Bestand

[S 1] 01 Prozess- und Sammelakten - Rats- und Magistratsgericht (Bestand)

Verwaltungsgeschichte/biographische Angaben: Die Bürgermeister und der Rat der Stadt Lemgo agierten bis ins 19. Jhd. nicht nur als Verwaltungsinstanz, sondern auch als Gerichtsinstanz. Neben der Ausübung der Blutgerichtsbarkeit (siehe "Kriminalverfahren" und "Hexenprozesse") waren insbesondere leichte Körperverletzungen und Beleidigungen (Real- und Verbalinjurien), Vergehen gegen polizeirechtliche Vorschriften beim Mahlen, Brauen, Maß und Gewicht ... Gegenstand der städtischen Rechtsprechung. Bürgermeister und Rat waren Marktgericht und nächste höhere Instanz für die Beschlüsse der Bauerrichter (siehe auch dort). Im Zivilrecht konkurrierte das Rats- und Magistratsgericht mit dem landesherrlichen Richter und seinem (Unter-)Stadtgericht (siehe auch dort).

Im Vergleich von 1794 wurde dem Magistrat die auschließliche Untersuchung und Bestrafung der Excesse in der Stadt, in der Feldmark und in den Gehölzen zugestanden. Berufung erfolgte an die Regierungs-Kanzlei.

Die (Gerichts)Verhandlungen vor dem Rat wurden in den Ratsprotokollen aufgezeichnet. Die Serie der Protokolle befindet sich im A-Bestand - Stadt Lemgo bis 1932. In Frage kommen dabei insbesondere die sog. Audienz-Protokolle des Geschworenen und Alten Rates, die von 1658 bis 1817 (A 323 - A 344, A 403 - A 411) geführt wurden. Für die Zeit davor sind die Protokolle von Geschworenem und Altem Rat (A 166 - A 203, A 314 - A 322, 1583 - 1666) zu benutzen. Das "Protocollum Publicum" der vier Haufen nach der Lemgoer Stadtverfassung (1602 - 1849, A 35 - A 57) weist bis ins 17. Jahrhundert ebenfalls noch Gerichtsverhandlungen auf. Danach und bis zur lippischen Gemeindeordnung von 1843 werden Gerichtsstreitsachen nicht mehr vor diesem Gremium verhandelt.

In der Lippischen Städteordnung von 1843 wurde die in Zivilsachen konkurrierende Rechtsprechung in § 92 dem Stadtrichter zuerkannt. Bis auf Lemgo wurde die städtische Gerichtsbarkeit in den lippischen Städten dem Stadtrichter übertragen, der dafür auch Hilfspersonal erhalten sollte und die Bezeichnung Justiz-Bürgermeister oder Syndicus führen konnte (vgl. § 93). Damit war erstmals eine Trennung zwischen Justiz und Verwaltung auf kommunaler Ebene herbeigeführt. Der Stadtrichter wurde nun durch Magistrat und Stadtverordnete gewählt, landesherrlich bestätigt, durch die Stadt besoldet und in Ausübung der Rechtspflege unabhängig vom Magistrate und unmittelbar der Regierung und den Obergerichten unterworfen.

In Lemgo blieben die Verhältnisse mit zwei Justizbürgermeistern allerdings bestehen. Eine Trennung von Justiz und Verwaltung wurde erst 1858 durchgeführt. Die Tätigkeit des Stadtrichters gelangte durch Ministerialerlass vom 11.05.1868 in die Hände des Justiz-Magistrates. Diese Personalunion war in den anderen lippischen Kommunen nicht zugelassen, da der Stadtrichter nicht gleichzeitg Bürgermeister, Magistratsmitglied oder Stadtverordneter sein durfte (vgl. Lippische Städteordnung 1843, § 111).

Das endgültige Ende der städtischen Gerichtsbarkeit in Lippe kam mit der reichsweiten Einführung der staatlichen Amtsgerichte 1879.

Prozessakten befinden sich auch im Bestand 01.02.01A - Stadt Lemgo bis 1932, wenn sie nach Pertinenz aufgeteilt worden sind und nach ihrem Streitgegenstand oder den beteiligten Streitparteien zugeordnet wurden (u. a. Ämter und Gilden).

Unterlagen des Stadtgerichts Lemgo bzw. des Justiz-Magistrates Lemgo ab 1858 (mit Vorläufern) befinden sich auch im Landesarchiv NRW, Abt. OWL, in Detmold, Bestand L 88 Lemgo, darunter Konkurssachen, Zwangsversteigerungen, Grundstücksverkäufe, Katastersachen, Hypotheken, Ablösungen, Schuldsachen, Depositenbücher etc.

Erschließung

Der Bestand umfasst Einzelprozessakten sowie eine große Zahl von Sammelakten, die nur Prozessteile oder Prozessfragmente enthalten und häufig gar nicht oder nur in Stichworten erschlossen sind. Auch bei den Einzelprozessakten ist der Streitgegenstand bisher nicht bei allen Verzeichnungseinheiten erfasst. Die angegebenen Laufzeiten beziehen sich bei vielen Prozessen nur auf das Anfangsjahr des Prozesses. Der Bestand wird noch einer umfassenden Revision unterzogen und die fehlenden Punkte ergänzt.

Lemgo, März 2015

Oeben

Bestandssignatur
01.02.10 A

Kontext
Stadtarchiv Lemgo (Archivtektonik) >> Stadt Lemgo bis 1969 >> Gerichtsakten des Rates/Magistrats

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Letzte Aktualisierung
06.03.2025, 18:28 MEZ

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