Bestand

A 70 Registratur von 1857, 19. Jahrhundert (Bestand)

Form und Inhalt: Der Bestand A70 enthält die überlieferten Akten und Bände der städtischen Registratur aus dem 19. Jahrhundert. Er stellt damit im Stadtarchiv die Registraturschicht zwischen den Beständen A20, A25, A30 (Bände und Akten von Stadt/Amt Tübingen vor 1806) und dem Bestand A150 (Flattich-Registratur ,1900-1952) dar. Die Laufzeit der Archivalien liegt schwerpunktmäßig zwischen 1800 und 1900. Dennoch beginnen einzelne Akten bereits im 16. bzw. 17. Jahrhundert. Einige Rechnungsserien reichen bis ins Jahr 1936. Der Bestand umfasst 75 laufende Regalmeter bzw. 2989 Archivalieneinheiten und ist im Magazin Rathausgasse untergebracht.
Bestandsgeschichte
Die Geschichte des Bestandes beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts. Vor dem Umzug der Polizei ins Hintergebäude des Rathauses, mussten alle Akten aus den dort vorhandenen Registraturkammern auf den Rathausdachboden hinauf und später wieder in neue Kammern heruntergeschafft werden. Dadurch geriet die Registratur noch mehr in Unordnung. Ratsschreiber Hornung schilderte am 21. April 1852 den Gemeindekollegien, sie sei „weder nach dem Alphabet noch systematisch eingerichtet und das Actensuchen in jeder Beziehung erschwert, umso mehr als man oft in fünf sechs Zimmern und Kästen stieren muss, bis man endlich so glüklich ist, zu finden was man sucht.“ [A 70, Nr. 191] Daraufhin beauftragte der Gemeinderat Polizeiamtmann Hiller und Ratsschreiber Hornung, Vorschläge hinsichtlich der Einrichtung einer Registratur zu machen. Im Juli 1852 legten die beiden Beamten einen Registraturplan vor, der die Akten in die fünf Hauptgruppen
A. Regiminalverwaltung
B. Polizeiverwaltung
C. Ökonomische Verwaltung der Gemeinde
D. Ökonomische Verwaltung der Stiftungen
E. Justizverwaltung
einteilte. Außerdem erschien es ihnen am zweckmäßigsten, einen Mann eigens für die Ordnungsarbeiten anzustellen, der die dafür erforderlichen Kenntnisse besitzen sowie mit den Tübinger Gemeindeverhältnissen vertraut sein sollte. Als Belohnung für die „nicht nur sehr mühevolle, sondern auch mit viel Unlust und Beschwerlichkeit verknüpfte Arbeit“ hielten sie ein „anständiges“ Taggeld von 1 Gulden 45 Kreuzer angemessen. [A 70, Nr. 191]
Im Februar des darauf folgenden Jahres erschien eine Stellenanzeige im Schwäbischen Merkur. Commissär Blaicher aus Reutlingen erhielt den Posten, jedoch endete das Arbeitsverhältnis bald und hatte sogar noch ein Nachspiel vor dem Oberamtsgericht. Die Tätigkeit setzte dann Güterbuchkommissär Eisele fort, bis Ende März 1854 eine weitere Stellenanzeige im Schwäbischen Merkur erschien. Nun übernahm der Tübinger Reallehrer Dr. Ludwig Schmid die Einrichtung der Registratur, welcher über die Pfalzgrafen von Tübingen promoviert hatte. Doch auch er sollte scheitern, obwohl zeitweise noch zwei Gehilfen für ihn arbeiteten. Schmid erkrankte überdies an einem „Kopfleiden“ und sah sich genötigt, 1855 einen sechswöchigen Kururlaub anzutreten. Eine Untersuchungskommission legte im Juni 1856 zahlreiche Mängel in den bereits durchgeführten Ordnungsarbeiten offen.
Schließlich wurde Stadtpfleger Schilling mit der Einrichtung der Registratur betraut. Nach der Beschriftung und Aufstellung der verbliebenen Akten und Bände [Einige Akten wurden ausgeschieden durch Kassation oder Abgabe an andere Institutionen, siehe A 70, Nr. 3420], begann er im September 1857 mit der Reinschrift eines Repertoriums. Dieses Repertorium, das heute eher als Registraturplan zu bezeichnen wäre, bestand aus drei Bänden. Im ersten Band waren die Hauptgruppen A, C, D, E und im zweiten Band die Hauptgruppe B aufgeführt. [Das Repertorium zu Hauptgruppe B ist nicht überliefert; es existiert aber ein Konzept in A 70, Nr. 3420.] Der dritte Band enthielt den alphabetischen Sachindex, der nachträglich auf Anordnung des Oberamts gefertigt wurde. Am 29. Januar 1858 gab Oberamtmann Kolb das dreibändige Werk an das Stadtschultheißenamt mit der Weisung zurück, dasselbe „nun dem Rathsschreiber zu übergeben und demselben zu eröffnen, dass er nach § 20 des Verwaltungs-Edicts die Registratur nun zu erhalten habe und dass, wenn dieß nicht geschehen würde, dieselbe seiner Zeit auf seine Kosten hergestellt werden müsste.“ [A 70, Nr. 3420]
Die Akten waren nun in vorgedruckte und je nach Hauptabteilung verschieden farbige Umschlagbögen verpackt. Außerdem trugen sie alle, handschriftlich ergänzt, die Signaturen und Lokaturen des Registraturplans. Auch auf den Bänden befand sich ein vorgedrucktes Rückenschild. Bis spätestens 1908, als für die Registratur neue Regale statt der Kästen beschafft wurden, waren die Lokaturen nach dem Schillingschen Repertorium noch in Gebrauch. Danach wurden neue Signaturen eingeführt, die später wiederum durch das Nummernsystem der Flattich-Registratur ersetzt wurden [vgl. Vorwort zum Bestand A 150]. Im Rahmen der Registraturumstellungen gelangten die nicht mehr benötigten Akten ins Archiv, d.h. in die ungeeignetsten Räume im Keller und auf dem Dachboden des Rathauses. Die ursprünglich vorhandene Ordnung nach dem Schillingschen Repertorium wurde dabei achtlos aufgegeben.
Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten
Der Bestand A 70 ist ein im Stadtarchiv gebildeter Bestand. Er wurde nach und nach anhand der auf den Akten angegebenen Signaturen und Lokaturen des Schillingschen Registraturplans reorganisiert. Dabei wurde die alte Klassifikation mit allen ihren Ungereimtheiten und Schwächen (Wechsel von römischen und arabischen Zahlen bzw. Groß- und Kleinbuchstaben etc.) beibehalten.
Die Stadtarchivare Jürgen Sydow und Udo Rauch waren die ersten, welche die Archivalien des 19. Jahrhunderts in einer Findkartei grob erfassten. 1989 enstand dann mit Hilfe des Personalcomputers ein erstes, vorläufiges Findbuch, welches im darauf folgenden Jahr durch ein zweites ersetzt wurde. In dieser Ausgabe waren bereits alle aus der Flattich-Registratur ausgeschiedenen Akten aufgenommen, deren Laufzeit vor 1900 endete. Der Stand der Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten war dennoch nicht ausreichend und zufriedenstellend.
Eine komplette Überarbeitung des Bestandes erfolgte deshalb zwischen Februar 1992 und März 1995. Die nur kursorischen Titelaufnahmen wurden der Reihe nach neu verzeichnet und durch ausführliche Enthält- und Darin- Vermerke erschlossen. Die Zahl der Aktentitel erfuhr dadurch nochmals einen Zuwachs. Durch die Verzeichnung wurde u.a. das Konzept des Registraturplans zur Polizeiverwaltung (Abt. B) aufgefunden, so dass sich auch die alte Ordnung der Polizeiakten weitgehend wiederherstellen ließ.
Der Bestand enthält jedoch nur noch einen Teil der Akten und Bände, die einst im Schillingschen Repertorium enthalten waren. Dabei müssen nicht alle Archivalien zwangsläufig als verloren gelten, welche heute nicht zum Bestand A 70 gehören. Die Lücken sind auf vielfältige Ursachen zurückzuführen:
- Akten und Bände vor 1806 sind in den Beständen A20, A25 und A 30 eingereiht. Diese Bestandsbildung war eine Ordnungsmaßnahme des ersten Stadtarchivars in den 1950er Jahren. Der Registraturschnitt mit dem Jahr 1806 ist völlig künstlich geschaffen.
- Die Archivalien der Hauptgruppe D (Stiftungsverwaltung) sind in den Beständen B 25 und B 30 zu suchen, da sie schon im 19. Jahrhundert mit der Registratur des Tübinger Hospitals vermischt wurden.
- Einige besonders umfangreiche Archivaliengruppen erhielten eigene Bestandsnummern: Bürgermeister- bzw. Gemeindepflegrechnungen (Bestand A72), Stadtgerichts- bzw. Gemeinderatsprotokolle (A75), Inventuren und Teilungen (A80, A84, A 86 und A90) und Pflegrechnungen (A100 und A105). Zu beachten ist, dass die Bandserien in diesen Beständen 1807 beginnen. Die Bände zeitlich davor sind in A 20 aufgenommen.
- Akten, die im 19. Jahrhundert angelegt wurden und nach 1900 weiteren Zuwachs erhielten, befinden sich in der Regel in der Flattich-Registratur (Bestand A150).
- Durch Wechsel der Zuständigkeiten innerhalb der Verwaltung kann es zu entsprechenden Aktenübergaben gekommen sein. So gelangten vermutlich später einige Akten der Armenpolizei (B.I) in die Hospitalregistratur.
- Durch Verstaatlichung von städtischen Aufgabenbereichen sind möglicherweise Akten an das Oberamt/Landratsamt oder staatliche Behörden abgegeben worden.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass der Bestand nach dem Bärschen Prinzip verzeichnet wurde. Die Reihenfolge der Akten im Magazin stimmt nicht mit der im vorliegenden Findbuch überein. Die Nummernfolge im Magazin ist aufgrund von Aktenzuweisungen an andere Bestände nicht fortlaufend.
Tübingen, im Oktober 2001
Antje Zacharias

Bestandssignatur
A 70
Umfang
75 lfd. m

Kontext
Stadtarchiv Tübingen (Archivtektonik) >> A: Stadt Tübingen

Bestandslaufzeit
1641-1938

Weitere Objektseiten
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Letzte Aktualisierung
29.04.2025, 08:21 MESZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Stadtarchiv Tübingen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1641-1938

Ähnliche Objekte (12)