Bestand

Reichsstatthalter in Lippe und Schaumburg-Lippe (Bestand)

Dienstbetrieb des Reichsstatthalterbüros 1933-1945 (38); Reich und Partei 1933-1942 (68); Lippe (1915) 1933-1945 (85); Schaumburg-Lippe 1933-1941 (13); Staatsminister 1933-1942 (15).

Bestandsgeschichte: 1933 Amt des Reichsstatthalters errichtet; daneben bestand die Lippische Landesregierung (Staatsminister) fort, deren Leitung von 1936-1945 der Reichstatthalter wahrnahm.

Form und Inhalt: Der vorliegende Bestand umfasst 223 Verzeichnungseinheiten mit einer Laufzeit von 1933-1945 und kam bald nach dem 2. Weltkrieg, im November des Jahres 1945, in das damalige Lippische Landesarchiv zu Detmold.

Mit dem ”Zweiten Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 7. April 1933 wurde das Amt des Reichsstatthalters in den Ländern geschaffen. Die Reichsstatthalter waren in der kurzen Phase der ”Machtergreifung“ mit quasi-diktatorischen Vollmachten ausgestattete Kontrollinstanzen der von ihnen eingesetzten, gleichgeschalteten, nationalsozialistisch-dominierten Landesregierungen und nur Hitler unterstellt. Sie waren seine ”Unterführer“ in den Ländern. Bereits mit dem ”Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934 verlor das Reichsstatthalteramt an Bedeutung. Die Macht- und Rechtsverhältnisse wurden zu Gunsten der Zentralinstanzen in Berlin und gegen die Landesregierungen bzw. die Reichsstatthalter verschoben. Mit dem Reichsstatthaltergesetz vom 30. Januar 1935 wurden die Reichsstatthalter nur noch Instanzen der Reichsregierung im Sinne einer Reichsmittelbehörde; zudem erhielt ihre Stellung einen zunehmend repräsentativen Charakter.

Durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg wurde der Gauleiter des Gaues Westfalen-Nord, mit Sitz in Münster, Dr. Alfred Meyer, am 16. Mai 1933 auf Vorschlag Hitlers zum Reichsstatthalter der beiden kleinsten Reichsländer, Lippe und Schaumburg-Lippe ernannt. Eine Woche später, am 23. Mai, setzte er in seiner Eigenschaft als Reichsstatthalter einen Mann seines besonderen Vertrauens, den Dipl.-Landwirt und Gauinspekteur Hans-Joachim Riecke, mit dem antiquierten Titel ”Staatsminister“ an die Spitze der lippischen Landesregierung. Dieser war Meyer direkt unterstellt. Rieckes ehrenamtlicher Stellvertreter als Chef der Landesregierung wurde der Detmolder NSDAP-Kreisleiter, der Lagenser Malermeister Adolf Wedderwille.

Da die Machtpositionen und -befugnisse der Reichsstatthalter in der Verwaltung in den Jahren nach 1933 zunehmend erodierten, ohne dass das Amt trotz seines augenscheinlichen Bedeutungsverlustes aufgehoben wurde, strebte auch Meyer - wie andere seiner Kollegen - danach, Verwaltungs- und Regierungspositionen in seiner Hand zu vereinigen. So wurde er nach Rieckes Weggang in das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft zum 1. Februar 1936 durch Führererlass auch zum ”Chef der Lippischen Landesregierung“ ernannt. Am 17. November 1938 wurde er Oberpräsident der Provinz Westfalen zu Münster. Zudem wurde er noch im November des Jahres 1941 stellvertretender Minister im neugeschaffenen Ministerium für die besetzten Ostgebiete unter Alfred Rosenberg und ab dem 29. Mai 1940 von Hitler mit der Führung der Geschäfte eines Reichsverteidigungskommissars betraut.

Meyer weilte nur gelegentlich in seiner Eigenschaft als Reichsstatthalter für beide Lippe in Detmold. Münster blieb sein Amtssitz. Meyers Mann vor Ort und ”Kontrolleur“ der Detmolder Regierungsarbeit mit Sitz im kleinen, nur 3-4 Mitarbeiter/innen umfassenden Reichsstatthalterbüro, das 1937 nach Heiligenkirchen auf die Friedrichshöhe verlegt wurde, war von 1933-1943 Regierungsrat Karl Wolf.

Auch in seiner Rolle als Chef der Lippischen Landesregierung kam Meyer nur selten an seinen neuen Amtssitz. Mit Wedderwille, der nach Rieckes Versetzung hauptamtlicher stellvertretender lippischer Regierungschef wurde und in Rieckes vormaligem Dienstzimmer residierte, hatte er einen zuverlässigen ”Statthalter“ im Lipperland in Partei und Landeserwaltung. Meyers Hauptbetätigungsfelder und Machtpositionen lagen in Münster und Berlin und nicht in der kleinen Residenzstadt am Teutoburger Wald. So wurde sein treuer Paladin Adolf Wedderwille allmählich, vor allem aber im Kriege mit seiner Doppelrolle faktisch zum mächtigsten Mann in ganz Lippe. Seit Februar 1936 ergingen die lippischen Gesetze und Verordnungen unter der Bezeichnung: ”Der Reichsstatthalter in Lippe und Schaumburg-Lippe (Landesregierung Lippe)“ und wurden gezeichnet entweder vom Reichstatthalter Dr. Meyer selbst oder ”In Vertretung Wedderwille“. Bis zum April 1945 wurde Lippe in dieser Form regiert.

Aus dem Vorgenannten wird deutlich, dass es zu gewissen Vermischungen und Überschneidungen in der Registratur des Reichstatthalterbüros kommen konnte, ja kommen musste. Manches Schrift- oder Aktenstück wäre in der Registratur des Staatsministers oder in der des NSDAP-Kreisleiters inhaltlich und formal besser aufgehoben gewesen. Auch war manchem Petenten sicherlich nicht klar, ob er Meyer nun in dessen Eigenschaft als Gauleiter, Reichsstatthalter oder Chef der Landesregierung anschrieb/anschreiben sollte. So wurde die vorarchivische Ordnung weitgehend beibehalten und vor allem keine Bestandsbereinigung vom Unterzeichner unternommen (z.B. beim Gliederungspunkt 5 ”Staatsminister“).

Für die Erforschung der lippischen NS-Zeit sind daher auch und vor allem die Bestände L 80.03 (Staatsminister) und L 113 (NSDAP und NS-Organisationen in Lippe) sowie die L 80-Bestände allgemein zu konsultieren.

Es ist nach Bestellnr. zu zitieren: L 76 Nr...


Literatur:
Andreas Ruppert und Hansjörg Riechert, Herrschaft und Akzeptanz. Der Nationalsozialismus in Lippe während der Kriegsjahre. Analyse und Dokumentation, Opladen 1998.

Hans-Jürgen Sengotta, Der Reichsstatthalter in Lippe 1933 bis 1939. Reichsrechtliche Bestimmungen und politische Praxis, Detmold 1976.

Andreas Ruppert. Der Kreisleiter in Lippe. Zur Funktion einer Mittelinstanz der NSDAP zwischen Ortsgruppen und Gau., in. Lipp. Mitt. 60 (1991), S. 199-229.

Heinz-Jürgen Priamus, Alfred Meyer - Biographische Skizze eines NS-Täters, in: Nationalsozialismus in Detmold, bearb. v. Hermann Niebuhr und Andreas Ruppert, Detmold 1998, S. 42-79.

Detmold, im Juli 2003





(Bender)

Bestandssignatur
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Abteilung Ostwestfalen-Lippe, L 76
Umfang
68 Kartons = 223 Archivbände (1915) 1933-1945. - Findbuch: L 76.
Sprache der Unterlagen
German

Kontext
Landesarchiv NRW Abteilung Ostwestfalen-Lippe (Archivtektonik) >> 1. Landesarchiv NRW Abteilung Ostwestfalen-Lippe >> 1.1. Land Lippe (bis 1947) >> 1.1.2. Verwaltung, Justiz >> 1.1.2.2. Allgemeine und innere Verwaltung >> 1.1.2.2.1. Zentrale Verwaltung

Bestandslaufzeit
(1915) 1933-1945

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Letzte Aktualisierung
16.02.2024, 07:56 MEZ

Objekttyp


  • Bestand

Entstanden


  • (1915) 1933-1945

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