Fotografie
Porträt von Marie Madeleine Lefort
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Schwarz-Weiß-Fotografie der frontal porträtierten Marie Madeleine Lefort vor einem neutralen Hintergrund. Sie ist vom Kopf bis zur Hüfte sichtbar, trägt ein helles, ärmelloses Kleid und einen Federschmuck an einer Krone in ihrem Haar. Die Hände hält sie hinter ihrem Rücken. Sie wurde frontal porträtiert und sieht die Betrachtenden direkt an.
Kontext:
Marie Madeleine Lefort (1899–1864) soll mit einem Agenten (Impressario) durch Europa gereist sein, wo sie als sog. „Bartfrau“ auftrat. Nachdem es viele Spekulationen um ihre Geschlechtszugehörigkeit gegeben hatte, sei nach ihrem Tod eine Sektion im Pariser Hôtel Dieu durchgeführt worden, in der man ihre weibliche Geschlechtszugehörigkeit festgestellt habe (vgl. Hirschfeld, Magnus (1913): Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Max Spohr, Text vor Tafel XIV). In anderen Quellen wird sie als „Zwitter“ bezeichnet und behauptet, dass sie als Mann gelebt habe (vgl. Kossmann, R. und Weiß, J. (1900): Mann und Weib. Ihre Beziehungen zueinander und zum Kulturleben der Gegenwart, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Band 2, S. 333).
Porträts wie das von Marie Madeleine Lefort wurden in der zeitgenössischen Literatur der frühen Sexualwissenschaft zumeist im Kontext sog. „Bartfrauen“ bzw. „Bartdamen“ abgebildet. Auch Magnus Hirschfeld, Sexualwissenschaftler und Sexualreformer, nutzte Abbildungen von „bärtigen Frauen“ u. a. in seiner Publikation „Geschlechtsübergänge“ im Kapitel „Androtrichie. Feminae barbatae“. Dort schreibt er: „Zu den häufigsten und augenfälligsten Geschlechtsübergängen gehören die der Behaarung, einem […] besonders wichtigen sekundären Geschlechtscharakter.
Um sich von der Häufigkeit des ‚Frauenbartes‘ eine Vorstellung zu machen, ist es nur nötig, die Annoncenteile der Zeitungen zu durchsehen. Ich sammelte einige Wochen die Inserate, in denen die Entfernung weiblicher Barte mittelst Elektrolyse, Enthaarungswassern, Depilatorien und anderen Methoden angepriesen wird und fand, daß sich in Berlin Dutzende von Personen diesem anscheinend recht einträglichen Erwerbszweig widmen.“ (vgl. Hirschfeld, Magnus (1913): Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Max Spohr, Text vor Tafel XIV)
Bilder von „Frauen mit Bärten“ waren auch Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“, die für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern.
Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.
Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
- Location
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Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Berlin
- Collection
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Fotografische Sammlung des ehemaligen Instituts für Sexualwissenschaft
- Inventory number
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FSIFS-094_a
- Inscription/Labeling
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Bildunterschrift in Hirschfeld: Geschlechtsübergänge: Androtrichie (feminae barbatae).
Bildunterschrift in Levy-Lenz: Hexenkessel der Liebe: Ein 1799 geborenes Mädchen – als solches bei der 1864 in Paris erfolgten Sektion festgestellt – das fünfzig Jahre lang von einem Impressario durch ganz Europa geschleppt und lebhaft besprochen wurde
- Related object and literature
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Hirschfeld, Magnus, 1913: Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Leipzig, Text vor Tafel XIV
- Subject (what)
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Sexualdimorphismus
Zeichnung
Schaustellung
Weiblicher Körper
Medikalisierung
Hirsutismus
- Event
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Gebrauch
- (where)
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Berlin-Tiergarten
- (when)
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1919-1933
- (description)
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Besessen
- Event
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Verlust
- (where)
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Berlin
- (when)
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1933
- (description)
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Verschollen
- Event
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Veröffentlichung
- (where)
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Leipzig
- (when)
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1913
- (description)
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Veröffentlicht
- Event
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Veröffentlichung
- (where)
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Leipzig
- (when)
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1931
- (description)
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Veröffentlicht
- Other object pages
- Sponsorship
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Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin
- Rights
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Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft
- Last update
-
22.05.2025, 3:30 PM CEST
Data provider
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Object type
- Fotografie
Associated
Time of origin
- 1919-1933
- 1933
- 1913
- 1931