Archivbestand
Weltliche Lagerbücher: OA Freudenstadt (Bestand)
1 Zur Geschichte des Amts- / Oberamts Freudenstadt vor 1807: Mit der Gründung der Stadt (auf herzoglichem Kameralgut) wurde bereits 1599 auch das Amt Freudenstadt eingerichtet. Es blieb bis 1807 eines der dem Amtsbezirk nach kleinsten württembergischen Ämter. Schon für die Ausstattung der Gemarkung Freudenstadts wurden dem Stadtkern durch Machtspruch des Herzogs ca. 2400 Morgen Land aus der Mark des Dornstetter Waldgedings und von Baiersbronn hinzugefügt, was lange Rechtsstreitigkeiten nach sich zog. Noch vor Beitritt Freudenstadts zur "Landschaft" (1618) wurde 1616 die Siedlung St. Christophstal vom Amt Dornstetten nach Freudenstadt inkorporiert; allerdings mit Sonderrechten und ohne volles Freudenstädter Stadt-Bürgerrecht. Christophstaler Silber wurde vorübergehend vor dem 30-jährigen Krieg in der dortigen Münzstätte ausgeprägt, ansonsten zwischen 1573 und 1669 in der Stuttgarter Münze ("Christophstaler"). Freiheiten und Begünstigungen in der Gründungsphase sowie der mit der Stadtgründung weiter vorangetriebene Aufschwung des Bergbaus und des verarbeitenden Gewerbes brachten der Stadt raschen Zuzug von Glaubensflüchtlingen (Kärnten, Steiermark, Krain) , aber auch von württembergischen Untertanen aus andern Teilen des Herzogtums. Pest (1610/11) sowie der Dreißigjährige Krieg (v.a 1632) brachen die aufstrebende Entwicklung jäh ab. Die Bevölkerung Freudenstadts ging zwischen 1610 und 1652 von ca. 2000 auf 300 Einwohner zurück. Der kurz darauf einsetzende Rückgang der Erträge aus dem Bergbau (Silber Eisenerz, Kupfer konnten trotz Neuaufnahmen nicht mehr in rentablen Mengen abgebaut werden) ließ die Entwicklung bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts stagnieren. Lediglich der Handel sicherte letztlich das Überleben der Stadt. Die für diesen Handel so wichtige Kniebisstrasse, die mit der Befestigung Freudenstadts gesichert hätte werden sollen, war allerdings militärisch (1688, 1704, 1744, dann 1796 ) als kürzeste Verbindung zwischen Schwaben und dem Elsaß jeweils in französischer Hand und von schwäbischen Kreistruppen im Ernstfall nicht zu halten. Der von Anfang der Fläche nach sehr klein ausgestattete Amtsbezirk, seit 1759 "Oberamt", blieb bis 1807 weiterhin einer der kleinsten, auch wenn die württembergischen Neuerwerbungen Rodt (1602) und Güter der Herrschaft Neuneck (1614) mit Böffingen, Unteriflingen und Wörnersberg hinzukamen. Ansonsten bestand der Amtsbezirk wie ein Großteil der Gemarkung der Stadt aus Teilen, die von den umliegenden württembergischen Ämtern abgespalten worden waren. Dem Amt Dornstetten waren (außer Christophstal) v.a. Kniebis entnommen worden; vom Klosteramt Alpirsbach waren gekommen: Lombach, Loßburg, Oberiflingen, Wittendorf. Die Bedeutung, die Freudenstadt an der Verbindungsstraße nach Westen trotz aller Kriegsereignisse geblieben war, die napoleonische Beendigung territorialer Zersplitterung und die so entstandenen neuen Wirtschaftsräume brachten es mit sich, dass im Rahmen der Neuorganisation des Königreichs schließlich 1807 die Ämter, die bisher schon Teile an das der Stadtgründung zu verdankende Amt Freudenstadt abgegeben hatten, völlig in das neue Oberamt Freudenstadt einverleibt wurden, dazuhin noch das vormalige Klosteramt Reichenbach. Die weitere Entwicklung, v.a. die Erschließung durch Straßen- und Eisenbahnbau bestätigte die Entscheidung für Freudenstadt als Zentrum dieses neuen Oberamts.
2 Zur Geschichte und Ordnung des Bestands: Seit 1422/1423 wurden in Württemberg bei der von der Rentkammer zentral gesteuerten systematischen Aufzeichnung von Besitzungen, Rechten und Einkünften in Lagerbüchern mehrere gleichlautende Reinschriften erstellt: Ein Exemplar verblieb in der Kanzlei der Rentkammer, ein zweites wurde im Archiv hinterlegt, eine dritte Reinschrift erhielt die zuständige Kellerei, die in der Zeit des aktuellen Gebrauchs Nachträge vermerkte. Das heutige Lagerbuchselekt führt verschiedene ältere Reihen zusammen: 2.1 Die altwürttembergische Reihe "weltliche Lagerbücher" Ursprünglich umfasste diese Reihe die Archivexemplare, die häufig den Außen-vermerk "Archiv" tragen. Im Laufe der Zeit wurden diesem Bestand Konzepte, Mehrfertigungen und Lagerbücher der 1806 neu erworbenen Herrschaften hinzugefügt, so dass ein Mischbestand erwuchs, der 1938 anlässlich der Neugliederung der Bestände durch K.O. Müller die Bestandsbezeichnung H 1 erhielt. 2.2 "Dublettenreihe" Seit 1908 wurden unter der etwas irreführenden Bezeichnung "Dublettenreihe" Mehrfertigungen, aber auch Konzepte und Abschriften von Lagerbüchern geistlicher und weltlicher altwürttembergischer sowie neuwürttembergischer Herrschaften zusammengeführt. Der Bestand gelangte ins Staatsarchiv Ludwigsburg und erhielt die Signatur H 6. 2.3 Lagerbuchreihe des Finanzarchivs Im Rahmen der Neuordnung 1806 wurde der überwiegende Teil der altwürttembergischen Lagerbücher aus den Registraturen der Bezirksämter den Kameralämtern übergeben, die - ausgehend von den aktuellen Verwaltungsbedürfnissen - umfangreiche Kassationen und Umordnungen vornahmen. Allmählich gaben die Kameralämter die Lagerbücher an das 1822 eingerichtete Finanzarchiv ab. Nach erneuten Kassationen und uneinheitlicher Ordnung wurden in dieser Zeit für ungefähr die Hälfte der Überlieferung provisorische Verzeichnisse erstellt. Die dabei vergebenen rund 4200 Zahlensignaturen sind mit Blaustift auf der Vorderseite vermerkt. 1924 übernahm das Staatsarchiv Ludwigsburg die Lagerbuchbestände des aufgelösten Finanzarchivs und wies sie der Bestandsgruppe H 6-10 zu. 2.4 "Sonderreihe" des Staatsarchivs Ludwigsburg Bruchstückhaft blieb um 1930 der Versuch, aus der Überlieferung des Finanzarchivs diejenigen Erneuerungen in einer Reihe zusammenzuführen, die in den Stuttgarter Lagerbuchbeständen fehlten. 2.5 Beständebereinigung durch K.O. Müller K.O. Müller löste den von ihm gebildeten Mischbestand H 1 (s. o.) in einer zweiten Verzeichnungsphase auf, indem er die altwürttembergischen Lagerbücher im Bestand A 295 zusammenfasste und die neuwürttembergischen Lagerbücher den Reihen B 1-5 zuwies. Nach Abgabe der in Ludwigsburg befindlichen Lagerbücher an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Juli 1950 wurde unter der Leitung von F. Pietsch der gesamte Überlieferungskomplex neu gegliedert. Aus pragmatischen Gründen verzichtete man dabei auf die Rekonstruktion der Registraturen der Kanzlei, des Archivs sowie der Kellereien in eigenen Reihen. Vielmehr vereint der heutige Bestand H 101, gruppiert nach Oberämtern, alle überlieferten Exemplare einer Erneuerung - also Konzepte, Reinschriften, Abschriften - in einer Reihe. Dies gilt auch für Freudenstadt, für das Lagerbücher ab 1606 angelegt wurden.
3 Zur Verzeichnung des Bestands: Nach der Zusammenführung der Lagerbuchbestände im Hauptstaatsarchiv Stuttgart 1950 war die anschließende Neuordnung, um 1960 im wesentlichen abgeschlossen. Damit konnte eine Neuverzeichnung in Angriff genommen werden. Angesichts der zu bewältigenden großen Mengen entwarfen H.-M. Maurer und H. Natale 1974 "Richtlinien zur Kurzverzeichnung von Lagerbüchern" und trieben die Erschließung der Lagerbuchselekte mit den bestehenden geringen Personalressourcen unter Einbeziehung von Auszubildenden und Aushilfskräften voran. Inzwischen liegen für den kompletten Bestand H 101 Konzeptverzeichnungen vor, die allerdings nur sehr eingeschränkt benutzt werden können. Bei der laufenden Überarbeitung dieser Konzeptverzeichnungen wird auf die in den Richtlinien vorgesehene Erfassung von Reskripten und Notizen verzichtet. Auf vorhandene Reskripte wird allerdings weiterhin im "Enthält-Vermerk" hingewiesen. und die Laufzeit in die Gesamtlaufzeit des Bandes aufgenommen. Der Verzeichnung liegt folgendes Schema zugrunde: 1. Bandnummer, 2. Titel, 3. Genetische Stufe und Behördenprovenienz, 4. eventuelle Register, 5. Renovator(en), 6. Inhalte und Darstellungsweise, 7. Orte, 8. Urkunden, 9. äußere Bandbeschreibung, 10. enthaltene Beilagen oder Reskripte, 11. Vorsignaturen, 12. Umfang, 13. Jahr der Anlage. Die Angaben zum Titel entsprechen soweit als möglich den auf den Vorsatzblättern der Bände zu findenden Innentiteln, was durch Anführungszeichen verdeutlicht wird. Weiterhin erfolgte eine Neusignierung entsprechend dem gängigen Signaturenschema der Lagerbuchselekte: Die bestehende Durchnummerierung wird durch Zwischennummern für die einzelnen Ämter (H 101/1 Altensteig bis H 101/64 Winnenden) mit jeweiliger Neuzählung der einzelnen Bände ersetzt. Alte und neue Signaturen können der Konkordanz entnommen werden. Die Bearbeitung der vorhandenen Titelaufnahmen des Bestandes H 101/19 schloss der Unterzeichnete im Frühjahr 2007 ab. Der Bestand umfasst 29 Bände (in denen 53 verschiedene Urkunden aus der Zeit zwischen 1281 bis 1783) -oft mehrfach in Abschriften überliefert sind ). Die belegten Regale umfassen 2,7 m. Stuttgart, im April 2007 Franz Moegle-Hofacker
Literatur: Beschreibung des Oberamts Freudenstadt: mit drei Tabellen und einer Karte des Oberamts, einem Titelbild und einer Ansicht des wilden Sees / hrsg. von dem Königl. statist.-topograph. Bureau. [Verf. Paulus ...]. - Stuttgart : Aue, 1858. - 339 S. Die Gründung Freudenstadts inmitten europäischer Geschichte : 400 Jahre Freudenstadt / Hrsg.: Heimat- und Museumsverein für Stadt und Kreis Freudenstadt e.V.. - 1. Aufl.. Horb am Neckar : Geiger, 2003. - 155 S. ( = Freudenstädter Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde zwischen Neckar, Murg und Kinzig ; Nr. 12) Die Bedeutung von Christophstal für die württembergische Münzgeschichte / von Albert Raff . Die {Medaillen von Freudenstadt und des Künstlers David Fahrner} / H. Jürgen Schnurr. - Freudenstadt : Heimat- und Museumsverein für Stadt und Kreis Freudenstadt. 1999. - 139 S. (=Freudenstädter Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde zwischen Neckar, Murg und Kinzig / hrsg. v. Heimat- und Museumsverein für Stadt und Kreis Freudenstadt ; 9) Planstadt - Kurstadt - Freudenstadt : {Chronik einer Tourismusstadt} ; [1599 - 1999] / Hrsg.: Stadtarchiv Freudenstadt. Mit Beitr. von Renate Karoline Adler .... - Karlsruhe : Braun, 1999. - 400 S. Bergbau und Mineralien von Freudenstadt, Schwarzwald / [Kurt F. Kunzmann]. - Haltern : Bode, 1992. - 72 S. (=Emser Hefte ;1992,3) Herzog Friedrichs Freudenstadt im ersten Jahrhundert seiner Geschichte : aus "Freudenstädter Heimatblätter" 1949 - 1986 / Hrsg.: Heimat- und Museumsverein für Stadt und Kreis Freudenstadt e.V.. - Freudenstadt, 1987. - 196 S. : (=Freudenstädter Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde zwischen Neckar, Murg und Kinzig / hrsg. v. Heimat- und Museumsverein für Stadt und Kreis Freudenstadt ;6) Festung Freudenstadt : ein Beitrag zur Heimatkunde der Stadt Freudenstadt und zur Geschichte des Festungsbaus / von Walter Kull. Hrsg.: Heimat- u. Museumsverein für Stadt u. Kreis Freudenstadt e.V.. 1985. - 186, 55 S. : (Freudenstädter Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde zwischen Neckar, Murg und Kinzig / hrsg. v. Heimat- und Museumsverein für Stadt und Kreis Freudenstadt ;4) Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, hrsg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Bd. V: Regierungsbezirk Karlsruhe, Stuttgart 1978. Maurer, Hans-Martin (Bearb.): Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Sonderbestände (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, 35), Stuttgart 1980, S. 122-125. Richter, Gregor: Lagerbücher- oder Urbarlehre. Hilfswissenschaftliche Grundzüge nach württembergischen Quellen. (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 36), Stuttgart 1979.
- Bestandssignatur
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Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 101/19
- Umfang
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29 Bände
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Selekte >> Altwürttembergische Lagerbücher >> Hauptreihen des Kammer- und Kirchenguts >> Weltliche Lagerbücher der Oberämter (gesamt)
- Bestandslaufzeit
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1606-1819
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rechteinformation
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Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Letzte Aktualisierung
-
13.11.2025, 14:39 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1606-1819