Bestand

Lehen- und Adelsarchiv (Bestand)

Überlieferungsgeschichte

Das Lehnswesen im weiteren Sinn betreffende Überlieferungen aus nahezu allen im Großherzogtum Baden aufgegangenen Territorien des Alten Reiches.

Inhalt und Bewertung

Von Interesse für vielerlei verfassungs-, sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Fragen im Kontext des Alten Reiches.

Überlieferungsgeschichte: Bei der Entstehung des Großherzogtums Baden gingen die lehnsherrlichen Rechte sowohl des Reiches als auch der säkularisierten und mediatisierten Territorien auf den badischen Souverän über. Das Lehnsverhältnis wurde im 5. Konstitutionsedikt (Lehenedikt) vom 12. August 1807 neu geregelt. Zuständig für die Bearbeitung der Lehnsangelegenheiten war das Justizministerium in seiner Eigenschaft als Lehnhof. Dass das Lehnswesen selbst einen Anachronismus darstellte, war inzwischen allgemeine Auffassung. Nachdem seit 1809 die Allodifikation möglich war, kam es 1849 im badischen Landtag zu einem Vorstoß zur Aufhebung des Lehnsverbands, was jedoch wegen der Revolutionsereignisse unterblieb. Übergangsgesetze vom 19. April 1856 und 9. August 1862 sollten die Voraussetzung für die Abschaffung des Lehnsverband schaffen. Die meisten Standes- und Grundherren waren zu dieser Zeit noch badische Vasallen, weil die Allodifizierung schwierig und teuer war. In den Folgejahren wurde sie zwar zur Regel, vereinzelte Güter blieben aber noch bis Ende der 1880er Jahre im Lehnsverband. Da das Justizministerium ständig auf ältere und laufende Lehnsakten zurückgriff, wurden die Akten der territorialen Lehnshöfe im Generallandesarchiv nicht nach dem Brauer'schen Prinzip auf die Lokalpertinenzbestände verteilt, sondern in einem eigenen Bestand Lehenakten zusammengefaßt. Die Sachpertinenz erfuhr dabei eine immer weitere Ausdehnung. Aus vielen Beständen - etwa aus den Archiven der Ritterkantone - wurden Archivalien aller Art über Adelsfamilien zum Lehenselekt gelegt, das 1873 schließlich den Namen "Lehen- und Adelsarchiv" erhielt. 1895 wurde bei den Akten über einzelne Adelsfamilien eine zweite Serie eingerichtet (Neuere Spezialia), auf die das Justizministerium bei der Bearbeitung von Stammgutsfragen und dergleichen noch ständig zurückgreifen mußte. Der Bestand setzt sich daher aus den verschiedensten Provenienzen zusammen. Neben den Akten der größeren Lehnshöfe sind bei den Spezialia auch kleinere Herrschaften wie Hanau-Lichtenberg, Rappoltstein oder das Damenstift Säckingen mit ihren Lehnsakten vertreten. Mit Archivalien der Freiherren von Wessenberg gelangten 1899 sogar Teile eines adligen Familienarchivs hierher. Für das 19. Jahrhundert finden sich neben den Akten des Justizministeriums auch Akten der Kreisregierungen und Bezirksämter. Die eigentlichen Lehnsakten - zu denen häufig auch Prozessakten gehören - setzen sich oft aus einer Fülle von originalem oder abschriftlichem Beweismaterial zusammen, das weit über den Belehnungsvorgang selbst hinausreicht. Zahlreiche Rechnungsserien oder Güterverzeichnisse aus niederadliger Verwaltung kamen vermutlich im Zusammenhang mit Vormundschaftsprozessakten zu dem Bestand. Die Vorakten sonstiger adliger Familien können nur über einen noch unvollständigen allgemeinen Namensindex ermittelt werden.

Inhalt und Bedeutung: Die Akten des sogenannten Lehen- und Adelsarchivs wurden aufgrund unzureichender Erschließung in der Forschung bisher nur wenig beachtet. Sie sind jedoch für viele verfassungs-, sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Themen von großer Bedeutung, so beispielsweise für Repräsentation, Rangfragen und hierarchische Regelwerke im Alten Reich, für Standeserhöhungen durch den Pfälzer Kurfürsten in seiner Eigenschaft als Reichsvikar, für Ahnenproben zur Aufnahme in Domkapitel oder Ritterorden, bei denen immer wieder auch älteres Beweismaterial abschriftlich vorgelegt werden musste, für adlige Konkurse und allerlei sonstige Familienangelegenheiten, für strittige Herrschaftsverhältnisse und für vielerlei Sonstiges mehr. Der Quellenwert des Bestands ist nicht gering zu schätzen.

Gliederung: Der Bestand gliedert sich in: 1. Generalakten der Lehnshöfe in den weltlichen und geistlichen Territorien des Alten Reiches. 2. Standeserhöhungen durch den Pfälzer Kurfürsten in seiner Eigenschaft als Reichsvikar. 3. Generalia und Aufschwörungsakten des Johanniter-Ordens (zugehörige Aufschwörungen in Bestand 73). 4. Aufschwörungsakten des Deutschen Ordens. 5. Spezialia nach dem Alphabet der Lehnsträger (wozu auch Städte oder Klöster gehören). 6. Neuere Spezialia nach dem Alphabet der Lehnsträger (vorwiegend 19. Jahrhundert, im einzelnen aber auch älter). . Hinweis: Die Generalakten des badischen Justizministeriums über Lehnsangelegenheiten befinden sich in Bestand 234 (Rubriken "Lehensachen" und "Stammgut"), eine umfangreiche Überlieferung zu einzelnen Lehen in Bestand 233 (Rubrik "Adel"), da das Ministerium des Großherzoglichen Hauses in Lehnsangelegenheiten abschließend tätig wurde. Zur Selektierung der Pergamenturkunden - die nicht konsequent vollzogen wurde - vgl. Bestand 44. Die Aufschwörungsakten des Damenstifts Säckingen kamen 1990 zum Bestand 97.

Umfang: Der Bestand umfasst alles in allem 10333 Akten im Signaturbereich 1-11179 und hat einen Umfang von insgesamt 199 laufenden Metern.

Erschließung: Für die älteren Akten des Lehen- und Adelsarchivs legten Max Gulat-Wellenburg und andere Karlsruher Archivare um 1923 eine Kartei an. Um dieselbe Zeit fertigten verschiedene Mitarbeiter des Generallandesarchivs auch ein Findmittel zu den neueren Akten, das aber nur für das erste Drittel des Alphabets (A-H) erhalten ist. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts war eine Verweiskartei von älteren auf jüngere Lehnsinhaber entstanden. Im Rahmen eines von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg bewilligten Projekts wurde der Bestand schließlich in den Jahren 2004 bis 2007 von Dr. Peter Steuer ganz neu verzeichnet; Enthält- und Darin-Vermerke waren bei dieser Maßnahme ausdrücklich nicht vorgesehen. Beginnend mit Nr. 2001 wurden die bis dato nur familienbezogen gezählten Archivalien-Einheiten in eine durchgehende Nummernfolge gebracht und vorkommende a- oder sonstige Unternummern beseitigt; so entspricht nun jede Titelaufnahme einer Akte. Bei den Älteren Spezialia wurden unter Einschluss von Nachträgen 7955 Titelaufnahmen gefertigt (laufende Nummern 2001-9955), bei den Neueren Spezialia 1221 (laufende 9956-11176), das heißt es wurden insgesamt 9176 neue Titelaufnahmen erstellt. Die Endredaktion besorgte 2011 Dr. Kurt Andermann.

Bestandssignatur
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 72
Umfang
10335 Akten im Signaturbereich 1-11181.

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Akten >> Lehen- und Adelsarchiv
Verwandte Bestände und Literatur
Rainer Brüning und Gabriele Wüst (Bearb.), Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 6, Bestände des Alten Reiches, insbesondere Generalakten (71-228), Stuttgart 2006, S. 23-44.
Heinz F. Friederichs, Familienarchive in öffentlichem und privatem Besitz. Register der Familienarchive, Familienstiftungen, genealogischen Nachlässe und Sammlungen in Europa und Überseee, 2 Bde., Neustadt a.d. Aisch 1972 und 1977 (die Urkunden und Akten des Lehen- und Adelsarchives und die Aufschwörungen des Bestandes 73 sind hier unter der mißverständlichen Bezeichnung "Familienurkunden" und "Familiengeschichte" aufgenommen).

Bestandslaufzeit
(1281)-1895

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Letzte Aktualisierung
03.04.2025, 11:03 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • (1281)-1895

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