Archivbestand
Studienfonds Münster, Jesuitenkolleg Coesfeld - Akten (Bestand)
Form und Inhalt: Eines
der Hauptanliegen des münsterischen Bischofs Ferdinand von
Bayern war die Rekatholisierung seiner Länder.1621schickte er
den ehemaligen Jesuiten Johann Steill als Missionar nach
Coesfeld, das man nach Aussagen eines Zeitgenossen "ebenso
gut für nichtkatholisch als für katholisch halten konnte".
Steill übernahm die Verwaltung der Pfarreien St. Lamberti und
St. Jakobi. 1626 schlug er dem Fürstbischof die Berufung der
Jesuiten nach Coesfeld vor. Ferdinand befürwortete diesen
Vorschlag, forderte aber die Zustimmung von Bürgermeistern
und Rat. Ihnen machte Steill seinen Plan schmackhaft, indem
er ihnen die Verbesserung des Schulwesens, das gesteigerte
Ansehen einer Stadt mit gutem Gymnasium und die damit
verbundenen wirtschaftlichen Vorteile aufzeigte. Seine
Hauptsorge galt jedoch der Sicherung der katholischen
Religion in Coesfeld.
Am 14. Mai 1627
erging ein formelles Gesuch der Stadtverwaltung an den
Jesuitenprovinzial in Köln, mit der Bitte um Übersendung von
Jesuiten. Bereits am 28. Mai kamen die ersten Jesuiten, Pater
Bernhard Bucholtz, ein gebürtiger Coesfelder, und Pater
Albert Holzapfel nach Coesfeld und wurden von der Bevölkerung
freudig begrüßt. Sie veranstalteten in den Pfarrkirchen
Predigten und hielten Katechismusunterricht. Sie wohnten
zunächst bei Steill. Im Laufe des Sommers kauften sie zwei
Häuser an der Kronenstraße. Eines wurde als Wohnung, das
andere als Kapelle eingerichtet. Im Rathaus wurden
Räumlichkeiten für die Schule hergerichtet. Sie wurde am 9.
November mit zunächst drei Klassen eröffnet. Die Schülerzahl
stieg von 100 im Jahr 1627 auf 373 im Jahr 1632.
1628 sagte die Stadt die jährliche Zahlung
von 480 Talern an die Jesuiten zu. Ein Vertrag über diese
Abmachung läßt sich allerdings nicht ermitteln. Zur selben
Zeit ließ Bischof Ferdinand eine Kirchspielschatzung
zugunsten der Coesfelder Jesuitenresidenz ausschreiben.
Die Zahl der Jesuiten erhöhte sich über 11
(3 Patres, 6 Magistri und 2 Laienbrüdern) im Jahr 1629 auf 16
(7 Patres, 6 Magistri und 3 Laienbrüder) im Jahr 1632.
Ende 1632 fiel Landgraf Wilhelm von Hessen
mit seinen Truppen im Stift Münster ein. Am 14. Febr. 1633
mußte sich die Stadt Coesfeld ergeben. Am 30. Okt. erließ der
hessische Stadtkommandant Karl von Uffeln den
Ausweisungsbefehl für die Jesuiten, die am 11. Nov. die Stadt
verließen.
Erst nach Beendigung des
Dreißigjährigen Krieges forderte Bischof Ferdinand die
Jesuiten auf, ihre Tätigkeit in Coesfeld wieder aufzunehmen.
Am 22. Mai 1649 traf der erste Jesuit, der Superior Heinrich
Rexing, in der stark zerstörten Stadt Coesfeld ein. Von den
sieben Häusern, die der Orden vor der Vertreibung besessen
hatte, waren sechs zertrümmert. Das siebte wurde von einem
Bürger bewohnt, der es nicht verlassen wollte. Der Stadtrat
verweigerte die Zahlung der zugesagten Renten und versuchte,
auch in Zukunft, den Ankauf von Häusern und Grundstücken zu
verhindern. Allen Widerständen zum Trotz begannen die
Jesuiten (3 Priester, 2 Magister und 2 Laienbrüder) am 31.
Juli in der Heiliggeistkapelle, die der Magistrat widerwillig
zur Verfügung gestellt hatte, wieder Gottesdienste, Predigten
und Katechese zu halten. Anfang November wurde die Schule
wieder eröffnet. 1650 fanden sich bereits wieder 139
Gymnasiasten ein.
1652 befürchteten
die Ordensoberen, die Schule wieder schließen und das
Personal vermindern zu müssen, da die Niederlassung immer
noch nicht finanziell abgesichert war.
Erst durch die Förderung des neuen münsterischen
Bischofs, Christoph Bernhard von Galen, der seine Residenz
wegen eines Streites mit der Stadt Münster nach Coesfeld
verlegte, und dieses gleichzeitig zu einer stark befestigten
Zitadelle ausbauen ließ, änderte sich die Situation. Er soll
die Gründung eines Jesuitenkollegs in Coesfeld gelobt haben,
als er am Fest des hl. Ignatius die Nachricht von einem für
ihn vorteilhaften Urteil des Reichshofrats erhielt. Er
ernannte eine Kommission, die die Forderungen (ca. 4.000
Taler) der Jesuiten an die Stadt Coesfeld untersuchte. 1663
beglich die Stadt ihre Schulden durch Barzahlung und
Überschreibung von Schuldverschreibungen und Grundbesitz aus
dem Armenvermögen. Christoph Bernhard überwies der zum Kolleg
erhobenen Residenz 12.000 Taler aus dem Vermächtnis der
Moritz von Büren, belehnte es mit zwei größeren Gütern im
Kirchspiel Dingden und förderte den Neubau von Kolleg
(1664-1670) und Kirche (1673-1694).
Der Personalstand des Kollegs stieg von 9-12 im Jahr
1658 auf 18-24 Personen im Jahr 1690.
1682 brachen die Streitigkeiten zwischen Stadt und
Jesuitenkolleg Coesfeld über die Zahlungen aus dem
Armenvermögen wieder aus. Die stark verschuldete Stadt wollte
zudem die Jesuiten, deren Kolleg und Kirche an der Stelle von
32 abgerissenen Häusern und Nebengebäuden standen, zu den
bürgerlichen Lasten heranziehen. Erst 1713 wurde der Prozeß
durch einen Vergleich beendigt: Das Kolleg versprach, keine
Häuser mehr in seine Klausur einzubeziehen, um sie dadurch
schatzfrei zu machen und verzichtete auf Kapital- und
Zinsforderungen von 1525 Talern. Die Stadt ihrerseits
unterließ die Besteuerung des jesuitischen
Grundbesitzes.
1721 wurde der Neubau
des Gymnasiums begonnen, der 1725 bezogen wurde.
Bedingt durch die Auswirkungen des
österreichischen Erbfolge- und des Siebenjährigen Krieges
verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage des Kollegs.
1741/ 42 überwinterten französische Truppen im Kolleg, 1761
diente das Gymnasialgebäude als Lazarett. Wechselnde
Einquartierungen und hohe Kontributionen 1756/ 63 hatten zur
Folge, daß 1764 die fälligen Zinsen nicht mehr gezahlt werden
konnten, und der Unterhalt der Jesuiten nicht mehr gesichert
war. 1770 war das Kolleg mit 2.200 Reichstalern
verschuldet.
Bei der Aufhebung der
Jesuitenniederlassung im Fürstbistum Münster am 21. Juli 1773
durch Papst Clemens XIV. lebten noch 14 Ordensmitglieder im
Kolleg. Sofern sie keine Anstellung in der Seelsorge fanden,
hielten sie den Unterricht am Gymnasium aufrecht, das nur
noch 70 Schüler zählte. Verstärkt wurde das Lehrerkollegium
durch Weltgeistliche, bis die Schule schließlich 1782 der
Obhut des Franziskanerordens anvertraut wurde.
Das Vermögen des aufgehobenen
Jesuitenkollegs Coesfeld fiel an das Fürstbistum Münster.
Zusammen mit dem sonstigen Besitz des Jesuitenordens im
Münsterland wurde es im "Gymnasialfonds" zusammengefasst und
von der "Exjesuitenkommission" verwaltet. Neben dem Unterhalt
des Gymnasiums Paulinum in Münster diente es zur Versorgung
der Exjesuiten und wurde für die Ausgaben der Theologischen
und der Philosophischen Fakultät der neugegründeten
Universität Münster verwandt.
Am 1.
April 1803 wurde die "Exjesuitenkommission" mit der
"Universitätskommission", die das Vermögen des ebenfalls 1773
aufgehobenen adligen Damenstifts Liebfrauen / Überwasser
verwaltete, zur "Studienkommission" zusammengelegt. Ihre
Fonds blieben streng getrennt. Erst 1819 wurden die
Vermögensmassen vereinigt, und ein gemeinsamer Etat
aufgestellt. Die Aufsicht über den "Studienfonds Münster"
wurde 1819 dem Konsistorium, 1825 dem
Provinzialschulkollegium übertragen. Seit 1951 nimmt sie der
Regierungspräsident Münster wahr.
1892
gelangte das Archiv des Studienfonds in das Staatsarchiv. Der
Teilbestand "Jesuiten Coesfeld" wurde erstmals Mitte des 17.
Jahrhunderts von den Jesuiten geordnet. Das bis in die
sechziger Jahre dieses Jahrhunderts gültige Findbuch dürfte
um 1800 angefertigt worden sein (siehe Sammlung der alten
Repertorien Nr. 77). Der Bestand enthält außer den
Archivalien des Jesuitenkollegs auch zahlreiche Dokumente zur
Stadtgeschichte Coesfelds. Einige Archivalien des Kollegs
sind in das Archiv des Fürsten Salm-Horstmar, Coesfeld,
gelangt (siehe Inventare der nichtstaatlichen Archive des
Kreises Coesfeld. Münster 1904), dessen Vorfahren 1803/ 06
Landesherren der neugeschaffenen Grafschaft Salm-Horstmar
waren und das Kollegiengebäude als Residenz nutzen.
Die Akten des Kollegs wurden nach dessen
Aufhebung zum Teil von Exjesuiten- und Studienkommission
weiter geführt. Da eine Trennung der Provenienz
"Jesuitenkolleg Coesfeld" und "Studienfonds Münster" mit dem
Stichjahr 1773 (= Aufhebung des Jesuitenordens) zur
Aushöhlung des Bestandes geführt hätte, wurde stattdessen in
der Regel das Jahr 1819 (= Zusammenlegung von Universitäts-
und Exjesuiten- / Gymnasialfonds) gewählt. Die Akten wurden
fortlaufend durchgezählt und sind zu bestellen:
"Studienfonds Münster Nr. ... "
Münster, im Nov. 1989
Ursula
Schnorbus
Rektoren der
Jesuitenniederlassung Coesfeld (nach Duhr, Geschichte der
Jesuiten ...)
Bernhard
Bucholtz1627-1633
Heinrich Rexing8. Juni
1649
Johannes GronäusJuni 1652
Peter
Adami10. Dez. 1655
Alexander Velthauß17. Dez.
1658
Hubert Arburg9. Jan. 1661
Johannes
Thorhoven29. März 1667
Bernhard Eichrodt21. Mai
1670
Hubert Arburg16. Aug. 1673
Johannes Westhaus1. April 1678
Hubert
Arburg28. Okt. 1679
Johannes Dirckinck11. Febr.
1683
Hubert Arburg30. April 1686
Johannes Mense15. Nov. 1689
Caspar Hülsmann9.
April 1693
Caspar Kettleler16. Juli 1696
Johannes Doro18. Nov. 1699
Heinrich Grüter26.
Dez. 1702
Peter Schmittman16. Juni 1706
Georg Schedelich21. Ju ... 1709
Gottfried
Droste22. Nov. 1711
Franz Ingen25. Febr.
1715
Franz Riese22. Sept. 1717
Theodor
Huybrechts28. Okt. 1720
Johannes Libler23. Nov.
1723
Heinrich Schwerbroich24. Nov. 1726
Franz Riese30. Nov. 1728
Franz Kemper27.
April 1733
Friederich Kuhlmann3. Mai 1736
Otto Willemin28. Juni 1739
Ernst
Oistendorff22. Juni 1741
Ferdinand Rissen16. Nov.
1745
Ernst Oistendorff13. Dez. 1748
Philipp Zurmühlen25. Jan. 1752
Ernst
Oistendorff22. April 1755
Philipp Zurmühlen24.
Okt. 1758
Franz Rinaldi15. Juli 1762
Wilhelm Krengel22. Aug. 1764
Anton Meyer23.
Dez. 1767
Bernhard Helmering24. April 1771
Literatur
··Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler
Nordrhein-Westfalen. 2 Bände.: Westfalen. Bearbeitet von
Dorothea Kluge und Wilfried Hansmann, München / Berlin
1969.
·Bernhard Duhr SJ, Geschichte der Jesuiten
in den Ländern deutscher Zunge im 16., 17. bzw. 18.
Jahrhundert. 4 Bände, Freiburg i. Br. bzw. München
1907-1928.
·Alfred Hartlieb von Wallthor, Der
Münstersche Studienfonds. Entstehung und Entwicklung des
Vermögens der alten Universität Münster, in: Die Universität
Münster 1780-1980. Herausgegeben von Heinz Dollinger, Münster
1980.
·Dr. Hans Hüer, Geschichte der Stadt
Coesfeld. Nach Darstellung von Bernhard Sökeland neu bearb.
und bis zur Gegenwart fortgeführt, Münster 1947.
·Christoph Marx. Geschichte des Gymnasiums in Coesfeld,
Coesfeld 1829.
·300 Jahre Coesfelder Gymnasium.
Herausgegeben von Otto Neumüllers, Coesfeld 1928.
Vorliegendes Findbuch A 174 II Studienfonds
Münster, Jesuitenkolleg Coesfeld - Akten wurde im Sommer 2010
von Marc Schwen unter der Betreuung von Thomas Reich mit dem
Verzeichnungsprogramm VERA abgeschrieben.
- Bestandssignatur
-
B 151 JC B 151
- Umfang
-
11268 Akten, Findbücher B 151.
- Sprache der Unterlagen
-
German
- Kontext
-
Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen (Archivtektonik) >> 1. Territorien des Alten Reiches bis 1802/03 einschließlich Kirchen, Stifter, Klöster, Städte u.ä. >> 1.2. Westfälische Fürstbistümer (B) >> 1.2.1. Fürstbistum Münster >> 1.2.1.3. Studienfonds und Missionen >> Studienfonds Münster >> Studienfonds Münster / Akten
- Weitere Objektseiten
- Geliefert über
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
05.11.2025, 13:59 MEZ
Datenpartner
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Abteilung Westfalen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand