Wohnanlage
Bauten der "Interbau 57" & Hansaviertel; Berlin, Mitte
Die Bauten der Interbau 1957, die sich um den Hansaplatz gruppieren, verdeutlichen den städtebaulichen und architektonischen Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg. (1) Das Hansaviertel als vielbeachtetes Beispiel für die internationale Moderne der Nachkriegszeit wurde auch als Antwort auf das erste groß angelegte Wiederaufbauvorhaben der DDR, die Stalinallee in Berlin-Friedrichshain, gesehen. Mit seiner aufgelockerten, gegliederten Bebauung demonstrierte das Hansaviertel die Abkehr von der dicht bebauten Stadt des 19. Jahrhunderts, aber auch von der Monumentalarchitektur der 1930er bis 1950er Jahre. Die landschaftliche, offene, nicht hierarchische Gestaltung verstand man als Symbol für die freiheitliche westliche Gesellschaft. Gegenüber dem Osten machte sie deutlich, dass West-Berlin als wirtschaftliche Einheit lebensfähig ist und von der gesamten freien Welt gestützt wird. Die Bewohner der westlichen Stadthälfte wurden in ihrem Aufbauwillen und Streben nach Freiheit und Fortschritt bestärkt.° ° Die Bauausstellung war eine Leistungsschau der internationalen Moderne der 1950er Jahre. Der Leitende Ausschuss, dem Otto Bartning vorstand, wählte Architekten aus Berlin, aus dem Bundesgebiet und aus dem westlichen Ausland aus, darunter namhafte Architekten aus Paris, Rio de Janeiro, Kopenhagen, Helsinki, Rotterdam, Basel und Mailand. Die Möglichkeiten des neuzeitlichen Wohnungsbaus wurden mit unterschiedlichen Bautypen vorgeführt. Die Architekten entwarfen Punkt- und Scheibenhochhäuser, Zeilenbauten, Mehrfamilien- und Einfamilienwohnhäuser, die sich in eine begrünte Landschaft einordnen. Der Hansaplatz bildet das Geschäftszentrum. In niedrigen Flachbauten sind Läden, Restaurants, Kino, Bibliothek und U-Bahnhof untergebracht. Südlich des Hansaplatzes sind als dominierende städtebauliche Figur acht- bis zehngeschossige Scheibenhochhäuser angeordnet, die im rechten Winkel gegeneinander versetzt sind. Viergeschossige Zeilen begleiten den Stadtbahnviadukt. Es schließen sich fünf hoch aufragende Punkthochhäuser an, die die Silhouette des Hansaviertels bestimmen. Hinter den Hochhausscheiben erstreckt sich eine niedrige, teppichartige Bebauung aus Atriumbungalows mit Flachdächern, die durch einen öffentlichen Grünzug geteilt und durch zwei Privatstraßen erschlossen wird. Am Hanseatenweg sind mehrere Mehrfamilienhäuser angeordnet. Auf dem östlich anschließenden Gelände, das man eigentlich für Reihenhäuser freigehalten hatte, wurde 1959-60 die Akademie der Künste errichtet. Die freistehenden Bauten bilden großzügige, offene Raumkompositionen, wobei Durchblicke, Engstellen und Aufweitungen wechselnde Raumerlebnisse ermöglichen. Die fließenden, offenen Räume zwischen den Häusern verstand man als Gegenbild zur Blockrandbauweise, die das Bild der verachteten "Mietskasernenstadt" geprägt hatte. Das Wohngebiet geht fließend in den benachbarten Tiergarten über.° ° Die Bauten auf dem Ausstellungsgelände entstanden zwischen 1956 und 1960. Deren klare, sachliche, ornamentlose Architektur entspricht den Vorstellungen der 1950er Jahre. Die Groß- und Kleinformen sind meist aus einem Raster entwickelt. Charakteristisch sind Helligkeit, Leichtigkeit und Transparenz. Die neuen Baustoffe (Stahlbeton) und Konstruktionsarten (Schotten- und Kastenbauweise) machten es möglich, die Außenhaut frei von konstruktiven Zwängen zu gestalten. Die beteiligten Architekten verwendeten viel Sorgfalt auf die Entwicklung sparsamer, aber unkonventioneller Wohnungsgrundrisse. In vielen Häusern reichen die Wohnungen, verbunden mit innovativen Erschließungssystemen, über anderthalb oder zwei Stockwerke. Zu den neuartigen Elementen gehört der von Alvar Aalto eingeführte Allraum, der als vielseitig nutzbarer Wohn-, Arbeits- und Spielbereich den Mittelpunkt der Wohnung bildet. In mehreren Häusern sind Gemeinschaftsräume vorgesehen. Betrachtet man die Fassaden genauer, dann verweisen verspringende Geschosshöhen, Balkone unterschiedlicher Breite und Zuordnung, Laubengänge oder offene Treppenhausabsätze auf die komplizierte innere Struktur der meisten Wohngebäude.° ___________________° (1) Mahler, Karl: Internationale Bauausstellung 1956. Wiederaufbau eines inneren Stadtviertels. In: Bauwelt 44 (1953), S. 681-683; Interbau Berlin 1957. Amtlicher Ausstellungskatalog. Berlin 1957; Wiederaufbau Hansaviertel Berlin. Interbau Berlin 57. Hrsg. v. Senator für Bau- und Wohnungswesen und vom Bund Deutscher Architekten. Berlin 1957; Schmidt-Clausing, Fritz: Das Hansa-Viertel. Von den Schöneberger Wiesen zur "Stadt von Morgen". 2. Auflage Berlin 1957; BusB IV A, S. 205-213; BusB IV B, S. 549-572; Bodenschatz 1987, S. 165-170; Geist/Kürvers 1989, S. 360-383; Das Hansaviertel 1957-1993. Konzepte, Bedeutung, Probleme. Hrsg. v. Bezirksamt Tiergarten von Berlin. Berlin 1993; Dolff-Bonekämper, Gabi: Bau und Gegenbau oder der Wettstreit der Systeme: Stalinallee und Hansaviertel. In: Denkmalpflege nach dem Mauerfall. Eine Zwischenbilanz. Berlin 1997, S. 164-166; Dolff-Bonekämper 1999; Dolff-Bonekämper, Gabi: Aufbruch in die Zukunft. Die Interbau 1957. In: Das XX. Jahrhundert. Ein Jahrhundert der Kunst in Deutschland. Architektur in Berlin. Hrsg. v. Andres Lepik und Anne Schmedding. Köln 1999, S. 58-61; Dehio Berlin 2000, S. 446.
- Location
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Altonaer Straße 1 & 3 & 4 & 5 & 6 & 7 & 8 & 9 & 10 & 12 & 14 & 15 & 18 & 20 & 22 / Bartningallee 1 & 2 & 3 & 4 & 5 & 6 & 7 & 9 & 10 & 10A & 10B & 10C & 10D & 11 & 12 & 13 & 16 / Händelallee 1 & 3 & 5 & 7 & 9 & 20 & 22 & 26 & 28 & 28A & 29 & 33 & 31 & 32 & 33 & 34 & 35 & 37 & 39 & 41 & 43 & 45 & 57 & 49 & 51 & 53 & 55 & 57 & 59 & 59A & 61 & 61A & 63 & 65 & 67 / Hanseatenweg 1 & 3 & 6 & 10 / Klopstockstraße 2 & 7 & 9 & 11 & 13 & 14 & 15 & 16 & 17 & 18 & 19 & 21 & 23 & 25 & 27 & 29 & 30 & 31 & 32 / Straße des 17. Juni 100 / Hansaplatz, Hansaviertel, Mitte, Berlin
- Related object and literature
- Classification
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Gesamtanlage
- Event
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Herstellung
- (when)
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1957-1961
- Last update
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04.06.2025, 11:55 AM CEST
Data provider
Landesdenkmalamt Berlin. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Wohnanlage
Time of origin
- 1957-1961