Akten | Bestand

Herrschaft Pappenheim, Reichserbmarschallamt (Bestand)

Vorwort: Einleitung

Die gegen Ende des 15. Jhs. beginnenden Akten des reichserbmarschallischen Archivs geben in steigendem Maße genaue Kunde vom Charakter und den vielfältigen Funktionen des weit ins Hochmittelalter zurückreichenden Erbamtes, das im 16. Jahrhundert zweifellos seine Blütezeit erlebte.

Das Erbamt und das damit verbundene Amtslehen (Burg und Stadt Pappenheim) rührten von dem Kurfürsten von Sachsen als Reichserzmarschall zu Lehen. Das Amtslehen war dem Gesamthause Pappenheim gemeinsam, dessen übrige Besitzungen weit verstreut im südwestlichen Deutschland lagen. Seit 1473 bestand in der Familie Pappenheim die Senioratserbfolge; während sämtlichen Mitgliedern der Familie seit 1500 die Führung des Namens "Reichserbmarschall zu Pappenheim" zustand, wechselte die rechtliche Amtsführung dauernd zwischen den 5 Hauptlinien Pappenheim-Aletzheim, Treuchtlingen, Stühlingen, Grönenbach und Gräventhal. Die Amtsträger (älteste Reichserbmarschälle) übertrugen jedoch vielfach schon zu ihren Lebzeiten die faktische Amtsführung an jüngere Familienmitglieder.

Die wesentlichen Funktionen des Reichserbmarschalls waren, abgesehen von den uralten, in der Goldenen Bulle (1356) kodifizierten Ehrendiensten auf den Reichs-, Wahl- und Krönungstagen, die Vorbereitung, Organisation und technische Durchführung dieser Reichsversammlungen, die Bereitung der Quartiere für die Reichsstände und ihr Gefolge am Tagungsort und die Aufsicht, über deren Mieten und sanitäre Sicherheit, die Vorsorge für die Lebensmittelzufuhr, die Erstellung von Taxordnungen für Brot und Fleisch und die Preisüberwachung, die feierliche Einholung des Kaisers und der Kurfürsten, die Durchführung der Wahlvorschriften, Handhabung des Wahl- und Krönungszeremoniells, Ansage zu den Sitzungen auf den Wahl- und Reichstagen, Regelung der Sitzordnung und Aufruf zur Stimmenabgabe auf den letzteren. Dazu kam der Geleitschutz für sämtliche die Reichstagung besuchenden fremden Personen (Handelsleute, Handwerker, Gaukler) sowie über die am Tagungsort anwesenden Juden, schließlich die namens des Kaisers ausgeübte Jurisdiktion über diesen Personenkreis und über das gesamte Gefolge der Reichsstände für die Dauer der Tagung. Vor allem dieses letztere Recht brachte die Reichserbmarschälle immer wieder in Konflikt mit dem Rat der jeweiligen Tagungs-Reichsstadt, aber auch mit den kaiserlichen Hofämtern, dem Hofquartiermeisteramt, das das Quartiermachungsrecht für den Kaiser und sein Gefolge, und dem Obersthofmarschallamt, das die Gerichtsbarkeit über das letztere beanspruchte. Vor allem der Streit mit den Reichsstädten erfüllte die letzten Jahrzehnte des 16. und den Anfang des 17. Jhs. Erst nachdem sich jahrzehntelang die Herzöge von Bayern und Württemberg als kaiserliche Kommissare um eine Einigung bemüht hatten, kam am 5. November 1614 zu Augsburg ein Vergleich zustande, durch den dem Reichserbmarschall seine Einquartierungs- und Jurisdiktionsrechte im wesentlichen gewahrt blieben, wenn er auch hinsichtlich beider gewisse Zugeständnisse an die Reichsstädte machen und bestimmte Geleitsrechte gegen eine feste Geldentschädigung aufgeben mußte.

Bei der Durchführung seiner vielfältigen Aufgaben wurde der Reichserbmarschall von Hilfsorganen unterstützt. Schon unter dem Verweser des Reichserbmarschallamts Wilhelm zu Pappenheim (1503-1508) erscheint der Syndikus Johann Herdegen als "Untermarschall", 1541 wird der Pappenheimer Stadtschreiber Sixtus Sommer von Reichserbmarschall Wolf I. zum "Quartiermeister" bestellt, 1640 tritt Esaias Gumpelsheimer als "Reichsquartiermeister" auf. Unter diesem wichtigsten Helfer und Vertrauensmann des Reichserbmarschalls, der auf den Reichstagungen auch dessen Kanzlei leitete, standen der Reichsfourier und der Reichsprofoß, von denen der erstere für Quartiermachung und Verpflegung, der letztere als Organ der reichserbmarschallischen Gerichts- und Polizeigewalt tätig war.

Alle oben angeführten Funktionen des Reichserbmarschalls hatten durchaus temporären Charakter und beschränkten sich auf die Dauer des jeweiligen Reichs- bzw. Wahl- und Krönungstages. Demgemäß wurden auch die genannten Hilfsorgane jeweils nur für die Dauer einer bestimmten Reichstagung bestellt. Es liegt die Vermutung nahe, daß diese Hilfskräfte wenigstens teilweise dem Kreise der pappenheimischen Beamten entnommen wurden, und daß vor allem der Stadtschreiber von Pappenheim auf den Reichstagungen oft, wenn auch nicht regelmäßig, als Quartiermeister fungierte.

In der Mitte des 17. Jhs. traten in der Struktur des Reichserbmarschallamtes wichtige Veränderungen ein. Seit 1651 ruhte das Amt nach dem Aussterben aller anderen Linien ausschließlich auf dem jeweils ältesten Mitglied der Linie Pappenheim-Pappenheim. Damit wurde der rechtliche Amtssitz Pappenheim zur einzigen und dauernden Residenz des Reichserbmarschalls.

Dazu kam eine tiefgreifende Veränderung in der praktischen Ausübung wichtiger reichserbmarschallischer Funktionen durch die seit 1663 - zunächst faktisch - eintretende Permanenz des Reichstags in Regensburg (1742-1745 in Frankfurt). Auf dem "immerwährenden" Reichstag waren der Kaiser durch den Prinzipalkommissär, die Reichsstände durch Gesandte und Deputierte vertreten. Bei der Eröffnung dieses Reichstags am 20. Februar 1663 hat der Reichserbmarschall Wolf Philipp noch in alter Weise mitgewirkt. Von da ab trat die persönliche Teilnahme der Reichserbmarschälle am Reichstag zurück; sie erschienen dort nur noch bei feierlichen Anlässen, wie der Einführung der Gesandten neuernannter Fürsten in den Reichsfürstenrat. Die persönliche Mitwirkung der Reichserbmarschälle an Reichstagungen beschränkte sich hinfort wesentlich auf die Wahl- und Krönungstage; im übrigen konnten sie sich mehr als bisher der Regierung ihrer Grafschaft widmen.

Dagegen wurden bestimmte, bisher nur während der Dauer eines Reichstags ausgeübte reichserbmarschallische Funktionen jetzt zu einer Dauerfunktion, die die Bestellung eines ständigen Reichsquartiermeisters auf dem Reichstag zur Notwendigkeit machte. Nunmehr entstand in Regensburg unter der Leitung des Reichsquartiermeisters eine ständige "reichserbmarschallische Kanzlei". Ihr Personal bestand zu Anfang aus einem katholischen und einem evangelischen Kanzlisten, sowie dem Reichsprofoßen, der freilich von seiner ehedem bedeutenden Stellung immer mehr zu einem bloßen Amts- und Polizeidiener herabsank.

Der durch die Permanenz veränderte Gesamtcharakter des Reichstags offenbarte sich deutlich in der Tätigkeit der reicherbmarschallischen Kanzlei. Das Quartiermachungsrecht wurde durch die Entstehung ständiger Gesandtschaftssitze in Regensburg zu einem bloßen Kontrollrecht über diese "Reichsquartiere", die Geleitsrechte verminderten sich in dem Maße, als der permanente Reichstag seine Anziehungskraft auf fremde Besucher aller Art einbüßte. Übrig davon blieb der Judenschutz, vor allem die Schutzherrschaft über die dauernd in Regensburg ansässigen Juden, aus denen nun die "reichserbmarschallischen Schutzjuden" wurden. Dagegen wurde die reichserbmarschallische Kanzlei jetzt zum dauernden Gerichtsstand für das Gesandtschaftspersonal und die Schutzjuden in allen zivilen, kriminalen und freiwilligen Sachen; unter den letzteren nahmen die Nachlaßabhandlungen der Gesandtschaftsangehörigen, unter den Zivilsachen die Schuldensachen der Schutzjuden einen erheblichen Raum ein. Freilich ergaben sich aus dieser Abwandlung der reichserbmarschallischen Funktionen ständige Konflikte mit den verschiedenen Reichstagsgesandten, aber auch mit dem Magistrat der Stadt Regensburg. Die dauernde Anwesenheit eines kursächsischen Gesandten auf dem Reichstag bedeutete aber für die erbmarschallische Kanzlei gleichzeitig Schutz und Bevormundung.

Was die auf den eigentlichen Reichstag bezügliche Funktion der reichserbmarschallischen Kanzlei anlangt, so hatten sich die Sekretäre der Reichstagsgesandtschaften bei ihr zu legitimieren, der Kanzlei oblag die Ansage zu den Sitzungen der drei Reichstagskurien, ihre Kanzlisten hatten ihren Platz in der Reichstagsdiktatur; über das Recht zum Stimmenaufruf gab es vielfach Streitigkeiten mit den einzelnen Reichstagsdirektorien.

Schwierig gestaltete sich die Frage der ständigen Kanzleileitung. Der erste ständige Reichsquartiermeister Johann Heinrich Lentz, der sein Amt unter Reichserbmarschall Wolf Philipp schon während des Reichstags von 1653/54 und bei der Wahl und Krönung Leopolds I. 1657/58 ausgeübt hatte, hat sich in den ersten Jahren des "immerwährenden" Reichstags offenbar ständig in Regensburg aufgehalten und die reichserbmarschallische Kanzlei geleitet. Ob ihm daneben auch die Leitung der gräflichen Herrschaftskanzlei in Pappenheim anvertraut war, ist nicht klar. Gegen Ende des 17. Jhs. zeigt sich jedoch ganz eindeutig wieder die wahrscheinlich schon in der Zeit der nichtpermanenten Reichstage vielfach bestandene Personalunion in der Leitung der beiden Kanzleien; sie hat mit kurzer, rein formaler Unterbrechung zwischen 1767 und 1775 bis an das Ende des 18. Jhs. gedauert. Der Reichsquartiermeister hatte seinen ständigen Sitz in Pappenheim; als Syndikus, später als Kanzleidirektor, Lehenpropst und Konsistorialpräsident, mit hin als oberster Beamter des Erbmarschalls, stand er an der Spitze der Grafschaftsverwaltung. Gleichzeitig leitete er von Pappenheim aus die Regensburger reichserbmarschallische Kanzlei. In Regensburg hielt er sich meist nur wenige Wochen im Jahr auf, vornehmlich zur Teilnahme an der Reichstagspolizeikonferenz oder wenn es galt, durch Verhandlungen mit den Gesandtschaften oder dem Stadtmagistrat gefährdete reichserbmarschallische Rechte zu sichern. Im übrigen oblag die Leitung der reichserbmarschallischen Kanzlei im 18. Jh. einem Kanzleisekretär, später einem Kanzleirat als "Reichserbmarschallamts-Verweser". Dieser hat den Reichsquartiermeister dann auch auf der Reichstagspolizeikonferenz ständig vertreten.

Der wiederholten Forderung des Kurfürsten von Sachsen, der Reichsquartiermeister möge seinen dauernden Sitz in Regensburg nehmen, vermochte der Reichserbmarschall wegen der sonstigen Funktionen seines obersten Beamten in Pappenheim nicht zu entsprechen. Zudem konnte er mit Recht darauf hinweisen, daß durch die dauernden Eingriffe der Reichstagsgesandtschaften und durch die Reduktion der Juden in Regensburg die reichserbmarschallischen Jurisdiktionsrechte immer mehr geschmälert wurden, eine Entwicklung, die auch eine dauernde Anwesenheit des. Reichsquartiermeisters auf dem Reichstag nicht hätte verhindern können. Als sich Reichserbmarschall Karl Theodor endlich im Juli 1797 entschloß, zur kräftigeren Wahrnehmung seiner Rechte den Reichsquartiermeister Hieronymus Gottfried von Müller nach Regensburg zu versetzen und ihm unter Beibehaltung der Pappenheimer Kanzleidirektion die unmittelbare Leitung der reichserbmarschallischen Kanzlei zu übertragen, ging das alte Reich bereits seiner Auflösung entgegen.

Im wesentlichen unverändert waren die Funktionen des Reichserbmarschalls auf den Wahl- und Krönungstagen geblieben. Hier hat der Reichserbmarschall noch immer seine uralten rechtlichen und zeremoniellen Befugnisse wahrgenommen, zuletzt noch bei der Wahl und Krönung Kaiser Franz'II. (1792). Die umfangreichen Vorverhandlungen und die technische Durchführung der Wahl- und Krönungstage waren Sache des Reichsquartiermeisters, der sich fallweise eines nachgeordneten pappenheimischen Beamten als "Reichsfouriers" bediente.

Auch die Teilnahme eines "Vize-Reichsquartiermeisters" an der Reichskammergerichtsvisitation von 1766-1776 zeigt, daß die Vorstellung von der namens des Kaisers durch den Reichserbmarschallausgeübten Gerichtshoheit noch irgendwie vorhanden war.

Mit dem Untergang des alten Reichs (1806) fand auch die ehrwürdige Einrichtung des Reichserbmarschall-Amts und seiner nachgeordneten Organe ihr Ende.

Aus diesem kurzen historischen Überblick über das Reichserbmarschallamt vom 16. Jh. bis zum Ende des alten Reiches läßt sich auch die eigenartige Entwicklung des reichserbmarschallischen Archivwesens verstehen. Während das bis 1400 zurückreichende Urkundenarchiv seit alters geschlossen in Pappenheim lag, kam es im Laufe des 16. Jhs. zur Bildung einzelner kleinerer reichserbmarschallischer Registraturen in den Kanzleien der jeweiligen Amtsträger. Dieses Aktengut, vermehrt um das in den temporären REM-Kanzleien auf den Reichstagungen entstandene, dürfte um die Mitte des 17. Jhs. wenngleich auch nicht vollständig, im gräflichen Archiv zu Pappenheim vereinigt worden sein und wurde um diese Zeit erstmalig zusammenfassend als Teil des gräflichen Hausarchivs verzeichnet (Nr. 2954).

Das seit 1663 bestehende Nebeneinander der Regierungskanzlei in Pappenheim, die auch weiterhin den Schriftverkehr der REMe besorgte, und der reichserbmarschallischen Kanzlei in Regensburg, die die ständige Repräsentanz des REM auf dem Reichstag darstellte, führte zur Abgabe verschiedener älterer Akten aus Pappenheim an die Regensburger Kanzlei und in der Folge zu einem Nebeneinander zweier Archive, eines reichserbmarschallischen Archivbestandes in Pappenheim und des Kanzleiarchivs in Regensburg. In den um 1700 und nach 1792 in Pappenheim entstandenen Archivrepertorien (Nr.2947, 2946) nehmen denn auch die reichserbmarschallischen Akten einen entsprechenden Raum ein.

Nach dem Ende des alten Reiches hat der letzte Kanzlist der Regensburger REM-Kanzlei, Thomas Michael Preu, das Kanzleiarchiv, dessen Übernahme der letzte REM Karl Theodor 1808 dem Fürstprimas des Rheinbundes vergeblich angeboten hatte, 1811 nach erfolgten Kassationen neu verzeichnet und den Grafen um seine Überführung nach Pappenheim gebeten. Diese Überführung kam indes erst 1827 zustande.

Bei der von dem Archivar Hahn 1860 durchgeführten Inventarisierung des gräflich Pappenheimischen Hausarchivs wurden offenbar die beiden Archivkörper miteinander vermengt. Diese Vermengung blieb auch anläßlich der Neuverzeichnung des Archivs durch Prinz Wilhelm Karl von Isenburg in den Jahren 1926 und 1927 bestehen. Bei dieser Verzeichnung wurde innerhalb der Abteilung "Pappenheim" eine Abteilung "Erbmarschallamt" mit den Unterabteilungen "Jurisdiktion allgemein", "Jurisdiktion im einzelnen", "Kanzlei", "Beamte und Angestellte", "Römermonate", "Wahl und Krönung der Kaiser", "Judenschutz", "Erbtürhüteramt" und "Reichstag" gebildet. Diese Unterabteilungen umfaßten die Nummern 3003 bis 3606 des Isenburgschen Aktenrepertoriums.

Die große rechtsgeschichtliche Bedeutung der reichserbmarschallischen Akten des Pappenheimer Archivs veranlaßten im Herbst 1958 den Leiter der Außenstelle Frankfurt des Bundesarchivs, den Eigentümer des Archivs, Se. Erlaucht Graf Ludwig Friedrich zu Pappenheim zu bitten, dieses Aktengut zum Zwecke einer Neuordnung und Neuverzeichnung auf fünf Jahre nach Frankfurt zu entleihen. Durch Vertrag vom 31.10./5.11.1958 kam diese Leihe zustande. Leider haben unvorhergesehene personelle Schwierigkeiten die Ordnung der Akten bis März 1965, die Fertigstellung des neuen Repertoriums bis November 1966 verzögert. Der gegenwärtigen Eigentümerin des Pappenheimischen Hausarchivs, Ihrer Erlaucht Gräfin Ursula von der Recke-Pappenheim, sei an dieser Stelle für die Genehmigung der Sicherungsverfilmung der reichserbmarschallischen Akten im Fotolabor des Bundesarchivs und für die großzügige Gewährung wiederholter Verlängerung der vereinbarten Fristen der verbindlichste Dank ausgesprochen.

Bei der Neuordnung der reichserbmarschallischen Akten wurde zunächst auf eine möglichst genaue Auseinanderlegung der beiden organisch erwachsenen Archivkörper "Pappenheim" und "Regensburg" Bedacht genommen, bei der Gliederung des erstgenannten Bestandes das institutionelle Moment gegenüber dem reinen Betreffprinzip stärker betont. Einer völligen Neuverzeichnung mußte die Nummer 3576 des Isenburg'schen Verzeichnisses unterzogen werden, die bisher nicht weniger als 29 Laden, zwei Regale und eine große Tischlade gefüllt hatte. Sie enthielt fast die gesamte Reichstagskorrespondenz seit 1679, dazu umfangreiche Korrespondenzen über die Römermonate, Jurisdiktionsakten und eine ausgedehnte Masse von Reichstagsmaterialien aller Art. Die Isenburg'schen Nummern mußten z.T. unterteilt, z.T. ganz aufgelöst werden. Wo ihr Akteninhalt belassen werden konnte, wurden sie in Klammern neben die Signaturen des neuen Verzeichnisses gesetzt.

Die Anlage des neuen Verzeichnisses soll im Folgenden kurz erläutert werden.

Der gesamte Bestand ist entsprechend dem archivalischen Herkunftsgrundsatz in vier Hauptgruppen (A-D) zerlegt. Die Hauptgruppe A enthält den bis 1806 erwachsenen Bestand des Pappenheimer Archivs an reichserbmarschallischen Akten, die Hauptgruppe B das rekonstruierte Archiv der REM-Kanzlei in Regensburg, die Hauptgruppe C Nachlässe und Nachlaßteile, die Hauptgruppe D Reichstagsmaterialien ohne feststellbaren Aktenzusammenhang.

Die Hauptgruppe A zerfällt in 6 Hauptabschnitte. Der Hauptabschnitt A I enthält das in der Zeit zwischen 1476 und 1649 entstandene reichserbmarschallische Schriftgut. Er ist sachlich in 7 Unterabschnitte gegliedert (siehe Inhaltsverzeichnis). Der umfangreichste Unterabschnitt (A I 3) umfaßt die Akten und Korrespondenzen über den langwierigen Streit mit den Reichsstädten, darunter zahlreiche, das ganze reichserbmarschallische Beweismaterial enthaltende Kopiare mit Abschriften bis zur Goldenen Bulle (1356) zurück. Ausgeklammert aus dem Hauptabschnitt A I wurden - abgesehen von einzelnen Akten, die erwiesenermaßen als Vorakten in das Regensburger Kanzleiarchiv gelangt sind und von denen noch die Rede sein soll - diejenigen Akten und Geschäftsbücher, die aus der Tätigkeit der drei dem REM nachgeordneten Organe des Quartiermeisters (seit 1640 Reichsquartiermeisters), des Reichsfouriers und des Reichsprofoßen hervorgegangen sind. Sie bilden Teile der Hauptabschnitte A IV und A V bzw. den ganzen Hauptabschnitt A VI.

Der Hauptabschnitt A II enthält die persönliche Korrespondenz der regierenden (ältesten) REMe in reichserbmarschallischen Angelegenheiten zwischen 1652 und 1803. Hierher gehören u.a. neben kaiserlichen Reskripten an die REMe deren Korrespondenzen mit den Kurfürsten von Sachsen und anderen Reichsfürsten in Reichstags-, Wahl- und Krönungsangelegenheiten sowie der umfangreiche Schriftwechsel mit den Reichsständen und den Reichstagsgesandten betr. die Bewilligung und Auszahlung der Römermonate als Reichsentschädigung für die Kosten des REM-Amtes seit 1747. Diese Korrespondenzen wurden nach den Regierungsperioden der ältesten REMe von 1651-1806 chronologisch aufgeführt. Nach der Korrespondenz des äREM Wolf Philipp (A II 1) wurde auch die des stellvertretend amtierenden REM Wolf Christoph Wilhelm (gest. 1685) verzeichnet (A II 2). Auf diese Weise ergab sich eine Unterteilung des Hauptabschnitts A II in 9 Unterabschnitte.

Der große Hauptabschnitt A III umfaßt neben den Personalakten der Reichsquartiermeister (A III 1) vornehmlich die "nomine Illustrissimi" geführte Korrespondenz der Pappenheimer Kanzleidirektion mit der Regensburger Kanzlei sowie andere Kanzleiakten in reichserbmarschallischen Angelegenheiten. Unterabschnitt A III 2 enthält allgemeine Angelegenheiten der Regensburger Kanzlei, A III 3 in alphabetischer Reihenfolge die Personalakten des Regensburger Kanzleipersonals. Unterabschnitt A III 4 umfaßt die erhaltenen Berichte der Regensburger Kanzlei an den REM über Reichstagsangelegenheiten (Comitialia) chronologisch nach Absendern geordnet, (- als "unpersönlich" wurden dabei die Berichte ohne Anrede und Schußformel eigens eingeteilt -), sowie die leider nur in geringer Zahl erhaltenen Konzepte der namens des REM ergangenen Weisungen der Pappenheimer Kanzlei an die Regensburger. In Unterabschnitt A III 5 ist der Schriftwechsel mit der Regensburger Kanzlei in Jurisdiktionsangelegenheiten über das Personal der Regensburger Reichstagsgesandtschaften und der Regensburger Schutzjuden in zivilen, kriminellen und Nachlaßsachen zusammengefaßt.

Der Unterabschnitt A III 6 enthält den Schriftwechsel mit der Regensburger Kanzlei in Angelegenheit der Bewilligung und Eintreibung der Römermonate, der Unterabschnitt A III 7 die Berichte der Regensburger Kanzlei über die Tätigkeit der Reichstagspolizeikommission. Schließlich sind dem Hauptabschnitt A III noch die Pappenheimer reichserbmarschallischen Kanzleiakten über das reichserbmarschallische Rechnungswesen (A III 8) und über das Archiv (A III 9) angefügt.

Der Hauptabschnitt A IV bildet die "Registratur" des Reichsquartiermeisters (RQM) im engeren Sinne. Er enthält die persönliche Korrespondenz der RQM, ferner eigenhändige Konzepte wichtiger Denkschriften und Protokolle. Aus der Zeit vor 1653 liegen nur vereinzelte Korrespondenzen und eine Reihe von Amtsbüchern vor. Umfangreicher ist das erhaltene Schriftgut des ersten ständigen RQM Johann Heinrich Lentz, am umfangreichsten das der RQM Wolfgang Wilhelm Heberer, Wolfgang Georg Welck und Franz Christoph Ludwig von Lang. Den wertvollsten Teil dieses Bestandes bilden die von den drei genannten RQM geführten Diarien über die Wahl und Krönung der römisch-deutschen Kaiser des 18. Jhs., vor allem Karls VI., Kals VII., Franz'I. und Josephs II. Neben den eigenhändigen Konzepten der RQM für diese Diarien und den Reinschriften von Kanzleihand ist in die zugehörigen Aktenbände über die drei letztgenannten Wahlen und Krönungen auch der gesamte vorbereitende Schriftwechsel des REM und des RQM eingebunden, darunter auch eine größere Anzahl von Stücken, die ihrer Herkunft nach in die Korrespondenz der REMe gehören würde.

Ebenso wie der Hauptabschnitt A II wurde auch der Hauptabschnitt A IV nicht sachlich, sondern chronologisch nach den Amtsperioden der einzelnen Quartiermeister, seit 1640 RQM, in insgesamt 17 Unterabschnitte unterteilt. Für die Zeit der Nichtständigkeit des RQM konnten diese Perioden nur annähernd angegeben werden.

Bei den beiden letzten Hauptgruppen A V und A VI wurde der Versuch unternommen, das aus der Tätigkeit des Reichsfouriers und des Reichsprofoßen hervorgegangene Schriftgut an Akten und Amtsbüchern gesondert zu verzeichnen. So wurden in A V Akten (vornehmlich Fourierlisten) aus der Zeit von 1545-1790 zusammengefaßt, in A VI solche aus der Zeit von 1575-1613.

Die Hauptgruppe B enthält das rekonstruierte Archiv der reichserbmarschallischen Kanzlei in Regensburg. Die Rekonstruktion dieses Archivkörpers erfolgte auf Grund der teilweise noch vorhandenen Aktensignaturen des Reichsquartiermeisters von Müller (um 1800) sowie des Archivverzeichnisses von Preu (1811). Auf diese Weise konnte auch die Zugehörigkeit einer ganzen Reihe von älteren Archivalien bis 1542 zurück, die zweifellos dem reichserbmarschallischen Archiv in Pappenheim entstammen, jedoch nach 1663 als Vorakten in die Regensburger Kanzlei gelangt sein müssen, zum Regensburger Kanzleiarchiv festgestellt werden. Zu diesen Vorakten gehört eigenartigerweise auch die ältere Korrespondenz der REMe mit den Herren von Werthern über das Reichserbkammertürhüteramt von 1636-1664 (B 13). Der eigentliche Bestand des Regensburger Kanzleiarchivs beginnt 1663, die Hauptmasse stammt aus dem 18. Jh. Archivalisch gesehen stellen diese Bestände vielfach das Spiegelbild zum reichserbmarschallischen Aktenbestand der Kanzleidirektion in Pappenheim (A III 2-7) dar. Die gesamte Hauptgruppe ist einheitlich durchnumeriert, in sich aber in Sachgruppen unterteilt (siehe Inhaltsverzeichnis).

Trotz aller Kassationen, die dieser Archivkörper in der Zeit zwischen 1806 und 1827 erlitten hat und denen vor allem die umfangreichen Reichstagsdrucksachen des 18. Jhs., die das Preu'sche Verzeichnis noch ausweist, größtenteils zum Opfer gefallen sind, gibt der erhaltene Bestand auch heute noch einen guten Einblick in die Tätigkeit der Regensburger reichserbmarschallischen Kanzlei.

In den vorgenannten großen Aktenbeständen fanden sich eine Reihe von Schriftstücken, die als Nachlässe, Nachlaßteile oder Nachlaßsplitter bestimmter Personen angesprochen werden konnten und aus diesem Grunde herausgelöst und als Hauptgruppe C besonders verzeichnet wurden.

Der ansehnlichste und historisch interessanteste dieser Nachlässe, C I, ist der des Biberacher Bürgermeisters Gottschalk Klock, der 1571-1591 die REMe in dem langwierigen Streit mit den Reichsstädten, aber auch in anderen Angelegenheiten als Anwalt beraten und vertreten hat. Sein umfangreicher Schriftwechsel, aber auch zahlreiche den großen Rechtsstreit betreffende Briefabschriften sind fast sämtlich mit Dorsualnotizen seines Sohnes Dr. Matthäus Klock versehen; auf diese Weise konnte ihre Zugehörigkeit zur Geschäftsregistratur Gottschalk Klocks einwandfrei festgestellt werden. Von der Hand des jüngeren Klock stammt auch das große Kopialbuch mit den Abschriften von insgesamt 199 Beweisstücken der REMe gegen die Reichsstädte aus der Zeit von 1356-1583. In das Archiv der REMe gelangten diese Archivalien erst nach 1617, nach Beendigung der jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem jüngeren Klock um rückständige Honorare seines Vaters.

In C II finden sich Akten und Korrespondenzen aus dem Nachlaß des pappenheimischen Sekretärs Johann Wilhelm Reinhold aus der Zeit von 1711-1721.

C III enthält einige Stücke persönlichen Charakters aus dem Nachlaß des RQM Franz Christoph Ludwig von Lang aus der Zeit von 1752-1769, CIV und C V Korrespondenzen der Kanzleiräte Johann Friedrich Heinrich von Lang in Regensburg von 1757-1783 und Georg Albert Wilhelm Schneller in Regensburg und Pappenheim von 1792-1805, C VI Stücke aus der Korrespondenz des Pappenheimer Sekretärs Freyer von 1785-1790, C VII des Pappenheimer Regierungsrats Sommer von 1792-1801.

Umfangreicher als diese kleinen Nachlaßteile ist C VIII, der dem Nachlaß des Geheimrats Georg Joseph Wedekind entstammende Aktenbestand jenes Mannes, der in der Zeit des Rheinbundes und des Wiener Kongresses in Angelegenheit der Entschädigung des letzten REM Karl Theodor für den Verlust seines Erbamts tätig war. Dieser, offenbar von Wedekind selbst geordnete Bestand geht mit seinen Vorakten bis 1759 zurück und reicht bis 1814.

Die Gruppen C IX und X sind Nachlaßsplitter, großenteils Einzelstücke oder ganz kleine Gruppen aus der Zeit vom 16. Jh. bis zum 18. Jh.

Die Hauptgruppe D umfaßt endlich eine Menge von Materialien, die mit der Tätigkeit des Reichstags seit 1653 zusammenhängen, deren aktenmäßiger Zusammenhang aber nicht mehr hergestellt werden konnte und von denen es auch nicht feststeht, ob sie vor 1827 dem Pappenheimer oder Regensburger Aktenbestand angehörten. Hierin finden sich neben den umfangreichen Kopiaren über den letzten nichtpermanenten Reichstag von 1653/54 Kurfürstenratsprotokolle, Reichsfürstenratsprotokolle, geschriebene und gedruckte Diktate des kurmainzischen Reichstagsdirektoriums, Diktate des Corpus Evangelicorum, geschriebene und gedruckte Kommunikate, geschriebene Diarien, geschriebene und gedruckte Zeitungen, sonstige gedruckte Materialien, Auszüge aus Reichshofratsprotokollen und Regensburger Totenzettel, hauptsächlich aus der Zeit des 18. Jhs.

Frankfurt a.M., im November 1966

Dr. Walther Latzke

Oberarchivrat


Abkürzungsverzeichnis:

REM = Reichserbmarschall

ä.REM = ältester Reichserbmarschall

REMA = Reichserbmarschallamt

RQM = Reichsquartiermeister

RT = Reichstag

Au. = Ausfertigung

eh. = eigenhändig

Konz. = Konzept

Kop. = Kopie

S. = Siegel

U. = Unterschrift

Reference number of holding
Herrschaft Pappenheim, Reichserbmarschallamt
Extent
1982
Language of the material
deutsch

Context
Staatsarchiv Nürnberg (Archivtektonik) >> Beständetektonik des Staatsarchivs Nürnberg >> IV. Nichtstaatliches Archivgut >> B. Archive des Adels, adelige Standesherrschaft und Jurisdiktion >> 1.) Adelsarchive >> Pappenheim, Reichserbmarschälle bzw. Grafen
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Zu bestellen unter: Herrschaft Pappenheim, Reichserbmarschallamt Akten [lfd. Nr.]

Provenance
Herrschaft Pappenheim, Reichserbmarschallamt
Date of creation of holding
1356-1814

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  • Bestand
  • Akten

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  • Herrschaft Pappenheim, Reichserbmarschallamt

Time of origin

  • 1356-1814

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