Bestand

G 202 - Evangelisches Pfarramt Wildberg (Bestand)

Einleitung: ===== Orts- und Ortskirchengeschichte =====
Die hochmittelalterliche Burgsiedlung Wildberg war auf der Gemarkung von Sulz am Eck entstanden und wurde um 1270/80 durch die Grafen von Hohenberg zur Stadt erhoben Der Ort erlebte seit 1360 mehrere Besitzerwechsel, bis er 1440 an Württemberg kam. Die Kirche wird 1275 erstmals erwähnt und weist ein Martinspatrozinium auf. Um 1400 wurde Wildberg eigenständige Pfarrei, das ursprüngliche Filialverhältnis zu Sulz kehrte sich um. Wie in ganz Württemberg wurde die Reformation 1534 eingeführt Das bei Wildberg befindliche Nonnenkloster Reuthin konnte sieh noch eine Zeit lang nach der Reformation halten. Nach einer Verordnung von 1551 wurde Wildberg Sitz des Spezialsuperintendenten für die Ämter Wildberg und Nagold. Hinzu kamen 1604 die Orte der bis dahin badischen Superintendenz Altensteig, als diese an Württemberg kamen. Das bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Diakonat wurde aufgelöst, nachdem das von diesem mit zu betreuende Filial Effringen 1814 zur eigenständigen Pfarrei wurde. Im Jahr 1821 wurde der Sitz des Dekanats nach Nagold verlegt, Wildberg war somit nur noch eine einfache Pfarrei.
===== Bestandsgeschichte und -beschreibung =====
Die Geschichte des Pfarrarchivs ist nicht so gut dokumentiert wie die des städtischen Archivs[1]. Das Stadtarchiv war seit 1687 in der Kirche in einem eigens dafür erstellten Archivanbau untergebracht. Ein 1739 angelegtes Verzeichnis der in der Kirche befindlichen Akten befindet sich auch im Pfarrarchiv (Nr. 79) Der Anbau verschwand beim Umbau der Kirche 1772 wieder, das Archiv gelangte auf die Kirchenbühne. Im Jahr 1934 wurde es schließlich an das Staatsarchiv Ludwigsburg abgegeben.
Teile der kirchlichen Archivalien waren wohl zum Teil im Archiv in der Kirche und zum Teil im Pfarrhaus untergebracht. Ein von 1845 erhaltenes Repertorium über die Pfarregistratur (Nr. 131) ist höchst unzureichend, enthält es doch nicht einmal alle heute noch erhaltenen Archivalien. Aus dem Jahre 1959 liegt eine Aufnahme des Pfarrarchivs von Martin Brecht vor. Von den seinerzeit noch vorhandenen Archivalien fehlen mittlerweile ein Band Christenlehrverzeichnis (1931-1951), zwei Bände Verkündbücher (1841-1850 und 1859-1867) und ein Liederbüchlein des 19. Jahrhunderts.
Im Zuge der damaligen Aufarbeitung des Archivs wurde auch ein Archivalientausch mit dem im Staatsarchiv Ludwigsburg befindlichen Stadtarchiv vorgenommen. Laut dem Vorwort zum Archivinventar des Pfarrarchivs von 1959 wurden folgende Archivalien an das Staatsarchiv Ludwigsburg abgegeben: Gültstaat der Käuffelinschen Stiftungspflege, Akten der Käuffelinschen Stiftungspflege, Kontributionsrechnungen aus den Jahren 1634-1700, Rechnungsakten der Stadt aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Beilagen zur Stadtrechnung 1825/1826. Im Gegenzug erhielt das Pfarrarchiv zehn Bände Kirchenkonventsprotokolle (Nr. 49-51, 54-59 und 61). Der Bestand des Stadtarchivs befindet sich mittlerweile unter der Signatur A 573 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Dort befindet sich unter der Bestandssignatur A 573 a auch der neuere Teil des Stadtarchivs Wildberg, der die Jahre 1795-1961 umfaßt.
Das evangelische Pfarrarchiv Wildberg umfaßt insgesamt 422 Archivalieneinheiten mit ca. 8 laufenden Metern. Darunter befinden sich 3 Urkunden, 113 Nummern Bände, 138 Nummern Akten und 168 Nummern Rechnungen Das Archiv wird im Landeskirchlichen Sprengelarchiv Tübingen verwahrt [inzwischen befindet es sich im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart]. Der Bestand wurde in die Gruppen Urkunden, Bände, Akten und Rechnungen untergliedert. Bei den Akten wurden zwei Abteilungen unterschieden, die ältere umfaßt die Aktenschicht vor, die neuere die nach der Einführung einer Registraturordnung für Pfarrämter 1901.
Die Tatsache, daß Wildberg Sitz des Dekanats war, spiegelt sich nur noch in einzelnen Archivalien wider, die Unterlagen des ehemaligen Dekanatamts befinden sich im Bestand des Dekanatsarchivs Nagold im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart. Zwar ist an dem Bestand des Pfarrarchivs die Bedeutung des Stadtpfarramts erkennbar, gleichzeitig muß aber auch, wie beim Stadtarchiv, von Verlusten ausgegangen werden. Beispielsweise galt eine noch 1891 im Rathaus befindliche Kiste mit 40 Pergamenturkunden drei Jahre später schon als verschollen. Zehn Pergamenturkunden, die 1904/1905 bei einer Verzeichnung des Stadtarchivs vorhanden waren, fehlten bei der Übernahme des Bestandes durch das Staatsarchiv Ludwigsburg.
Als Besonderheit des Pfarrarchivs sind neben den drei Pergamenturkunden die Rechnungen der Cleßschen Schulstiftung (Stiftung des Wildberger Dekans David Jonathan Gleß) zu nennen. Das Archiv dokumentiert neben der örtlichen Kirchengeschichte auch die Tätigkeit einzelner Pfarrer. Beispielhaft seien hier zwei Pfarrer erwähnt: Karl Georg Haldenwang (1803-1862) war in vielen Bereichen der sozialen Fürsorge unermüdlich tätig und begründete eine ganze Reihe von Einrichtungen im Ort. Herausragend war dabei die Errichtung der ersten Anstalt für geistig behinderte Kinder in Deutschland. Immanuel Völter (1867-1957), der sich auch große Verdienste um das Stadtarchiv erwarb, war Generalsekretär des evangelisch-sozialen Kongresses in Berlin und Herausgeber der Württembergischen evangelischen Arbeiterzeitung.
Stuttgart 2000
Harald Müller-Baur
[1] Walter Grube/Walter Bürkle: Das Archiv von Stadt und Amt Wildberg (Württembergische Archivinventare, 23. Heft, hrsg. von der Württembergischen Archivdirektion), Stuttgart 1952.

Einleitung: Die hochmittelalterliche Burgsiedlung Wildberg war auf der Gemarkung von Sulz am Eck entstanden und wurde um 1270/80 durch die Grafen von Hohenberg zur Stadt erhoben Der Ort erlebte seit 1360 mehrere Besitzerwechsel, bis er 1440 an Württemberg kam. Die Kirche wird 1275 erstmals erwähnt und weist ein Martinspatrozinium auf. Um 1400 wurde Wildberg eigenständige Pfarrei, das ursprüngliche Filialverhältnis zu Sulz kehrte sich um. Wie in ganz Württemberg wurde die Reformation 1534 eingeführt Das bei Wildberg befindliche Nonnenkloster Reuthin konnte sieh noch eine Zeit lang nach der Reformation halten. Nach einer Verordnung von 1551 wurde Wildberg Sitz des Spezialsuperintendenten für die Ämter Wildberg und Nagold. Hinzu kamen 1604 die Orte der bis dahin badischen Superintendenz Altensteig, als diese an Württemberg kamen. Das bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Diakonat wurde aufgelöst, nachdem das von diesem mit zu betreuende Filial Effringen 1814 zur eigenständigen Pfarrei wurde. Im Jahr 1821 wurde der Sitz des Dekanats nach Nagold verlegt, Wildberg war somit nur noch eine einfache Pfarrei.
Die Geschichte des Pfarrarchivs ist nicht so gut dokumentiert wie die des städtischen Archivs[1]. Das Stadtarchiv war seit 1687 in der Kirche in einem eigens dafür erstellten Archivanbau untergebracht. Ein 1739 angelegtes Verzeichnis der in der Kirche befindlichen Akten befindet sich auch im Pfarrarchiv (Nr. 79) Der Anbau verschwand beim Umbau der Kirche 1772 wieder, das Archiv gelangte auf die Kirchenbühne. Im Jahr 1934 wurde es schließlich an das Staatsarchiv Ludwigsburg abgegeben.
Teile der kirchlichen Archivalien waren wohl zum Teil im Archiv in der Kirche und zum Teil im Pfarrhaus untergebracht. Ein von 1845 erhaltenes Repertorium über die Pfarregistratur (Nr. 131) ist höchst unzureichend, enthält es doch nicht einmal alle heute noch erhaltenen Archivalien. Aus dem Jahre 1959 liegt eine Aufnahme des Pfarrarchivs von Martin Brecht vor. Von den seinerzeit noch vorhandenen Archivalien fehlen mittlerweile ein Band Christenlehrverzeichnis (1931-1951), zwei Bände Verkündbücher (1841-1850 und 1859-1867) und ein Liederbüchlein des 19. Jahrhunderts.
Im Zuge der damaligen Aufarbeitung des Archivs wurde auch ein Archivalientausch mit dem im Staatsarchiv Ludwigsburg befindlichen Stadtarchiv vorgenommen. Laut dem Vorwort zum Archivinventar des Pfarrarchivs von 1959 wurden folgende Archivalien an das Staatsarchiv Ludwigsburg abgegeben: Gültstaat der Käuffelinschen Stiftungspflege, Akten der Käuffelinschen Stiftungspflege, Kontributionsrechnungen aus den Jahren 1634-1700, Rechnungsakten der Stadt aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Beilagen zur Stadtrechnung 1825/1826. Im Gegenzug erhielt das Pfarrarchiv zehn Bände Kirchenkonventsprotokolle (Nr. 49-51, 54-59 und 61). Der Bestand des Stadtarchivs befindet sich mittlerweile unter der Signatur A 573 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Dort befindet sich unter der Bestandssignatur A 573 a auch der neuere Teil des Stadtarchivs Wildberg, der die Jahre 1795-1961 umfaßt.
Das evangelische Pfarrarchiv Wildberg umfaßt insgesamt 422 Archivalieneinheiten mit ca. 8 laufenden Metern. Darunter befinden sich 3 Urkunden, 113 Nummern Bände, 138 Nummern Akten und 168 Nummern Rechnungen Das Archiv wird im Landeskirchlichen Sprengelarchiv Tübingen verwahrt [inzwischen befindet es sich im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart]. Der Bestand wurde in die Gruppen Urkunden, Bände, Akten und Rechnungen untergliedert. Bei den Akten wurden zwei Abteilungen unterschieden, die ältere umfaßt die Aktenschicht vor, die neuere die nach der Einführung einer Registraturordnung für Pfarrämter 1901.
Die Tatsache, daß Wildberg Sitz des Dekanats war, spiegelt sich nur noch in einzelnen Archivalien wider, die Unterlagen des ehemaligen Dekanatamts befinden sich im Bestand des Dekanatsarchivs Nagold im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart. Zwar ist an dem Bestand des Pfarrarchivs die Bedeutung des Stadtpfarramts erkennbar, gleichzeitig muß aber auch, wie beim Stadtarchiv, von Verlusten ausgegangen werden. Beispielsweise galt eine noch 1891 im Rathaus befindliche Kiste mit 40 Pergamenturkunden drei Jahre später schon als verschollen. Zehn Pergamenturkunden, die 1904/1905 bei einer Verzeichnung des Stadtarchivs vorhanden waren, fehlten bei der Übernahme des Bestandes durch das Staatsarchiv Ludwigsburg.
Als Besonderheit des Pfarrarchivs sind neben den drei Pergamenturkunden die Rechnungen der Cleßschen Schulstiftung (Stiftung des Wildberger Dekans David Jonathan Gleß) zu nennen. Das Archiv dokumentiert neben der örtlichen Kirchengeschichte auch die Tätigkeit einzelner Pfarrer. Beispielhaft seien hier zwei Pfarrer erwähnt: Karl Georg Haldenwang (1803-1862) war in vielen Bereichen der sozialen Fürsorge unermüdlich tätig und begründete eine ganze Reihe von Einrichtungen im Ort. Herausragend war dabei die Errichtung der ersten Anstalt für geistig behinderte Kinder in Deutschland. Immanuel Völter (1867-1957), der sich auch große Verdienste um das Stadtarchiv erwarb, war Generalsekretär des evangelisch-sozialen Kongresses in Berlin und Herausgeber der Württembergischen evangelischen Arbeiterzeitung.
Stuttgart 2000
Harald Müller-Baur
[1] Walter Grube/Walter Bürkle: Das Archiv von Stadt und Amt Wildberg (Württembergische Archivinventare, 23. Heft, hrsg. von der Württembergischen Archivdirektion), Stuttgart 1952.

Reference number of holding
G 202
Extent
8 lfd. m

Context
Landeskirchliches Archiv Stuttgart (Archivtektonik) >> G - Pfarrarchive >> Orte mit W

Indexentry place
Wildberg, Landkreis Calw

Date of creation of holding
1535-1993

Other object pages
Provenance
Evangelisches Pfarramt Wildberg
Last update
11.08.2025, 11:05 AM CEST

Data provider

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1535-1993

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