Archivbestand
Weltliche Lagerbücher: OA Tuttlingen (Bestand)
1. Zur Geschichte von Stadt und Amt Tuttlingen: Tuttlingen war spätestens seit der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts besiedelt. Den Grabungsfunden nach war es auch Sitz einer reichen Adelsfamilie. In den Schriftquellen wird "Tutilingas" erstmals als Gerichtsstätte im Zusammenhang mit einer Schenkung an das Kloster St. Gallen erwähnt. Zugleich wird in eben diesem Zeitraum der größte Teil des Orts dem Kloster Reichenau geschenkt, das bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts dort begütert war (16 Lehnhöfe, 2 Kelhöfe). Eine Linie der Herren von Wartenberg, seit 1289 vom Kloster Reichenau über den Klosterbesitz in Tuttlingen, Öfingen, Oberbaldingen und Sunthausen eingesetzte Vögte, nahm in Tuttlingen ihren Wohnsitz und erhoben den an einem überregional wichtigen Verkehrsweg ( sog. "Schweizer Straße") gelegenen Ort zur Stadt . Weiter ist Besitz der Klöster Amtenhausen (1312) und Alpirsbach (1463) nachgewiesen. Seit 1356 mussten die Herren von Wartenberg ihre Lehen mit den Steußlingen, Blumberg und Dießenhofen teilen. 1372 schließlich verkaufte Oswald von Wartenberg die Vogtei über Stadt und Burg Tuttlingen an Graf Rudolf von Sulz. 1377 wird die Stadt im "Städtekrieg" als württembergischer Besitz von den Reichsstädten eingenommen und verwüstet. Württemberg verpfändet die Stadt 1381 an die Grafen von Lupfen, von denen es 1384 auslöst. 1420 ist es spätestens wieder verpfändet: zuvor schon Pfandbesitz der Schenken von Limpurg, kommt kommt Tuttlingen an die Herren von Zimmern. 1444 löst Württemberg Tuttlingen aus der Pfandschaft endgültig aus. Zoll und Geleit kamen an Hohenberg, 1381 an Österreich, das beides an die Familie von Hornstein und anschließend an Herzog Reinhold von Urslingen verpfändete, von dem es 1422 die Grafen von Sulz erwarben. Über Rottweiler Bürger (1451, 1475) gelangten 1539 (Hg. Ulrich) auch Zoll und Geleit, wie zuvor die Rechte an Vogtei bzw. Amt an Württemberg. 1696 (unter Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg) entstand im Ludwigstal bei Tuttlingen das gleichnamige herzogliche Bergwerk (später "Schwäbische Hüttenwerke"). Die verkehrstechnisch wichtige Lage Tuttlingens machten es nicht nur zu einem gut verwertbaren und begehrten Pfandobjekt, sondern in Kriegszeiten besonders auch zu einem Angriffsziel, so dass Stadt und Amt insbesondere etwa beim "Schwabenkrieg" 1499, während Herzog Ulrichs Kämpfen mit dem Schwäbischen Bund, im 30-jährigen Krieg, aber auch während der 'Franzosenkriege' nach 1796 unter den jeweiligen kriegerischen Auseinandersetzungen zu leiden hatte. 1803 dann brannte die gesamte alte Bausubstanz der Stadt nieder -aufgrund eines Funkenflugs- . Die bis dahin bäuerlich geprägte Klein-, zugleich herzoglich württembergische Amtsstadt, wurde völlig neu gestaltet. Es entstanden quadratisch angelegte Häuserquartiere, Gebäude mit der typischen geschlossenen Dachform des "Tuttlinger Huts" und rechtwinklig angelegte, breite Straßen um den quadratischen Marktplatz. Die (seit 1806) königlich württembergische Oberamtsstadt Tuttlingen wurde damit zu einer der modernsten württembergischen Städte jener Zeit. Der Bezirk des neuen königlich württembergischen Oberamts umfasste überwiegend "neuwürttembergische" Orte. Vom herzoglichen Amt / Oberamt u.a. mit Ludwigstal und Hohentwiel, von dem auch Neuhausen, Rietheim mit Russberg und Bulzingen, Hausen ob Verena mit Hohenkarpfen,Talheim, Tuningen, Schura, Trossingen gekommen waren, wurden 1806 die Orte Schwenningen (an das kgl. württ. Oberamt Rottweil) und Aldingen (an das kgl. württ. Oberamt Spaichingen) ausgegliedert.
2. Zur Geschichte und Ordnung des Gesamtbestands H 101 - weltliche Lagerbücher der Oberämter: Seit 1422/1423 wurden in Württemberg bei der von der Rentkammer zentral gesteuerten systematischen Aufzeichnung von Besitzungen, Rechten und Einkünften in Lagerbüchern mehrere gleichlautende Reinschriften erstellt: Ein Exemplar verblieb in der Kanzlei der Rentkammer, ein zweites wurde im Archiv hinterlegt, eine dritte Reinschrift erhielt die zuständige Kellerei, die in der Zeit des aktuellen Gebrauchs Nachträge vermerkte. Das heutige Lagerbuchselekt führt verschiedene ältere Reihen zusammen: 2.1 Die altwürttembergische Reihe "weltliche Lagerbücher" Ursprünglich umfasste diese Reihe die Archivexemplare, die häufig den Außen-vermerk "Archiv" tragen. Im Laufe der Zeit wurden diesem Bestand Konzepte, Mehrfertigungen und Lagerbücher der 1806 neu erworbenen Herrschaften hinzugefügt, so dass ein Mischbestand erwuchs, der 1938 anlässlich der Neugliederung der Bestände durch K.O. Müller die Bestandsbezeichnung H 1 erhielt. 2.2 "Dublettenreihe" Seit 1908 wurden unter der etwas irreführenden Bezeichnung "Dublettenreihe" Mehrfertigungen, aber auch Konzepte und Abschriften von Lagerbüchern geistlicher und weltlicher altwürttembergischer sowie neuwürttembergischer Herrschaften zusammengeführt. Der Bestand gelangte ins Staatsarchiv Ludwigsburg und erhielt die Signatur H 6. 2.3 Lagerbuchreihe des Finanzarchivs Im Rahmen der Neuordnung 1806 wurde der überwiegende Teil der altwürttembergischen Lagerbücher aus den Registraturen der Bezirksämter den Kameralämtern übergeben, die - ausgehend von den aktuellen Verwaltungsbedürfnissen - umfangreiche Kassationen und Umordnungen vornahmen. Allmählich gaben die Kameralämter die Lagerbücher an das 1822 eingerichtete Finanzarchiv ab. Nach erneuten Kassationen und uneinheitlicher Ordnung wurden in dieser Zeit für ungefähr die Hälfte der Überlieferung provisorische Verzeichnisse erstellt. Die dabei vergebenen rund 4200 Zahlensignaturen sind mit Blaustift auf der Vorderseite vermerkt. 1924 übernahm das Staatsarchiv Ludwigsburg die Lagerbuchbestände des aufgelösten Finanzarchivs und wies sie der Bestandsgruppe H 6-10 zu. 2.4 "Sonderreihe" des Staatsarchivs Ludwigsburg Bruchstückhaft blieb um 1930 der Versuch, aus der Überlieferung des Finanzarchivs diejenigen Erneuerungen in einer Reihe zusammenzuführen, die in den Stuttgarter Lagerbuchbeständen fehlten. 2.5 Beständebereinigung durch K.O. Müller K.O. Müller löste den von ihm gebildeten Mischbestand H 1 (s. o.) in einer zweiten Verzeichnungsphase auf, indem er die altwürttembergischen Lagerbücher im Bestand A 295 zusammenfasste und die neuwürttembergischen Lagerbücher den Reihen B 1-5 zuwies. Nach Abgabe der in Ludwigsburg befindlichen Lagerbücher an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Juli 1950 wurde unter der Leitung von F. Pietsch der gesamte Überlieferungskomplex neu gegliedert. Aus pragmatischen Gründen verzichtete man dabei auf die Rekonstruktion der Registraturen der Kanzlei, des Archivs sowie der Kellereien in eigenen Reihen. Vielmehr vereint der heutige Bestand H 101, gruppiert nach Oberämtern, alle überlieferten Exemplare einer Erneuerung - also Konzepte, Reinschriften, Abschriften - in einer Reihe.
3. Zur Verzeichnung des Bestandes: Nach der Zusammenführung der Lagerbuchbestände im Hauptstaatsarchiv Stuttgart 1950 war die anschließende Neuordnung um 1960 im wesentlichen abgeschlossen. Damit konnte eine Neuverzeichnung in Angriff genommen werden. Angesichts der zu bewältigenden großen Mengen entwarfen H.-M. Maurer und H. Natale 1974 "Richtlinien zur Kurzverzeichnung von Lagerbüchern" und trieben die Erschließung der Lagerbuchselekte mit den bestehenden geringen Personalressourcen unter Einbeziehung von Auszubildenden und Aushilfskräften voran. Inzwischen liegen für den gesamten Bestand H 101 Konzeptverzeichnungen vor, die allerdings nur sehr eingeschränkt benutzt werden können. Die entsprechende Verzeichnung für das Amt / Oberamt Tuttlingen wurde 1956 von Frau Dr. Liselotte Hubert-Becker erstellt und später ergänzt. Bei der laufenden Überarbeitung dieser Konzeptverzeichnungen wird auf die in den ursprünglichen Richtlinien vorgesehene systematische erneute Überprüfung und erweiterte Erfassung von Reskripten und Notizen verzichtet. Aufgenommen werden lediglich die bereits erfassten Reskripte und Urkundenabschriften. Diese werden im "Enthält-Vermerk" ausgewiesen. Der Verzeichnung liegt folgendes Schema zugrunde: 1. Bandnummer 2. Titel 3. Genetische Stufe und Behördenprovenienz 4. eventuelle Registe, 5. Renovator(en), 6. Inhalte und Dastellungsweise 7. Orte 8. Urkunden 9. Äußere Bandbeschreibung 10. enthaltene Beilagen oder Reskripte, 11. Vorsignaturen 12. Umfang 13. Jahr der Anlage. Die Angaben zum Titel orientieren sich primär an den Suchbedürfnissen der meisten Nutzer des Bestands: O r t s n a m e n und L a u f z e i t, die als wichtigstes Kriterium für die zügige Ermittlung gesuchter Einzelbände auch meist auf den Bandrücken von den Registraturen der Rentkammer, Ämter etc. deutlich vermerkt worden waren. Die notwendige Neusignierung erfolgte entsprechend dem gängigen Signaturschema der Lagerbuchselekte: Die bestehende Durchnummerierung wird durch Zwischennummern für die einzelnen Ämter (H 101/1 Altensteig bis H 101/64 Winnenden) mit jeweiliger Neuzählung der einzelnen Bände eines Bestandes ersetzt. Alte und neue Signaturen können der Konkordanz entnommen werden. Die Bearbeitung der vorhandenen Titelaufnahmen des Bestandes H 101/57 übernahmen in der ersten Jahreshälfte 2012 unter Anleitung des Unterzeichneten im Rahmen ihrer Ausbildung die Archivanwärterin Josephine Winkler und Archivanwärter Michael Weigert (Ausbildung zum/r Diplomarchivar/ in FH). Die Endredaktion gestaltete der Unterzeichnete. Der Bestand umfasst 63 Bände bzw.4 Regalmeter. In diesen Bänden sind 198 Urkundenbschriften enthalten, deren chronologische Zusammenstellung ergab, dass es sich um 55 verschiedene Urkunden aus der Zeit zwischen 1406 und 1695 handelt. Stuttgart, im Dezember 2012 Franz Moegle-Hofacker
4. Literatur: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. Hrsg. von dem Königl. stat.- topogr. Bureau. Mit 3 Tab., 1 Kt. und 2 Ansichten. Stuttgart: Lindemann 1867. IV, 489 S.. Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Band 7 : Regierungsbezirk Tübingen, Stuttgart 1978. Gregor Richter, Lagerbücher- oder Urbarlehre. Hilfswissenschaftliche Grundzüge nach württembergischen Quellen (Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden- Württemberg; 36), Stuttgart 1979.
Korrespondierende Bestände: A 206 Oberrat: Ältere Ämterakten A 213 Oberrat: Jüngere Ämterakten A 248 Rentkammer: Generalakten A 249 Rentkammer : Ämterakten A 284 Kircherat: Ämterregistratur A 298 Weltliche Leibeigenenbücher A 302 Weltliche Ämterrechnungen A 304 Reskripten- und Berichtsbücher der Bezirksämter A 411 Tuttlingen W A 411 L Tuttlingen W A 412 Tuttlingen G A 412 L Tuttlingen G A 602 Württembergische Regesten H 102/ 76 GV Tuttlingen L 6 Landständisches Archiv, Materienregistratur
- Bestandssignatur
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Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 101/57
- Umfang
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63 Bände (4,0 lfd. m)
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Selekte >> Altwürttembergische Lagerbücher >> Hauptreihen des Kammer- und Kirchenguts >> Weltliche Lagerbücher der Oberämter (gesamt)
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- Letzte Aktualisierung
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13.11.2025, 14:39 MEZ
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Objekttyp
- Bestand