Archivalie
Liebe, gute Darya, Ist es denn möglich-...
Seite 4 (halbiertes Blatt): Zeichnung von 3 unterschiedlich großen Köpfen.
Transkription: Stuttgart 15 Juli 1914 Liebe, gute Darya, Ist denn möglich - Du musst deinen Brief zur selben Zeit geschrieben haben wie ich den meinen. Ja; du schreibst es ja sogar: um Mitter- nacht; am anderen Tag lasse ich ihm durch den Jungen auf die Post bringen, in dem Gefühl, er muss jetzt fort. Ich hätte ihm auch selbst besorgen können, später, wo ich ausgegangen wäre. Dein Brief trägt den Poststempel 14.7.14. 7-8 nachmittag. Sich auf meinem nach. Es wird stimmen- Aber weiter! acuh der Inhalt hat Ge- meinsamkeiten. Ich schreibe von meiner Malerei als einem Gegensatz zu van Gogh; daß ich ein Ideal erstrebe. Wenn ich Häuser male, werden es Klöster, Kirchen; wenn ich Köpfe, Menschen male, sind es Heilige, Nonnen. Ein Freund nannte mich: einen gesichte erfüllten Asketen. Du schreibst von schweigsamen Schwestern in schwarzen Gewändern u weissen Hauben u fragst, ob ich mich als geistigen Asketen fühle. - ich sende Dir die Photografien nach meinen Kölner Bildern. Du wirst Deine schweig- samen Schwestern darauf finden. Es ist mit meinen Bildern so: (ich schätze übri- gens die Kölner Bilder nicht so sehr; sie müssten un großer Hast gemalt werden u sind in der Gestaltung nicht so rein wie meine Atelierbilder; diese sind auch ab- straktwe als die Kölner, bei denen die Legende [...] werden müsste. Auf der Rückseite findest du die Titel.) In meinen Bildern möchte ich meinen besseren Teil retten: die schöne Seele. Von ihnen halte ich alles weltliche, sinnliche fern. Sie sollen rein sein, nie sind mir die Stufen zu meinem Ideal; gebannte Gesichter, in seltenen, lücklichen Stunden gebannt. Im Grunde war auch van Gogh ein Asket. Askese = verfeinerte Sinnlich- keit. - Ich habe mich jetzt tief in das Leben getaucht u es folgen schöne, friedliche Stunden der Arbeit. Das Mädchen ist heute abgereist nach München, Sie hat mich bestohlen u betrogen. Es sollte mich nicht wundern wenn sie auf die Straße geht. Sie sagte, daß sie das tue, wenn ich sie verstoße. Ich glaube wirklich daß sie es tut, tun muß, ihrer ganzen Wesen nach. Sie sagte, ich hätte sie verdorben, u ich erwiderte daß ich nur ihre Entwicklung beschleunigt hätte. Ich ging vom Bahnhof nach Hause in glücklicher Stimmung, frei. - Es konnte mir nichts Lieberes begegnen als Dein Brief. Es musste eben heute kommen. Schreibe mir wann Du kommst oder wenn es nicht bald wäre, schreibe mir was Du erlebst. Schade daß ich die liebe kleine Lola nicht sehen kann. Grüsse auch Helena. Ich denke oft vergeblich darüber nach wie Du gekleidet sein könntest. Ob es noch der große Strohhut ist, der mir von einem Ab- schied in Erinnerung ist. - Ich bereite mich, Dich zu empfangen. Ich grüsse Dich herzlich Oskar Sende bitte die Photogr. bald zurück u, gut eingeschlagen.
- Collection
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Archiv Oskar Schlemmer
- Inventory number
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AOS 2013/1,17
- Material/Technique
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Papier; Tinte
- Event
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Herstellung
- (who)
- Provenance
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Abschrift vorhanden; Kasten 122 Mappe 10
- Rights
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Staatsgalerie Stuttgart
- Last update
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28.03.2025, 12:10 PM CET
Data provider
Staatsgalerie Stuttgart. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Archivalie
Associated
- Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
- Dora Yekimovsky (1890 - 1972)