Collection article | Conference paper | Konferenzbeitrag | Sammelwerksbeitrag

Mythos "Kleine Welt"? Eine konstruktive Kritik an der Konzeption und Methodologie der Small World-Forschung

"Die 'Small World' (SW)-Forschung ist den meisten unter dem Begriff 'six degress of separation' bekannt. Sie beschäftigt sich mit Netzwerken, die sowohl eine hohe Clusterung der Akteure als auch relativ kurze Verbindungspfade zwischen zwei beliebigen Akteuren im Netzwerk aufweisen. Sie kann grob in zwei Phasen eingeteilt werden: experimentelle Studien vornehmlich aus den 1970er und 1980er Jahren und Versuche, SW-Netzwerke mathematisch zu modellieren seit den späten 1990er Jahren. Der experimentelle Forschungszweig wurde ursprünglich als sozialwissenschaftliches Projekt gestartet (Milgram 1967, 1969). Die jüngere SW-Forschung präsentiert sich jedoch explizit als interdisziplinäres Projekt (Watts 2004). Während die Anwendung in den Naturwissenschaften meist leicht greifbar ist (z.B. Verbreitung von Viren), ist die SW-Forschung im Hinblick auf sozialwissenschaftliche Fragestellungen, in denen SW-Prozesse häufig durch Brief- oder ähnliche Kommunikationsketten operationalisiert werden, durch konzeptionelle Unklarheiten sowie methodische Probleme gekennzeichnet. In konzeptioneller Hinsicht ist zu beachten, dass folgende Aspekte nur unzureichend thematisiert bzw. empirisch untersucht worden sind: 1. die den Netzwerkverbindungen zugrundeliegenden Inhalte/ Mechanismen, 2. die Faktoren, die dazu beitragen, dass Ketten unterbrochen werden, 3. die Rolle von Anreizen für Netzwerkmitglieder, Information oder Ressourcen weiterzureichen, 4. der Unterschied zwischen Diffusion und gezielten Suchprozessen. Die SW-Forschung knüpft nur teilweise an bereits bekannte Konzepte der übrigen Netzwerkforschung an. Eine Integration mit bestehenden Konzepten könnte einige der konzeptionellen Unklarheiten beseitigen. Zu den Methoden ist anzumerken, dass alle Experimentalstudien mindestens einen der folgenden Schwachpunkte aufweisen: 1. kleine Stichproben, 2. Stichprobenbias oder 3. einen sehr geringen Anteil an Ketten, in denen die Zielperson erreicht wurde. Unter Berücksichtigung abgebrochener Ketten hat White (1970) mit einem Modell außerdem gezeigt, dass die in der Population vermuteten Kommunikationsketten länger sein dürften, als bis dahin angenommen. Im Vortrag wird der Verfasser die Ergebnisse einer Survivalanalyse als Metaanalyse vorstellen, mit der er die Medianlängen der Ketten bestimmt hat und Schätzungen zur Zuverlässigkeit der Daten abgeben kann. Angesichts der konzeptionellen und methodischen Kritik ist das Vorherrschen sozialer SW-Netzwerke und ihre Relevanz für soziale Akteure fragwürdig. Der heute weiterverbreitete und durch die frühe SW-Forschung inspirierte Glaube an die 'six degrees of separation' basiert auf einem Mythos. Die sechs Grade sind kein allgemeines Kennzeichen der Sozialstruktur. In dem Vortrag schlägt er vor, in welche Bereiche sich die SW-Forschung sinnvoll weiterentwickeln kann. Für die empirische Forschung ergeben sich Ideen zur Elitenforschung sowie zur Erforschung organisationeller Effizienz, der Sozialstruktur im Allgemeinen und der Strategien einzelner Akteure. Für die analytischen Studien wird auf bisher ausgelassene Parameter verwiesen, deren Implementation in mathematischen Modellen die Relevanz für sozialwissenschaftliche Anwendungen steigern könnte." (Autorenreferat)

Mythos "Kleine Welt"? Eine konstruktive Kritik an der Konzeption und Methodologie der Small World-Forschung

Urheber*in: Schnettler, Sebastian

Free access - no reuse

Alternative title
The myth of the "small world"? Constructive criticism of the concept and methodology of small world research
ISBN
978-3-593-38440-5
Extent
Seite(n): 798-817
Language
Deutsch
Notes
Status: Veröffentlichungsversion; begutachtet
33. Kongress "Die Natur der Gesellschaft". Kassel, 2006

Bibliographic citation
Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2

Subject
Soziologie, Anthropologie
Allgemeine Soziologie, Makrosoziologie, spezielle Theorien und Schulen, Entwicklung und Geschichte der Soziologie
Brief
Effizienz
Akteur
politische Elite
Methodologie
Kommunikation
Kritik
Netzwerk
Eliteforschung
Anwendung
Strategie
Netzwerkanalyse
soziale Beziehungen
Mythos
Sozialstruktur
Sozialwissenschaft
Netzwerkgesellschaft
Forschungsansatz
Konzeption
Naturwissenschaft
Analyse
Grundlagenforschung
Dokumentation

Event
Geistige Schöpfung
(who)
Schnettler, Sebastian
Event
Herstellung
(who)
Rehberg, Karl-Siegbert
Event
Veröffentlichung
(who)
Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Campus Verl.
(where)
Deutschland, Frankfurt am Main
(when)
2008

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-153079
Rights
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Last update
21.06.2024, 4:27 PM CEST

Data provider

This object is provided by:
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Sammelwerksbeitrag
  • Konferenzbeitrag

Associated

  • Schnettler, Sebastian
  • Rehberg, Karl-Siegbert
  • Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
  • Campus Verl.

Time of origin

  • 2008

Other Objects (12)