Gemälde

Susanna und die beiden Alten

Rembrandts Darstellung der keuschen Susanna zählt zu den bedeutendsten Werken des Malers in der Berliner Gemäldegalerie. Das Thema entstammt dem Alten Testament, demzufolge in Babylon ein reicher Mann namens Jojakim zusammen mit seiner schönen und frommen Frau Susanna lebte. In seinem Haus verkehrten auch zwei alte, hochangesehene Richter, die in Begierde zu Susanna entbrannten und ihr schließlich beim Baden auflauerten. Gerade als Susanna ihre Dienerinnen fortgeschickt hatte, traten die beiden Alten aus ihrem Versteck hervor und bedrängten sie, ihnen zu Willen zu sein. Sie drohten ihr, sie im Falle der Verweigerung des Ehebruchs mit einem Jüngling zu bezichtigen. Susanna erkannte ihre ausweglose Situation: willigte sie ein, sündigte sie gegen Gott, verweigerte sie sich, drohte ihr die Todesstrafe. Sie blieb jedoch standhaft, weigerte sich und schrie. Auch die beiden Alten riefen lautstark und erklärten, Susanna beim Ehebruch überrascht zu haben, worauf hin diese angeklagt und zum Tode verurteilt wurde. Als man sie zur Hinrichtung führte erkannte der junge Daniel durch eine Eingebung Gottes schließlich ihre Unschuld und entlarvte die Richter, welche an Susannas Stelle hingerichtet wurden.Rembrandt erfasste die Szene in ihrem dramatischen Höhepunkt. Susanna hat ihr Gewand abgelegt und ist soeben im Begriff ins Wasser zu steigen, als sie von den beiden Alten überrascht wird. Ein Richter ist von hinten an sie herangetreten und hat ihr Lendentuch ergriffen, mit dem sie schützend ihre Blöße zu verdecken sucht, während der zweite sich durch die Gartentür nähert und ihren Körper mit lüsternem Blick betrachtet.Für die Verwirklichung dieses besonderen Bildes bedurfte es insgesamt dreier Anläufe, bevor es 1647 von Rembrandt vollendet wurde. Der langwierige, sich wahrscheinlich über mehr als 12 Jahre hinziehende Malprozess wurde begleitet von einem regen Austausch innerhalb der Werkstatt. Eine erstaunliche Vielzahl von Zeichnungen und Ölstudien belegen die intensive Auseinandersetzung des Meisters und seiner Schüler mit diesem Thema. Nicht zuletzt zeigt sich, wie dicht sich Rembrandt zunächst noch an das Vorbild seines Lehrers Pieter Lastman hielt. Für sein Susanna-Gemälde orientierte sich Rembrandt an der Komposition Pieter Lastmans, verdichtete jedoch die psychologische Durchdringung des Themas, indem er den Betrachter zum unmittelbaren Zeugen von Susannas auswegloser Situation machte.In der ersten, vermutlich um 1635 begonnenen Version des Bildes reichte ein ursprünglich strahlend blauer Himmel tief nach unten. Auf der Gartenmauer war ein nach rechts gewandter Pfau und links neben ihm die Figuren der zwei Dienerinnen von Susanna sichtbar. Auf dem Boden und von rechts ins Bild ragend war Vegetation zu erkennen. Susannas Gesicht, mit nach hinten gerichtetem Blick und leicht geöffnetem Mund, war zunächst noch direkt an Lastmans Vorbild angelehnt und dem Betrachter frontal zugekehrt. Sie trug Perlenohrringe und ihre Haare fielen seitlich herab. Ihr abgelegter Mantel war in dieser Version bläulich-weiß gefärbt und mit einer blauen Schärpe versehen. Auch die Figur des Alten hinter Susanna war ursprünglich anders gestaltet. Vermutlich reichte sein vorgestreckter, linker Arm weiter nach oben, so dass er Susannas Schulter ergriffen haben dürfte.Für die zweite Version ergänzte Rembrandt im Hintergrund die Darstellung mit einer turmartigen Architektur, vor der sich ein hoher Baum befand. Zusätzlich wurden auf dem Wasser ein flatternder Schwan und zwei kleinere Wasservögel eingefügt. Susannas Kopf wurde, mit Blick aus dem Bild, ins Dreiviertelprofil gedreht. Gleichzeitig ordnete Rembrandt ihren linken, in der ersten Version noch eng an den Körper gepressten Unterarm mehr waagerecht an, so dass der Oberarm mit einem größeren Abstand zum Körper fast senkrecht nach unten führte. Entsprechend wurde auch der Alte hinter Susanna korrigiert, so dass er Susanna nun, unter ihrem Arm hindurch, direkt an die Brust griff. Auch Susannas Mantel wurde verändert, indem Rembrandt den Stoff gelb übermalte und mit einer breiteren, roten Schärpe versah. Gleichzeitig wurde rechts das Motiv der roten auf ebener Erde stehenden Pantöffelchen der Susanna hinzugefügt. Für die dritte und letzte Version des Bildes verkleinerte Rembrandt den hohen Baum vor der Palastarchitektur und färbte den Himmel in einem kühlen Grau. Der aufgeschreckte Schwan und die zwei Wasservögel wurden von ihm entfernt und direkt hinter Susanna in den Felsen eine Aushöhlung in Muschelform eingefügt. Unterhalb von Susannas abgelegtem Mantel fügte Rembrandt eine Steinstufe ein, so dass die Pantöffelchen nun kippelig auf dem Rand zu stehen kamen. Sehr grundlegend beschäftigte sich Rembrandt nochmals mit der Figur der Susanna. Ihr linker Arm wurde erneut beschützend dicht an den Körper herangeführt. Ihr linkes Bein wurde stärker angewinkelt, sodass ihr abgesetzter Fuß nun auf der gerundeten Stufe des Wasserbassins ruht. Auch ihren abgelegten Mantel veränderte Rembrandt nochmals, indem er diesen mit rotem Farblack übermalte. Auch der Alte hinter Susanna wurde nochmals korrigiert. Sein linker Arm wurde zurückgenommen, so dass er nun mit seiner linken Hand ihr Lendentuch ergreifen und es ihr vom Körper zieht. Abschließend dunkelte Rembrandt das gesamte Bild ab. In diesem Zustand signierte und datierte Rembrandt an der unterhalb von Susannas Mantel neu hinzugefügten Stufe sein Gemälde.Ein Reproduktionsstich von Richard Earlom nach dem Berliner Bild aus dem Jahr 1769 dokumentiert die Version des Gemäldes, die Rembrandt 1647 der Nachwelt hinterließ. Ein Vergleich offenbart schnell, dass an dem Gemälde nach 1769 nochmals umfangreiche Überarbeitungen vorgenommen wurden. Zum großen Erstaunen fanden sich bisher nicht erkannte, umfangreiche Überarbeitungen des Gemäldes aus dem 18. Jahrhundert, die sehr wahrscheinlich Sir Joshua Reynolds vornahm, als sich das Bild von 1769-1792 in seinem Besitz befand. Reynolds eliminierte dabei nicht nur diverse auf dem Schabkunstblatt noch sichtbare Details, sondern griff auch sonst gründlich in das Werk ein. Teilweise entfernte er die ursprünglich sichtbare Malerei von Rembrandt vollständig, bevor er die Partien neu bemalte. In anderen Bereichen dünnte er die vorhandenen Farbschichten, bevor er auch diese übermalte. In einigen kleineren Partien entfernte er nur obere Farbschichten, um sich durch das Freilegen von Malschichten an verschiedenen Stellen Einblicke in das Bild zu erlauben. Abschließend legte er über große Bereiche des Bildes eine dünne grünlichbraune Farbe und veränderte so den ursprünglich kühlen Farbwert des Bildes. Da der Zustand des Bildes auch heute noch sehr gut ist, kann im 18. Jahrhundert keine Notwendigkeit für eine Restaurierung bestanden haben. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den Überarbeitungen somit nicht um eine Restaurierung, sondern um eine Art von „Verbesserung“ gehandelt haben dürfte.| 200 Meisterwerke der europäischen Malerei - Gemäldegalerie Berlin, 2019SIGNATUR / INSCHRIFT: rechts unten: Rembrandt.f.[1]647____________________________________________________________Rembrandt’s painting of the chaste Susanna is among his most important works in the Berlin Gemäldegalerie. The subject is taken from the Old Testament, which reports that a rich man named Joakim lived in Babylon with his beautiful, godly wife Susanna. Two old, respected judges who are visitors to his house ardently desire Susanna, and finally lie in wait when she is bathing. Just as Susanna sends away her maids, the two old men emerge from their hiding place and importune her to let them have their way with her. They threaten to accuse her of adultery with a young man if she refuses. Susanna realises the hopelessness of her situation: if she consents, she commits a sin against God, but if she denies them, she faces a sentence of death. However, she stands firm, refuses and shouts out. The two old men also call out loudly and declare that they have surprised Susanna in the act of committing adultery. At this, she is put on trial and condemned to death. As she is being led to her execution, the young Daniel by divine inspiration realises that she is innocent and reveals the guilt of the judges, who are executed instead of Susanna. Rembrandt captured the scene at its dramatic climax. Susanna has taken off her robe and is about to enter the water when the two old men take her by surprise.One judge has approached her from behind and grabbed the cloth around her waist with which she is trying to cover her nakedness, while the second comes through a garden gate and eyes her body with a lustful gaze.For the execution of this remarkable painting, a total of three attempts were necessary before Rembrandt completed it in 1647. The laborious process of painting it, which was probably drawn out over more than twelve years, was accompanied by a lively exchange of ideas within the studio. An astonishingly large number of drawings and studies in oil demonstrate the intensity with which the master and his pupils explored the theme. It is evident that Rembrandt at first closely followed the example of his teacher Pieter Lastman (fig. left). For his painting of Susanna, Rembrandt was guided by Pieter Lastman’s composition, but handled the theme with increased psychological insight by making the beholder an immediate witness to Susanna’s hopeless situation.In the first version of the painting, probably begun in 1635, a sky that was originally radiant blue extended far down. On the garden wall was a peacock, facing right, and to the left of it Susanna’s two maidservants could be seen. Vegetation was visible on the ground and projecting into the scene from the right. Susanna’s face, as she looked behind her with a slightly open mouth, was at first directly based on Lastman’s model and faced the viewer full-on. She was wearing pearl earrings, and her hair tumbled down at the side. Her discarded robe was coloured blue-white in this version and had a blue sash. The figure of the old man behind Susanna, too, took a different form originally. His outstretched left arm is thought to have extended higher, so that he may have grasped Susanna’s shoulder.For the second version, Rembrandt added in the background the tower-like architecture, in front of which stood a tall tree. In addition to this, a swan with flapping wings and two smaller waterfowl were placed on the water. Susanna’s head was turned, looking out of the picture in three-quarter profile. At the same time Rembrandt arranged her left hand, still closely held to her body in the first version, in a more horizontal position so that her upper arm pointed almost vertically downwards, further away from her body. To match this, an alteration was made to the old man behind Susanna so that he now directly reached through beneath her arm to touch her breast. Susanna’s robe, too, was changed: Rembrandt overpainted the fabric in yellow and gave it a wider sash in red. At the same time, the motif of Susanna’s red slippers placed on flat ground was added on the right.For the third and final version of the painting, Rembrandt reduced the size of the tall tree in front of the palace like building and gave the sky a cool grey colour. He removed the startled swan and the two waterfowl, and inserted a shell-shaped cavity into the rock right behind Susanna. Beneath Susanna’s cast-off robe, Rembrandt added a stone step, so that the slippers now stood precariously on the edge. He also devoted himself once more to the figure of Susanna, in an extremely fundamental way. Her left arm was again pressed close to her body in a protective gesture. Her left leg was bent more, so that her raised foot now rested on the curved step of the pool of water. Rembrandt also altered her discarded robe once again by overpainting it in red varnish. The old man behind Susanna, too, was amended once more. His left arm was drawn back so that he now takes hold of the cloth around her waist with his left hand and pulls it from her body. Finally, Rembrandt made the wholepicture darker. In this condition, he signed and dated his painting on the newly added step below Susanna’s robe.A reproduction engraving by Richard Earlom of 1769 based on the work now in Berlin records the version of the painting that Rembrandt left to posterity in 1647 (fig. right). A comparison quickly reveals that extensive alterations were undertaken again after 1769. Most astonishingly, far-reaching, previously unidentified changes to the work were made in the 18th century, in all probability by Sir Joshua Reynolds when it was in his possession between 1769 and 1792. Reynolds not only eliminated various details that were visible on the mezzotint, but also intervened in the work thoroughly in other ways. In places, he completely removed Rembrandt’s originally visible painting and then newly painted these areas. In other places, he made the existing layers of paint thinner before overpainting them. In a few small areas, he removed the upper layers of paint only in order to gain insights into the picture by uncovering painted layers in various places. Finally, he coated a large surface of the work with thin, green-brown paint, thus changing the originally cool colouring of the scene. As the work remains in an excellent condition to this day, there can have been no need for restoration in the 18th century. It may therefore be assumed that these alterations must have been a kind of “improvement” rather than a restoration.| 200 Masterpieces of European Painting - Gemäldegalerie Berlin, 2019

Gesamtansicht, freigestellt | Fotograf*in: Christoph Schmidt

Public Domain Mark 1.0

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Material/Technik
Tropenholz (Amaranth)
Maße
Rahmenaußenmaß: 99 x 115,3 cm
Bildmaß: 76,7 x 92,9 cm
Standort
Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
828E

Ereignis
Erwerb
(Beschreibung)
1883 Ankauf von Sir Edmund Lechmere (Worcestershire) durch Vermittlung des Kunsthändlers Charles Sedelmeyer, Paris
Ereignis
Herstellung
(wer)
Sir Joshua Reynolds (1723 - 1792), Maler*in
Rembrandt Harmensz van Rijn (1606 - 1669), Maler*in
(wo)
Amsterdam
(wann)
1647

Letzte Aktualisierung
02.05.2023, 11:25 MESZ

Objekttyp


  • Gemälde

Beteiligte


Entstanden


  • 1647

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