Bestand

Wehrmachtauskunftstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene (Bestand)

Bestandsbeschreibung: Die Haager Landkriegsordnung vom 18. Okt. 1907 legte in Artikel 14 fest, dass im Kriegsfalle die beteiligten Staaten "Auskunftsstellen über Kriegsgefangene" ein-richten müssen. Diese sollten feindliche Kriegsgefangene in eigenem Gewahrsam registrieren, über Todesfälle Auskunft geben sowie Verwundungen und Lazarettauf-enthalte nachweisen. Die Haager Landkriegsordnung sah einen Austausch der Per-sonalblätter der Kriegsgefangenen zwischen den ehemaligen Feindstaaten nach einem Friedensschluss vor. Zentral-Nachweise-Bureaus bestanden im Deutschen Reich in Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden diese Bureaus, die Zentralstelle für Nachlaßsachen und die Kriegergräber-Fürsorge-Abteilung des Preußischen Kriegsministeriums im Zentral-nachweiseamt für Kriegerverluste und Kriegergräber (ZAK) zusammengefasst. Dieses erteilte Auskünfte über deutsche Soldaten und Kriegsgefangene.

Gemäß Artikel 77 des Genfer Abkommens über die Behandlung von Kriegsgefan-genen vom 27. Juli 1929 wurde die Wehrmachtauskunftstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene (WASt) als Dienststelle des OKW am 26. Aug. 1939 eingerichtet. Sie unterstand als Gruppe der Abteilung Wehrmachtverlustwesen (WVW), die ihrer-seits eine Abteilung des Allgemeinen Wehrmachtsamtes war. Die WASt hatte ihren Dienstsitz in der Hohenstaufenstr. 47/48 in Berlin und beschäftigte 1943 ca. 4000 Mitarbeiter (Overmans, Verluste, S. 23). Sie registrierte Meldungen über deutsche Soldaten, Kriegsgefangene der Feindstaaten, verwahrte Kriegstestamente und Nachlässe und führte den Nachweis über Kriegsgräber. Im Aug. 1943 wurde die Ab-teilung Wehrmachtverlustwesen und einzelne Referate der WASt nach Saalfeld und Meiningen in Thüringen verlegt.

Die WASt gliederte sich in acht Fachreferate. Referat I wertete die Verlustmel-dungen, Referat II die Lazarettmeldungen und Referat III die von den Feindstaaten übermittelten Kriegsgefangenenmeldungen aus. Referat IV sammelte sämtliche Grabmeldungen, Referat V bearbeitete die Nachlassangelegenheiten und Referat VI stellte mit der Zentralkartei das wichtigste Findhilfsmittel zur Beauskunftung zu-sammen. Referat VII war für die Führung und Aktualisierung der Erkennungsmarken-verzeichnisse zuständig. Referat VIII wertete die Listen deutscher Kriegsgefan-genenlager aus und übermittelte diese Listen an die Schutzmächte bzw. das Inter-nationale Komitee vom Roten Kreuz.

Die wichtigste Aufgabe der WASt war die Ausstellung von Kriegssterbefallanzeigen bzw. die Übergabe einer Urkunde an die Angehörigen von Soldaten des Heeres, der Marine und der Luftwaffe. Sie war Voraussetzung für die "juristischen Konsequenzen des Todes" (Overmans, Verluste, S. 26), d.h. für Erbschaften, Witwenrente und Wiederverheiratung. In der Personenstandsverordnung der Wehrmacht war festgelegt, dass der Tod eines Soldaten nur durch die WASt beim Standesamt des letzten Wohnorts angezeigt werden durfte. Waffen-SS und militärähnliche Verbände (z.B. Polizei und RAD) verfügte über eigene Auskunftssysteme.

Die WASt führte ihre Auskunftstätigkeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter Aufsicht der amerikanischen Militär-Kontroll-Kommission weiter. Das Veto der französischen Gruppe im Alliierten Kontrollrat verhinderte die geplante Vernichtung der Unterlagen. Daraufhin beschloss das Koordinierungskomitee des Alliierten Kon-trollrats die WASt der französischen Gruppe des Alliierten Kontrollrats zu unterstellen. Die französische Besatzungsmacht übertrug der WASt die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Verlustfällen aller militärischer und militärähnlicher Verbände. Das bedeutete die Übernahme der Beauskunftung für Mitglieder des Volkssturms, des RAD, der Organisation Todt, der Polizei usw.

1951 erhielt die WASt mit Zustimmung der Westalliierten den Status einer Behörde des Landes Berlin. Da sie jedoch Bundesaufgaben wahrnimmt, ist ihr Haushalt ein Titel im Haushaltsplan des Bundesministers des Innern. Personenbezogene Anfra-gen zu Todesfällen, deutschen Kriegsgefangenen in alliiertem Gewahrsam und zur Lage von Gräbern sollten an die Deutsche Dienststelle (WASt), Eichborndamm 179, 13403 Berlin gerichtet werden.

Leiter

26. Aug. 1939 ¿ 10. Jan. 1945 Walther Bourwieg

13. Jan. ¿ Apr. 1945 Konrad Ritter und Edler von Dall¿Armi

Apr. 1945 ¿ 21. Dez. 1953 Stabsintendant/Regierungsoberinspektor Schlagk

Inhaltliche Charakterisierung: Der Bestand RW 48 umfasst Akten zu Organisation und Dienststellenverwaltung. Darin sind Bestimmungen zur Schriftgutverwaltung und Zuständigkeit enthalten. We-nige Archivalien zu den Referaten spiegeln deren Aufgaben wieder. Neben Richt-linien, Vorschriften und Formularen zur Beauskunftung beinhalten diese Akten Korrespondenz. Der Großteil des Bestandes besteht aus Listen, die von Angehö-rigen der Wehrmachtauskunftstelle im Ministerial Collecting Center in Fürstenhagen kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges unter Aufsicht der amerikanischen Militär-Kontroll-Kommission erstellt wurden. Sie beinhalten Daten der ersten und der letzte Personalliste von Dienststellen, Verbänden und Einheiten der Wehrmacht. Welche Listen gemeint sind, läßt sich nicht mehr feststellen. Vermutlich handelt es sich um Erkennungsmarkenverzeichnisse.

Zum Bestand RW 48 lag eine Findkartei vor. Im Mai 2007 wurde der Bestand neu verzeichnet und ein Online-Findbuch erstellt. Die Akten sind den Klassifikationspunkten Organisation und Dienststellenverwaltung, Referate sowie Dienststellen, Verbände und Einheiten der Wehrmacht zugeordnet. Bei der Neuverzeichnung sind 11 Akten des Zentralnachweiseamtes für Kriegerverluste und Kriegergräber dem Bestand RW 48 entnommen und an die Deutsche Dienststelle (WASt) abgegeben worden.

Erschließungszustand: Online-Findbuch

Zitierweise: BArch RW 48/...

Bestandssignatur
Bundesarchiv, BArch RW 48
Umfang
445 Aufbewahrungseinheiten
Sprache der Unterlagen
deutsch

Kontext
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Militär >> Reichswehr und Wehrmacht 1919 bis 1945/1946 >> Zentrale Einrichtungen der Reichswehr und der Wehrmacht >> Weitere nachgeordnete Einrichtungen

Bestandslaufzeit
1919-1945
Provenienz
Wehrmachtsauskunftsstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene, 1928-1945

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Letzte Aktualisierung
16.01.2024, 08:43 MEZ

Objekttyp


  • Bestand

Beteiligte


  • Wehrmachtsauskunftsstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene, 1928-1945

Entstanden


  • 1919-1945

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