„Recht und Digitalisierung – Wo steht die DDB?“ – Eine Zusammenfassung

„Recht und Digitalisierung – Wo steht die DDB?“ – Eine Zusammenfassung

22.10.2014

 

 

Rundgespräch auf der Frankfurter Buchmesse 2014

Auf der Frankfurter Buchmesse 2014 hat die Deutsche Digitale Bibliothek ein Rundgespräch zum Thema Recht und Digitalisierung organisiert, welches die Herausforderungen thematisierte, die sich aus der Digitalisierung und Zugänglichmachung kultureller Güter ergeben – für die Kultureinrichtungen ebenso wie für die Nutzer.

Die Gesprächsrunde wurde von Astrid B. Müller moderiert, Leiterin Kommunikation der Deutschen Digitalen Bibliothek, im Gespräch mit DDB-Geschäftsführer Frank Frischmuth, der stellvertretenden Geschäftsführerin Ellen Euler, dem Anwalt Paul Klimpel (iRights-law), Gisela Schulte Dornberg (d:kult) und Ute Schwens (Deutsche Nationalbibliothek).

Erörtert wurde nicht nur die schwierige Einzelfallklärung für Kultureinrichtungen bei der Massendigitalisierung in Deutschland, sondern auch internationale Lösungsansätze, neue EU-Richtlinien zu vergriffenen und verwaisten Werken und die Vorteile von Creative Commons Lizenzen speziell für die Nutzer der Deutschen Digitalen Bibliothek.

Das Gespräch

 

Astrid B. Müller:

Astrid B. Müller: „Recht und Digitalisierung, zwei Schlagworte, bei denen es um die gesamten rechtlichen Rahmenbedingungen geht, mit denen sich die Deutsche Digitale Bibliothek konfrontiert sieht beim Zugänglichmachen von kulturellen Inhalten in der digitalen Welt. Genauso wie die Kooperationspartner der DDB, nämlich die Gedächtniseinrichtungen, Archive, Bibliotheken, Denkmalpflegeeinrichtungen, Mediatheken und Forschungsinstitute.

Die andere Seite dieses Spektrums ist die Digitalisierung. Das meint nicht nur den reinen technischen Akt des Umwandelns analogen Materials in digitale Inhalte, sondern den gesamten Prozess, den die Kultureinrichtungen durchlaufen müssen, um ihre Inhalte zugänglich zu machen und insofern das kulturelle Erbe auch im Netz zu bewahren. Das ist das Thema unseres heutigen Gesprächs.

Herr Frischmuth ist Geschäftsführer der Deutschen Digitalen Bibliothek und für die Verwirklichung des Auftrags zuständig, den er uns kurz erläutern wird.“

 

Frank Frischmuth

Frank Frischmuth: „Wir machen mit der DDB das kulturelle und wissenschaftliche Erbe Deutschlands über unsere Webseite, also zentral an einem Ort, zugänglich. Das Ganze ist spartenübergreifend – es ist eine Vielzahl kultureller Einrichtungen in einem Kompetenznetzwerk zusammengeschlossen, welches die DDB trägt. Wir vernetzen nicht nur die Inhalte, sondern auch die einzelnen Einrichtungen untereinander, so dass hier ein Austausch und gegenseitige Unterstützung bei der Digitalisierung erfolgen kann. Wir veranstalten eine ganze Reihe von Workshops zu dem Thema und wir sind der deutsche Partner der Europeana und aggregieren für die Zugänglichmachung bei der Europeana die Daten bei uns und leiten diese dann weiter. Mittlerweile haben wir knapp zehn Millionen Inhalte, die bei uns recherchiert werden können. Es sind 2000 Einrichtungen, die sich bei dem Projekt registriert haben und mitmachen und insgesamt liefern etwa 160 Einrichtungen regelmäßig Daten an uns.“

Astrid B. Müller: „Frau Euler, Sie sind Vertreterin des Geschäftsführers der Deutschen Digitalen Bibliothek und Urheberrechtsexpertin in verschiedenen Gremien. Wie stellen sich die rechtlichen Rahmenbedingungen, denen wir uns bei der Digitalisierung des kulturellen Erbes gegenübersehen, für die Deutsche Digitale Bibliothek dar?“

 

Ellen Euler

Ellen Euler: „Zunächst müssen unsere Kooperationspartner – die Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen Deutschlands – ihre Bestände digitalisieren und im Internet zur Verfügung stellen. Im nächsten Schritt übermitteln sie ihre Metadaten für die Vernetzung bzw. für den gemeinsamen Zugang der Deutschen Digitalen Bibliothek. Gegenwärtig sind es 160 Einrichtungen, die dies bereits für uns tun, aber es ist nur ein Bruchteil des kulturellen Erbes digitalisiert und das hat vielfältige Gründe.

Es sind vor allem rechtliche Gründe, denn der Besitz und auch das Eigentum an einem Werk berechtigt noch nicht dazu, dieses auch zu digitalisieren und im Internet zur Verfügung zu stellen. Es ist so, dass die Einrichtungen bevor sie überhaupt digitalisieren können, diese Rechte besorgen müssen. Die Rechteaufklärung ist schwierig, zeitintensiv und Massendigitalisierungsprojekte sind deswegen nur da möglich, wo Rechte gebündelt durch Dritte wahrgenommen werden können.

Das passiert in Zusammenarbeit mit den Verwertungsgesellschaften, was aber nicht immer möglich ist. Es gibt einen großen Teil von Werken, bei denen die Rechteinhaber, die Urheber, die Werkerschaffer nicht bekannt sind und auch nicht auffindbar. Denken wir an Schriftwerke, die nicht mehr über die üblichen Vertriebswege vertrieben werden. Das sind die sogenannten „verwaisten und vergriffenen Werke“, weshalb man auch von einem „Schwarzen Loch des 20. Jahrhunderts“ im Internet spricht. Jetzt hat der Gesetzgeber Anfang dieses Jahres eine EU-Richtlinie zu den verwaisten Werken umgesetzt und er hat zugleich eine Regelung zu den vergriffenen Werken geschaffen. Jetzt ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, auch die verwaisten und vergriffenen Werke zu digitalisieren und im Internet zur Verfügung zu stellen. Letzten Endes soll damit das „Schwarze Loch des 20. Jahrhunderts“ geschlossen werden.“

Astrid B. Müller: Die nächste Frage geht an Frau Schwens, als stellvertretende Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek, die immerhin zehn Millionen Medienbestände ihr eigen nennt und jedes Jahr kommen 400.000 neue Medieneinheiten in Frankfurt und Leipzig dazu. Die vergriffenen und verwaisten Werke: Es gibt eine neue gesetzliche Regelung seit Anfang dieses Jahres: Hilft die den Bibliotheken jetzt mehr zur Verfügung zu stellen und wenn ja, wie und wo?“

 

Ute Schwens

Ute Schwens: „Wenn die Grundlagen dafür geschaffen sind, wird es den Bibliotheken tatsächlich helfen, Titel, Bücher und andere Medien zu digitalisieren, die noch unter das Urheberrecht fallen, aber bei denen wir keine Informationen darüber haben, wer die Rechteinhaber sind.

Die Regelung für die verwaisten Werke, die schon am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist, verfügt, dass man eine Publikation digitalisieren darf, wenn man nach einer festgelegten, intensiven Suche den Rechteinhaber nicht findet. Dieser Titel wird dann über die Verwertungsgesellschaft dem Deutschen Patent- und Markenamt gemeldet. Somit ist kundgetan, dass der Titel digitalisiert ist und die Bibliothek das Recht dazu hatte.

Das ist von der Suche her natürlich nicht für die Massendigitalisierung geeignet und deshalb hilft den Bibliotheken noch viel mehr die Regelung für die vergriffenen Werke. Die ist am 1. April 2014 in Kraft getreten. Auch hier gibt es noch kein technisches Verfahren, aber die Idee ist, dass man die Daten bei  gängigen Buchhandelsdatenbanken wie in Deutschland dem „Verzeichnis lieferbarer Bücher“ oder verschiedene E-Book-Plattformen abgleicht. Nach Abgleich der Daten, die wir digitalisieren wollen, werden auch hier die Titel dann über die Verwertungsgesellschaft an das Deutsche Patent- und Markenamt gemeldet und es wird eine Lizenzgebühr gezahlt. Daraufhin dürfen wir diese Titel digitalisieren und dürfen sie auch, wenn im Rahmen dieses Verfahrens kein Widerspruch kommt, frei ins Internet stellen.

Das ist die Regelung, wenn die Strukturen dafür geschaffen sind, die uns als Bibliotheken sehr hilft. Ergänzen muss ich, dass diese Regelungen nicht komplett für alle Medienarten gelten, die wir in der Deutschen Digitalen Bibliothek zeigen wollen. Sie gelten im Moment vor allem für Druckerzeugnisse, jedoch so gut wie überhaupt nicht für die Archivbereich. Sie gelten in Ansätzen für den Filmbereich, aber nicht für Fotografie.“

Astrid B. Müller: „Neben den Bibliotheken gibt es die Archive, die Mediatheken, Denkmalpflegeämter, aber vor allem auch die Museen, die ihre Metadaten an die Deutsche Digitale Bibliothek weiterleiten und dort zentral zugänglich machen. Museen haben eine große Vielfalt von Objekten, die sie ihr eigen nennen. Deswegen sprechen wir nun mit Gisela Schulte-Dornberg  von d:kult. d:kult ist das "Digitale Kultur- und Kunstarchiv" der Stadt Düsseldorf und einer von dreizehn Partnern im Kompetenznetzwerk der Deutschen Digitalen Bibliothek. Dort wird eine Datenbank der Sammlungen aufgebaut, die zur Stadt Düsseldorf gehören und auch dort findet sich eine Vielzahl von verschiedenen Objekten. Wie gehen Museen mit den rechtlichen Situationen um? Nützt ihnen die Regelung?“

 

Gisela Schulte-Dornberg

Gisela Schulte-Dornberg: „Das trifft für die Museen nicht ganz zu. Bei uns ist der größte Künstler der mit dem Namen „Unbekannt“.  Zum Teil fallen diese Objekte natürlich nicht mehr unter das Urheberrecht, was dann kein Problem darstellt. Sobald aber klar wird, dass die Datierung „20. Jahrhundert“ ist, fällt es unter das Urheberrecht und dann müssten die einzelnen Museen enormen Aufwand treiben, um zu recherchieren, wer etwas hergestellt hat bzw. der Urheber ist.

Das gilt nicht nur für Kunstwerke, es gilt auch für Objekte im Museum wie Alltagsgegenstände und Designobjekte. Auch da gilt das Urheberrecht und wir müssen recherchieren. Nun gibt es manche Firmen gar nicht mehr. Teilweise gab es Modellbücher, die wurden handschriftlich geführt und mit Untergang der Firma wurden die Archive aufgelöst. Da ist praktisch kein Drankommen, wer unter Umständen Urheber eines bestimmten Objekts gewesen ist. Diesen Rechercheaufwand zu betreiben, ist im Geschäft der Museen nicht möglich. Wer eine Vorstellung davon hat, wie aufwendig Provenienzforschung ist, kann das hiermit vergleichen. Für einige wenige Fälle wird man es machen können, aber für die Masse der Objekte, bei denen wir keinen Urheber haben, ist das nicht durchführbar.“

Astrid B. Müller: „Herr Klimpel, Sie sind Anwalt, lange tätig und beraten Kulturinstitutionen und waren auch im öffentlichen Bereich tätig. Ich möchte Sie bitten, die Situation ein bisschen zu entwirren. Wieso ist das Urheberrecht so kompliziert? Müssen wir alle Experten im Urheberrecht werden, um etwas online zur Verfügung zu stellen?“

 

Paul Klimpel

Paul Klimpel: „Das Urheberrecht fußt auf dem Grundsatz, dass der Urheber eines Werkes darüber entscheiden kann, was mit diesem Werk passiert. Das ist ein Recht, was dogmatisch den Urheber ins Zentrum stellt. Und das hat lange auch recht gut funktioniert.

In der analogen Welt hatten sehr wenige Menschen damit zu tun. Es war nämlich ein Recht von Profis: von Verlegern, von Plattenlabels, von Künstlern, die sich damit beschäftigt haben, wie kulturelle Werte verwertet werden. Ein normaler Verbraucher konnte vor dreißig Jahren im Grunde kaum gegen das Urheberrecht verstoßen, weil, wie sollte er das machen?

Wenn er sich ein Buch ausgeliehen hat, war das legal, die Bibliotheken durften das. Wenn er zwei Seiten kopiert hat, war das legal, weil die Bibliotheken dafür eine Bibliothekstantieme zahlten. Wenn er eine Platte auf eine Kassette aufgenommen hat, war das legal, weil es eine Abgabe auf solche Kopiermaterialien gab, mit der das abgegolten war. Man konnte vor zwanzig Jahren als Nicht-Profi kaum gegen das Urheberrecht verstoßen.

Im Digitalen ist das viel schwieriger, weil auf einmal alles Kopie ist und damit ständig urheberrechtlich relevante Tatbestände entstehen. Die Balance, die wir im Analogen geschaffen haben, zwischen dem Recht des Urhebers, darüber zu bestimmen, was mit seinem Werk passiert und den Interessen der Allgemeinheit, ist im Digitalen noch nicht hergestellt.

Für den digitalen Bereich gilt weiterhin das Prinzip „Für jede Nutzung muss der Urheber gefragt werden“. Das überfordert die Kultureinrichtungen und alle ringen darum, wie man hier zu pragmatischen Lösungen findet. Die Verwertungsgesellschaften spielen hier eine große Rolle, auch im europäischen Ausland und werden das in Zukunft sich noch stärker tun. Im Moment sind wir diesen Weg noch nicht sehr weit gegangen, insofern muss weiterhin jeder einzelne Urheber bei jeder Nutzung gefragt werden und im Digitalen ist jede Nutzung eine Kopie und jede Nutzung damit urheberrechtlich relevant.“

Astrid B. Müller: „Einzelfallklärung, liebe Frau Schulte-Dornberg. Was sagen Sie Ihren Museen, wenn die über d:kult etwas veröffentlichen wollen? Was sagen die Ihnen dann bzw. was wünschen sich die Museen?“

Gisela Schulte-Dornberg: „Einzelfallklärung ist das, was wir aktuell machen. Das heißt mit zeitgenössischen Künstlern, die noch leben, versuchen wir eine Absprache zu treffen: Kann man die Bilder im Internet zeigen? Nur bei uns im d:kult Online-Portal oder auch in der Deutschen Digitalen Bibliothek? Das Interesse der Künstler ist durchaus vorhanden.

Aber auch in der zeitgenössischen Kunst sind nicht mehr alle unter den Lebenden, da wird es dann schwieriger. Da hat man mit Nachlassverwaltern oder Erben zu tun oder man weiß gar nicht, wer die Rechte hat. Das heißt, man müsste mit „Unbekannt“ verhandeln. Oder man hat Dinge erworben – Museen machen das häufig –  in Auktionen, von Dritten oder Schenkungen von Dritten, die selber die Nutzungsrechte gar nicht hatten. Da wird es dann ganz schwierig festzustellen, mit wem man eigentlich in Kontakt treten muss, um ein Nutzungsrecht zu bekommen, das erlaubt, dass man diese Dinge zeigt.

Was hilft, ist, dass wir vor einem Jahr mit der VG Bild-Kunst einen Pauschalvertrag für d:kult Online abgeschlossen haben. Das ist ein wunderbarer Schritt für uns, aber die Objekte sind nicht für die Deutsche Digitale Bibliothek freigegeben. Das heißt, wir können sie in unserem Portal zeigen, geben diese aber nicht weiter. Und da wir momentan nur Objekte weitergeben, wo wir auch ein Digitalisat hinter haben, bleiben die ganz außen vor.

Otto Dix wäre so ein Beispiel: Können wir in d:kult inzwischen online zeigen, sofern es denn dann digitalisiert ist, wir können es aber leider nicht weitergeben. Hier wäre die Einzelfalllösung abzulösen oder es wäre ein Fortschritt, wenn es einen entsprechenden Vertrag mit der VG Bild-Kunst gäbe. Das Beste, was man sich vorstellen kann, ist allerdings eine Änderung im Urheberrecht selber, so dass es bestimmte Ausnahmen gibt, eine Einschränkung des Urheberrechts für die Zwecke solcher Portale.“

Astrid B. Müller: „Frau Euler, was macht die Deutsche Digitale Bibliothek? Wie sind die Verhandlungen und was machen wir, um die Einrichtungen zu unterstützen und eben zu etwas anderem zu kommen als zu einer Einzelfallklärung?“

Ellen Euler: „Für bestimmte Bereiche gibt es hier gesetzliche Lösungen, Freiheiten. Es ist den Einrichtungen, den Museen möglich, bestimmte öffentlich ausgestellte Werke im Zusammenhang mit einer Ausstellung auch im Internet zu zeigen, um diese Ausstellung zu bewerben. Allerdings ist das nur ein ganz enger Bereich und nach dem Ende der Ausstellung muss diese Online-Dokumentation sofort wieder gelöscht werden. Dauerhafter Zugang ist nicht gegeben.

Eine Lösung könnte sein, die Freiheit der Gedächtnisinstitutionen auszuweiten, diese Schranke anzupassen an die Notwendigkeiten des 21. Jahrhunderts. Dazu wäre aber eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes notwendig und wir haben eine EU-Richtlinie, die enumerativ, das heißt abschließend, die Freiheiten aufzählt, die der nationale Gesetzgeber nur vorsehen darf und ein Gesamtnachweis des Bestandes, auch der Depotbestände der Gedächtnisinstitutionen, zählt nicht dazu.

Das heißt, dem nationalen Gesetzgeber sind die Hände gebunden, er kann nicht proaktiv tätig werden. Es wäre erst eine Änderung auf europäischer Ebene notwendig. Damit wir hier aber auch schnell zu pragmatischen Lösungen kommen, haben wir in der VG Bild-Kunst einen ganz tollen Partner gefunden. Die VG Bild-Kunst vertritt die Rechte der Bildurheber, der Werkerschaffer der Bildenden Kunst und sie will uns ermöglichen, die Abbildungen dieser Werke im Internet zu zeigen. Des Weiteren will sie auch die mit uns kooperierenden Einrichtungen freistellen, diese Werke im Internet zu zeigen: sowohl auf den eigenen Seiten als auch auf den Seiten der Deutschen Digitalen Bibliothek. Vorausgesetzt, dass die Gremien dieser Lösung zustimmen, können wir so schon im kommenden Jahr das „Schwarze Loch“ in Bezug auf die Werke der Bildenden Kunst schließen.“

Astrid B. Müller: „Die Museen sind dann fast vollständig im Netz, wunderbar, aber wie ist es mit den textlichen Inhalten? Was wäre, wenn die auf einmal alle zugänglich sind? Was wäre dann mit den Bibliotheken, Frau Schwens?“

Ute Schwens: „Die Besucherzahlen in Bibliotheken, sowohl öffentliche wie auch wissenschaftliche, sind höher als die der Museen, sogar höher als die Besucherzahlen der Fußballstadien. Der Besucherstrom ist extrem und wenn alles digital ist, was bedeutet das dann? Brauchen wir die Bibliotheken nicht mehr? Das glaube ich nicht.

Es wird nie so sein, dass wir ein Urheberrecht bekommen – das ist meine persönliche Meinung – so dass alles frei im Netz ist. Es gibt immer noch eine große Zahl von urhebergeschützten Materialien und die – da bin ich froh über die Schrankenregelung – sind in Bibliotheken zu nutzen, aber nicht frei übers Internet.

Die zweite Sache ist: Man braucht diesen Ort. Aus der Benutzerperspektive braucht man diesen Ort, weil diese Arbeitsumgebung, dieser Austausch zu einem Thema, diese Möglichkeit auch noch mal Hilfestellung zu bekommen, untereinander bei den Benutzern, aber auch von den Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort sind, extrem nachgefragt ist.

Ein letzter Punkt: Wir sind Fachpersonal in den Bibliotheken und wir machen mit den digitalen Inhalten, die wir in der Bibliothek haben, etwas. Wir stellen die nicht einfach nur so als Volltext online. Wir werten diese digitalen Texte aus, wir haben die Möglichkeit Metadaten automatisiert zu generieren, wir haben Möglichkeiten diese Daten in ein Netzwerk zu stellen, sie in Verbindung zu bringen mit den Informationen anderer Institutionen. Sprich: Wir bauen ein großes Informationsnetzwerk auf.

Und das machen wir nicht alleine.  Das machen auch die Museen und Archive und so kommen wir zur Deutschen Digitalen Bibliothek, die Plattform, über die man so ein Netzwerk zugänglich machen kann. Es findet jede Menge Arbeit in den Institutionen statt, und wenn es nur automatisierte Prozesse sind, die müssen aber auch erst mal entwickelt werden.

Mein Schlusssatz ist: Was natürlich auch entwickelt werden muss, ist ein Programm – wir sprechen immer von digitalisieren, digitalisieren, aber es muss natürlich auch einer bezahlen. Und so weit sind wir nämlich nicht so ganz.“

Astrid B. Müller: „Stichwort bezahlen. Ich möchte den Blick einmal aus Deutschland hinaus lenken und Paul Klimpel fragen, der international tätig ist: Wie wird Zugang möglich gemacht? Was haben andere Länder für Lösungen gefunden?“

Paul Klimpel: „Das Grundproblem, was die Übereinstimmung des Urheberrechts mit den Massenphänomenen des Digitalen angeht, das haben andere Länder auch und damit ringen andere Länder auch. Man muss allerdings sehen, dass es außerhalb Deutschlands und auch außerhalb Europas schon Beispiele gibt, wo man sehr viel weiter ist. Sehr viel weiter, wenn es darum geht massenhaft zu digitalisieren.

Ich will das jetzt nur beschreiben, nicht bewerten: In den USA sind ganze Universitätsbibliotheken digitalisiert worden mit entsprechenden Auswirkungen für Forschung, Lehre und die Arbeitsabläufe in den Universitäten. Es gibt das berühmte und umstrittene Google Books Projekt, es gibt aber auch noch andere Projekte der Massendigitalisierung von gemeinnützigen Trägern, wo wirklich Riesen-Bibliotheksbestände digitalisiert worden sind.

Es gibt im europäischen Ausland Bestrebungen zur Digitalisierung, um ein Beispiel außerhalb des Buchbereichs zu nehmen: „Images for the Future“, ein großes Programm in den Niederlanden zur Digitalisierung des audiovisuellen Erbes. Das Programm ist diese Rechtefrage in sehr enger Kooperation mit den Interessenvertretern und vor allen Dingen den Verwertungsgesellschaften angegangen und hat Lösungen gefunden.

Vor allen Dingen aber das Programm, das in Norwegen aufgelegt wurde, bei dem die gesamten Bibliotheksbestände digitalisiert worden sind und alle Bücher und gedruckten Werke vor 2003 online zugänglich gemacht wurden. Nur für die Norweger, also nur mit einer norwegischen IP. Ermöglicht wurde das eben auch ganz einvernehmlich durch eine entsprechende Vereinbarung mit den Verwertungsgesellschaften. Die skandinavischen Länder haben anders als hier in Deutschland das Institut der erweiterten kollektiven Lizenzen, wo Verwertungsgesellschaften für eine bestimmte Klasse von Werken Vereinbarungen treffen können, dafür auch Geld bekommen und das entsprechend ausschütten. Und so hat man dort die Vereinbarung getroffen, die die Digitalisierung dieses großen Bibliotheksbestandes ermöglicht hat.

Es geht also. Bei allen Schwierigkeiten auch durch die internationalen Rahmenbedingungen. Es ist möglich solch pragmatische Lösungen zu finden. Verwertungsgesellschaften sind ein zentraler Punkt und ein wichtiger Player und auch die kleinen Ansätze, die es in Deutschland gibt, Beispiel die vergriffenen Werke, die Regelungen, die es dazu gibt, sind im Grunde ähnliche Wege, die versuchen durch kollektive Vereinbarungen Einzelrechteklärung zu vermeiden.“

Astrid B. Müller: „Nun haben wir einiges gehört, wie sich die Problematik darstellt für die Kultureinrichtungen in der digitalen Welt. Was ist es denn nun, was die Deutsche Digitale Bibliothek für den Nutzer tut? Muss der Nutzer Experte im Urheberrecht werden, wenn er sich die Sachen angucken will, Frau Euler?“

Ellen Euler: „Der Nutzer kann natürlich noch weniger als die Gedächtnisinstitutionen es können einen Prozess der Rechteklärung durchgehen. Er will nicht nur möglichst viel finden in der Deutschen Digitalen Bibliothek, er möchte auch wissen, was er mit den Dingen tun kann, die er dort findet. Und um ihm da Rechtssicherheit zu geben, bringen wir das Lizenzmodell der Creative Commons Lizenzen zur Anwendung.

Creative Commons Lizenzen sind Jedermann-Lizenzen, die es jedem im Vorhinein ermöglichen, bestimmte Nutzungen von Inhalten kostenlos vorzunehmen. Das gibt dem Nutzer Rechtssicherheit und sensibilisiert ihn aber auch dafür, dass nicht unbedingt alle Sachen, die frei verfügbar sind, unbedingt auch Freibier sind. Die Lizenzen haben außerdem den Vorteil, dass nicht nur der Nutzer sie lesen kann, sondern auch Maschinen können diese Lizenzen lesen und das macht es letzten Endes möglich, dass über unsere Programmierschnittstelle auch automatisch Anwendungen programmiert werden können und so Kultur auch mobil gemacht werden kann.  

Auf  der anderen Seite müssen wir weitere Lösungen aushandeln und sind auch dabei für den Nutzer so viel wie möglich an Rechtssicherheit zu schaffen.“


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