltzius, du aber nimm es als Unterpfand unserer Freundschaft froh mit Herz und Hand an.“ - Der Hinweis auf das Tempe-Tal findet sich in Vergils „Georgica“ II, 469 und wird dort als blühendes Tal bezeichnet. Die Alcinoi silvae – statt nemus, wie es in der lateinischen Inschrift heißt – sind fruchtbare Obstgärten, die ebenfalls in der „Georgica“ II, 87 erwähnt werden. Der Vergleich mit diesen antiken Ideallandschaften schmeichelt Bol im hohen Maße, denn er rühmt seine Fähigkeit, genau so schöne Landschaften darzustellen, wie sie in der antiken Literatur beschrieben werden. Ein schöneres Lob konnte einem Künstler, der in einer Zeit lebte, in der die Antike als Maßstab galt, konnte nicht ausgesprochen werden. - Der aus Mecheln stammende Hans Bol (*1434–1593) war nach seiner Ausbildung zunächst als Tapetenentwerfer und Landschaftsmaler bekannt. Verärgert über zahlreiche Kopien seiner Werke, die unter seinem Namen zum Verkauf angeboten wurden, wandte er sich der Miniaturmalerei zu und gelangte auf diesem Gebiet zur Meisterschaft. Mit beeindruckender Feinheit schuf er kleinste, reich staffierte Landschaften, die ihm so leicht niemand nachahmen konnte. -

Urheber*in: Goltzius, Hendrick / Fotograf*in: Katharina Anna Haase / Rechtewahrnehmung: Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität

Attribution - ShareAlike 4.0 International

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Alternative title
Hans Bol
Location
Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
Inventory number
D 4366
Measurements
Höhe: 265 mm (Blattmaß)
Breite: 180 mm (Blattmaß)
Material/Technique
Papier; Kupferstich
Inscription/Labeling
Aufschrift: Caelatam Vitrici effigiem Francise tuêre, / Virtutem spectato magis, vitamqué probatam, Pictricem admirâre manum, qua Florida Tempe, / Et nemus Alcinoi penicillo aequauit amaenum / Dedicat nani grato tibi pectore Goltzius, at tu / Pignus amicitiae laeta cupe mente manuque. (Tafel unterhalb des Porträts)
Aufschrift: IOANNES BOLLIVS MECHLINENSI PICTOR. AET. LVIII. Ao DD. D. XCIII. HG. (ligiert)
Marke: Göttinger Bibliotheksstempel

Classification
Zeichnung/Grafik (Hessische Systematik)
Kupferstich (Oberbegriffsdatei)
Subject (what)
Putto
Totengedächtnis
Gesims
Porträt, Selbstporträt eines Malers
Totenkopf, Totenschädel (als Symbol des Todes)
Porträt, Selbstporträt eines Künstlers
Subject (who)

Event
Entstehung
(when)
1593
Event
Herstellung
(who)

Sponsorship
Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Deutsche Digitale Bibliothek aus Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Last update
24.04.2025, 12:58 PM CEST

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  • Grafik

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Time of origin

  • 1593

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