Zeichnung

Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren

Gemeinsam mit dem »Baummenschen« in Wien und dem »Eulennest« in Rotterdam zählt die Berliner Zeichnung zu den wenigen authentischen Zeichnungen von Hieronymus Bosch. Das rätselhafte Thema hat sich bis heute einer ganz schlüssigen Auflösung entzogen. Die Ohren zwischen den Bäumen und die einzelnen Augen beziehen sich auf das Sprichwort »Das Feld hat Augen, der Wald hat Ohren. Ich will sehen, schweigen und hören«. Als Vergleich bietet sich ein niederländischer Holzschnitt von 1546 an. Das Sprichwort meint, daß man überall belauscht und gesehen werden kann und deshalb besser schweigen soll, um sich nicht zu verraten. Schwieriger ist die Einbindung der anderen Bildelemente. Die Eule im hohlen Baumstamm kann die Sünde, aber auch Weisheit und Melancholie symbolisieren. Und auf die Tierfabel von Reineke Fuchs geht die Szene am Fuß des Baumes zurück; hier sitzt ein Fuchs, der sich von dem hereinblickenden Hahn abwendet, aber voller Hinterlist verstohlen zu seinem Opfer schielt. So mag das Thema lauten: Die Eule sieht und hört, was unter und über ihr - wo kreischende Vögel das Geäst bevölkern - geschieht, schweigt aber dazu in kluger Voraussicht. Einen wichtigen Hinweis für die Interpretation könnte auch die wohl eigenhändige, auf ein Traktat des 13. Jahrhunderts zurückgehende Aufschrift liefern: »Derjenige ist armen Geistes, der stets nur bereits Erfundenes benutzt, selbst aber nichts hervorbringt.« In ähnlicher Form finden sich diese Worte noch bei Albrecht Dürer. Schöpferisch, Eigenes erfindend, soll der Künstler sein; so mag die Eule auch als Sinnbild der Melancholie zu verstehen sein, die man ihm früher zuordnete. Und es wurde gefragt, ob mit der Darstellung des Waldes bewußt auf den Namen des Zeichners angespielt werden sollte, heißt doch »Bosch« im Holländischen Wald. Liegt hier also eine Allegorie auf das Selbstverständnis und die nachdenkliche Klugheit des Künstlers vor? Hieronymus Bosch war als Maler von phantasievollen, figurenreichen Altarbildern schon zu Lebzeiten berühmt und bei Sammlern hochgeschätzt. Text: Holm Bevers in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 171f., Kat. IV.5 (mit weiterer Literatur)

Material/Technik
Feder in Braun / handgeschöpftes Papier (vergé) mit Stegschatten
Maße
Blattmaß: 20,2 x 12,7 cm
Standort
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
KdZ 549

Klassifikation
Zeichenkunst

Ereignis
Herstellung
(wann)
o.J.
Ereignis
Herstellung (Umkreis)
(wer)

Rechteinformation
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
Letzte Aktualisierung
03.03.2023, 08:34 MEZ

Objekttyp


  • Zeichnung

Beteiligte


Entstanden


  • o.J.

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