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Die Kirmes von Hoboken

Das Dorf Hoboken in der Nähe von Antwerpen feiert ausgelassen seine Kirmes. Die Einwohner des Dorfes tummeln sich auf zwei Plätzen zwischen der Gilde zur Rechten und der Kirche in der Mitte des Bildes. Während sich die Menschen im Vorder- und Mittelgrund dem weltlichen Teil der Feierlichkeiten widmen und sich beim Tanzen und Trinken erfreuen, findet im Hintergrund das kirchliche Zeremoniell statt. Dort ist eine Prozession zu sehen, die über den Platz und anschließend in die Kirche zieht. Im vorderen Bildraum sind mehrere kleine Gruppen dargestellt, die unterschiedlichen Vergnügungen nachgehen. Man sieht beispielsweise Männer, die mit Pfeil und Bogen auf eine Zielscheibe schießen, zwei Kinder, die einen Narren an der Hand führen, oder ein Liebespaar versteckt unter einem Baum. - 1559 verkaufte Wilhelm von Oranien das Dorf an eine Antwerpener Bankiersfamilie. 1562 übertrug der neue Eigentümer die Einnahmen aus der Bier- und Weinsteuer an die Gemeinde. Diese traf daraufhin ein Abkommen mit der Stadt Antwerpen, wonach es Hoboken gestattet war, die Steuersätze auf die Hälfte des Antwerpener Satzes zu reduzieren und zudem auch den Einwohnern Antwerpens das Biertrinken in Hoboken zu erlauben. Durch den niedrigen Bierpreis wurden die Volksfeste von Hoboken nun auch für die Einwohner von Antwerpen besonders attraktiv. Die Teilnahme an den beiden jährlichen Kirmessen wurde zu einem beliebten Feiertagsvergnügen. Der Anlaß für die Kirmessen (kermis = kirk-mass) in katholischen Gebieten waren die Feier der Gründung der jeweiligen Kirche (Kirchweih) und der Namenstag ihres Patrons. - Der Stich von Frans Hogenberg, zu dem eine signierte Vorzeichnung von Pieter Breugel aus dem Jahr 1559, zeitgleich zum Verkauf des Dorfes, erhalten ist, thematisiert die Feste auf dem Land. Ein weiteres Blatt mit beinahe identischem Bildaufbau, das um 1561 entstand, zeigt eine Kirmes am St. Georgstag. Beide Blätter enthalten Inschriften, die sich in ihrer Zielsetzung ähneln. Während bei der Kirmes am St. Georgstag die Forderung der Bauern nach ihrer Kirmes zu lesen ist, stehen unter dem Geschehen der Kirmes von Hoboken flämische Verse. Hiernach erfreuen sich die Trunkenbolde an der Kirmes, indem sie sich nach Herzenslust zanken, prügeln und betrinken wie die Tiere. Sie würden sogar Fasten und der Kälte trotzen, um zu ihrer Kirmes zu gelangen. Möglicherweise sollten diese beiden Stiche nicht nur die zeitgenössischen Feiern auf dem Land dokumentieren, sondern als Protest gegen die Politik Karls V. dienen. Dieser hatte versucht, Exzesse bei Feierlichkeiten durch Edikte einzuschränken. In seinem Edikt vom 7.Oktober 1531 geht er unter anderem auf die Kirmessen ein. Um die in seinen Augen undisziplinierten Trinkgelage zu verringern, verfügt er, daß die Kirmessen an einem festgelegten Tag stattfinden müssen und nicht länger als diesen einen Tag dauern dürfen. Diese Edikte waren nur ein Teil einer Reihe von Maßnahmen der Obrigkeit und der Kirche gegen das volkstümliche Festwesen, die diese im Laufe des 16. Jahrhunderts immer weiter einzuschränken versuchte. Beispielsweise durften bei Hochzeiten nur noch höchstens 20 Gäste, die aus dem engsten Familien- und Freundeskreis stammen mußten, bewirtet werden. Zudem durften die Feierlichkeiten nicht länger als den Tag der Hochzeit und den nächsten Tag bis zum Nachmittag dauern. Für die Kirche war hierbei die Unterdrückung der in ihren Augen weltlichen Entartungen wichtig. Den weltlichen Machthabern war eher die als irrational, heidnisch und archaisch angesehene Lebensform der Menschen auf dem Land ein Dorn im Auge. Sie strebten nach einer rationalen Form des gesellschaftlichen Lebens mit einem entsprechenden Sittenkodex. Die 1559 neu eingesetzte Statthalterin der Niederlande, Margarethe von Parma, versuchte verstärkt die Edikte Karls V. durchzusetzen. - In der niederländischen Kunst tritt das Thema der Dorfkirmes um 1550 gleichzeitig in der Graphik und in der Tafelmalerei auf. Ziel war es, die große Vielfalt der Beschäftigungen und das bisweilen verwirrende Durcheinander der Kirmessen darzustellen. In der Graphik wurden Ausschweifungen, leichtfertiges Benehmen sowie moralische und physische Gefahren meist ausführlicher und auch drastischer dargestellt als in der Malerei. -

Die Kirmes von Hoboken | Urheber*in: Hogenberg, Frans / Fotograf*in: Katharina Anna Haase 2021 / Rechtewahrnehmung: Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität

Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International

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Standort
Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
Inventarnummer
D 5186
Maße
Höhe: 298 mm (Blattmaß)
Breite: 408 mm (Blattmaß)
Material/Technik
Papier; Kupferstich
Inschrift/Beschriftung
Aufschrift: Gulde van hoboken (Banner am rechten Bildrand (niederländisch) )
Aufschrift: FHB (ligiert) (Signatur des Stechers)
Aufschrift: Bruegel (Name des Hersteller des Vorbilds; Rechter Bildrand)
Marke: Göttinger Bibliotheksstempel
Aufschrift: Die boeren verblyen...steruen van kauwen. (Bildunterschrift (niederländisch) )

Klassifikation
Zeichnung/Grafik (Hessische Systematik)
Kupferstich (Oberbegriffsdatei)
Bezug (was)
Kirchweih
Schützenverein
Fest
Dorfplatz
Kalenderfeste, nicht-liturgisches Feiern von Festtagen des Kirchenjahres

Ereignis
Entstehung
(wer)
(wann)
ca. 1559 - ca. 1590 (Datierung nach Fertigstellung des Vorbilds und Ableben des Stechers)
Ereignis
Herstellung
(wer)
Ereignis
Veröffentlichung
(wer)
unbekannter HerausgeberIn, 16.Jahrhundert , Wirkungsort: Niederlande (Name dem Blatt entnommen: "Bartolomeus mumpere")

Förderung
Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Deutsche Digitale Bibliothek aus Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Letzte Aktualisierung
24.04.2025, 12:58 MESZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
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Objekttyp

  • Grafik

Beteiligte

Entstanden

  • ca. 1559 - ca. 1590 (Datierung nach Fertigstellung des Vorbilds und Ableben des Stechers)

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