Bestand

Landratsamt und Kreisausschuss des Kreises Schwetz (Bestand)

Findmittel: Datenbank; Findbuch, 1 Bd.

Vorbemerkung

Behördengeschichte:
Im Zuge der Ersten Polnischen Teilung 1772 erlangte Preußen durch den Teilungsvertrag von Petersburg das Ermland, Pogesanien, Pommerellen und den Netzedistrikt. Während das Ermland dem bisherigen Preußen zugeschlagen und das Territorium insgesamt als Provinz Ostpreußen benannt wurde, erhielt das restliche Verwaltungsgebiet die Bezeichnung Provinz Westpreußen mit einer eigenen Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder und der Kriegs- und Domänenkammerkommission bzw. später -deputation zu Bromberg, letztere für den Netzedistrikt zuständig.
Die Stein-Hardenbergschen Verwaltungsreformen führten zur Auflösung der Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder und Einrichtung der Westpreußischen Regierung mit Sitz in Marienwerder. Auf Kreisebene wurde Westpreußen durch landrätliche und steuerrätliche Kreise, Immediatstädte sowie Domänenämter verwaltet.[1]
Im Zuge der Neuorganisation der Kreisgliederung in Preußen[2] auf Grundlage der auf dem Wiener Kongress beschlossenen Grenzziehungen entstand am 01. April 1818 der Kreis Schwetz durch Ausgliederung aus dem Kreis Konitz im Regierungsbezirk Marienwerder.[3] Hatten die Kreise grundsätzlich schon vor den Stein-Hardenbergschen Verwaltungsreformen in einer Doppelfunktion als ständische Verbände und untere staatliche Verwaltungsbezirke fungiert, blieb diese Charakteristik auch jetzt erhalten: der Landrat als Vertreter des Staates wurde vom König auf Vorschlag des Kreistags ernannt, die Landratsämter waren der dienstlichen Aufsicht der Regierungen unterstellt. Zum Geschäftskreis des Landrates zählten die allgemeine Landesverwaltungspolizei, Militärsachen, Gewerbeangelegenheiten sowie die Aufsicht über das Regalien- und Abgabewesen, insbesondere Steuerveranlagung und Steuereinziehung. Der vom Landrat einberufene Kreistag hatte beratende Funktion, seine Aufgaben beschränkten sich weitestgehend auf die Steuerverteilung und Prüfung der Verwendung der Kreismittel.[4]
Entsprechend der Kreisordnung von 1850[5] wurden als Vollzugsorgane der Kreisselbstverwaltung Kreisausschüsse begründet, denen man über die Zuweisung von Angelegenheiten der allgemeinen Landesverwaltung gleichzeitig den Charakter einer staatlichen Verwaltungsbehörde verlieh. Die Ausschüsse setzten sich zusammen aus dem Landrat als Vorsitzenden und vier[6] aus der Kreisversammlung gewählten Mitgliedern. Der Umfang der übertragenen Aufgaben wuchs schon bald über den ursprünglichen Auftrag - Vorbereitung der Kreistagsbeschlüsse, Verwaltung der Kreisangelegenheiten und Ernennung der Kreisbeamten - hinaus und umfasste u. a. die Armen- und Wegepolizei, gewerbe-, bau- und feuerpolizeiliche Angelegenheiten, öffentliche Gesundheitspflege sowie die Justizverwaltung. Der Geschäftskreis des Landrats selbst blieb im Wesentlichen unverändert, neue Aufgaben entstanden in der Folgezeit aus der Durchführung der Gewerbe- und Versicherungsgesetzgebung.[7]
Die Bestimmungen des Versailler Vertrages führten am 28. Juni 1919 zur Auflösung des bisherigen Regierungsbezirks Marienwerder. Das Gebiet des Kreises Schwetz fiel 1920 an den polnischen Staat. Im Zuge der Besetzung Polens durch deutsche Truppen wurde der Kreis Schwetz 1939 Teil des Regierungsbezirkes Bromberg im neu gebildeten Reichsgau (Danzig) Westpreußen, um dann nach Ende des Zweiten Weltkrieges erneut Polen zugesprochen zu werden.[8]

Bestandsgeschichte:

Die wechselnde staatliche Zugehörigkeit des Gebietes der Provinz Westpreußen spiegelt sich auch in der Geschichte des Schriftguts der dortigen Behörden und seiner archivalischen Quellen wider. Die sich bereits 1918 anbahnende und im Versailler Vertrag ein Jahr später beschlossene Eingliederung des Territoriums in den wiedererstandenen polnischen Staat bzw. die neubegründete Freie Stadt Danzig führte zu einer Verlagerung sowohl von archivischen (Teil-) Beständen als auch laufenden Behördenschriftgut auf preußisches Gebiet vor allem nach Königsberg und Berlin; ein Prozess, der sich zum Ende der erneuten Zugehörigkeit des Territoriums zum Deutschen Reich 1939 - 1944 wiederholen sollte.
Wann konkret und auf welchem Wege die vorliegende Überlieferung Landratsamt und Kreisausschuss des Kreises Schwetz in das Geheime Staatsarchiv gelangte, ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu beantworten. In einem 1912 publizierten Überblick des damaligen Archivdirektors Max Bär zu den Beständen des Staatsarchivs Danzig wird der Bestand unter der Abteilungsnummer 204 aufgeführt. Jedoch lässt sich nicht eindeutig erkennen, ob die archivische Aufstellung lediglich vorbereitend oder bereits nach Abgabe durch die Behörde und archivischer Bewertung erfolgte.[9]
Die originäre Überlieferung "Abteilung 204 Landratsamt und Kreisausschuss Schwetz" umfasste 1330 Verzeichnungseinheiten aus dem Zeitraum 1773 bis 1902.[10]
Das bisher in Dahlem verwendete undatierte Findmittel beinhaltet Akzessionen aus den Jahren 1925, 1933 sowie 1938.[11] Der Bestand wurde hier dem im selben Gebäude beheimateten Grenzmarkarchiv der Provinz Posen-Westpreußen zugeordnet. Mit der Eingliederung des größten Teils der Grenzmark Posen-Westpreußen zum 1. Oktober 1938 in die Provinz Pommern meldete das Staatsarchiv Stettin seine Zuständigkeit für die Archivalien des Grenzmarkarchivs an; in ihrer Mehrheit verblieben die Akten jedoch im Geheimen Staatsarchiv und wurden nach Auflösung des Grenzmarkarchivs im gleichen Jahr in die neu eingerichtete Ostabteilung überführt.[12]
Wie insgesamt bei den ursprünglich aus dem Staatsarchiv Danzig bzw. aus dem Registraturgut der Behörden der Provinz Westpreußen stammenden Unterlagen wurde auch die Überlieferung des Landratsamtes bzw. Kreisausschusses Schwetz im Geheimen Staatsarchiv später als XIV. Hauptabteilung unter Übernahme der Danziger Repositurnummer aufgestellt.
Im Zuge der Retrokonversion und teilweisen Neuerschließung der genannten Archivalien im Zeitraum 2016/2017 wurden im Hinblick auf deren Onlinestellung auch die im Findmittel ‚Verzeichnis von Akten des Staatsarchivs Danzig' [13] unter der Abteilung 204 Landratsamt und Kreisausschuss des Kreises Schwetz (seit 1808) aufgeführten Akten[14] 2021/2022 durch die Unterzeichnende neu verzeichnet, neu signiert, klassifiziert, durch Indizes erschlossen und in die heutige Repositur 204 Landratsamt und Kreisausschuss Schwetz eingearbeitet. Eine Altsignaturenkonkordanz erleichtert das Auffinden bekannter Signaturnummern.
Gleichzeitig zu den Erschließungsarbeiten erfolgte eine bestandserhaltende und magazintechnische Bearbeitung. Die Akten wurden gereinigt, mit Mappen und neuen Signaturschildern versehen sowie in Archivkartons verpackt.


Verweis auf weitere Bestände des GStA PK:

- XIV. HA Westpreußen, Rep. 181 Regierung zu Marienwerder
- I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern
- I. HA Rep. 212 Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen
- XI. HA, PKM Plankammer der Regierung zu Marienwerder.

Weiterführende Literatur:

- Bär, Max: Die Behördenverfassung in Westpreußen seit der Ordenszeit. Mit einem Geleitwort von Bernhart Jähnig (Sonderschriften des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen e. V., Nr. 62). Danzig 1912, Nachdruck Hamburg 1989.
- Bär, Max: Das Königliche Staatsarchiv zu Danzig, seine Begründung, seine Einrichtungen und seine Bestände. Leipzig 1912.
- Biernat Czeslaw: Staatsarchiv Danzig - Wegweiser durch die Bestände bis zum Jahr 1945. Generaldirektion der Staatlichen Archive Polens, aus dem Polnischen übersetzt von Stephan Niedermeier (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte, Band 16). München 2000.
Dortans, Johann-Ludwig: Die Verwaltung des westpreußischen Regierungsbezirks Marienwerder in den Jahren 1815 bis 1829. Bonn 1964.
- Henning, Friedrich-Wilhelm: Wirtschaft, Gesellschaft, Bevölkerung im Herzogtum Preußen/Ostpreußen, in: Opgenoorth, Ernst: Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens. Teil II/2: Vom Schwedisch-Polnischen Krieg bis zur Reformzeit 1655 - 1807. Lüneburg 1996, Seite 56 ff. (Einzelschriften der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung, Band 10).
- Kruppe, Michael: Das Staatliche Archivlager in Göttingen (1953-1979): seine Geschichte, seine Bedeutung, in: Preußenland. Jahrbuch der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung und der Copernicus-Vereinigung für Geschichte und Landeskunde Westpreußens. Mitteilungen aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (6) 2015. Osnabrück 2016.
- Letkemann, Peter: Archivalien zur Geschichte Westpreußens im Geheimen Staatsarchiv in Berlin, in: Beiträge zur Geschichte Westpreußens. Zeitschrift der Copernicus-Vereinigung zur Pflege der Heimatkunde und Geschichte Westpreußens e. V. Nr. 3, 1970, Seite 138 - Seite 147.
- Mies, Horst: Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Marienwerder 1830 - 1870. Köln/Berlin 1972 (Studien zur Geschichte Preußens, Band 17).
- Rasmus, Rugo: Schwetz an der Weichsel. Stadt und Kreis. Natur - Geschichte - Wirtschaft - Kultur. Münster 2001.
- Stojanowski, Jozef: Das Schicksal der ehemaligen preußischen Provinz "Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen". Warszawa1957.
- Toeppen, Max: Historisch-comparative Geographie von Preussen. Nach den Quellen, namentlich auch archivalischen dargestellt. Gotha 1858.
- Wagner, Ursula: Die Preußische Verwaltung des Regierungsbezirkes Marienwerder 1871 - 1920. Köln 1982 (Studien zur Geschichte Preußens, Band 35).
- Unruh, Georg-Christoph von: Der Landrat. Mittler zwischen Staatsverwaltung und kommunaler Selbstverwaltung. Köln und Berlin 1966.


Formalangaben:

Letzte vergebene Nummer*: 625
(* bei Signierung nach nc)
Umfang (in laufenden Metern): 16,7
Lagerungsort: Dahlem
Die Akten sind auf weißen Leihscheinen wie folgt zu bestellen:
XIV. HA, Rep. 204 Nr. #
Zitierweise:
XIV. HA Westpreußen, Rep. 204 Landratsamt und Kreisausschuss des Kreises Schwetz, Nr. #

Berlin, 16. März 2022 (Constanze Krause M.A.; Archivamtsrätin)

_______________________
Endnoten:
[1] Vgl. Toeppen, Max: Historisch-comparative Geographie von Preussen. Nach den Quellen, namentlich auch archivalischen dargestellt. Gotha 1858, Seite 308 ff. sowie Henning, Friedrich-Wilhelm: Wirtschaft, Gesellschaft, Bevölkerung im Herzogtum Preußen/Ostpreußen, in: Opgenoorth, Ernst: Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens. Teil II/2: Vom Schwedisch-Polnischen Krieg bis zur Reformzeit 1655 - 1807. Lüneburg 1996, Seite 56 ff. (Einzelschriften der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung, Band 10).
[2] Vgl. "Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden vom 30. April 1815", in: Gesetzsammlung für die Königlich-Preußischen Staaten. Berlin 1815, Seite 85 ff.
[3] Vgl. Rasmus, Rugo: Schwetz an der Weichsel. Stadt und Kreis. Natur - Geschichte - Wirtschaft - Kultur. Münster 2001, Seite 75 f.
[4] Vgl. Bär, Max: Die Behördenverfassung in Westpreußen seit der Ordenszeit. Mit einem Geleitwort von Bernhart Jähnig (Sonderschriften des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen e. V., Nr. 62). Danzig 1912, Nachdruck Hamburg 1989, Seite 219 ff.
Justizangelegenheiten gehörten nicht zum Verantwortungsbereich des Landrates. Vgl. Mies, Horst: Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Marienwerder 1830 - 1870. Köln/Berlin 1972, Seite 46. (Studien zur Geschichte Preußens, Band 17).
[5] "Kreis-, Bezirks- und Provinzial-Ordnung für den preußischen Staat. Vom 11. März 1850", in: Gesetzsammlung für die Königlich-Preußischen Staaten. Berlin 1850, Seite 251 ff.
[6] Später sechs Mitglieder.
[7] Vgl. "Kreisordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen. Vom 13. Dezember 1872", in: Gesetzsammlung für die Königlich-Preußischen Staaten. Berlin 1872, Seite 661 ff. sowie "Bekanntmachung, betreffend die Redaktion der Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen. Vom 19. März 1881", in: Gesetzsammlung für die Königlich-Preußischen Staaten. Berlin 1881, Seite 179 ff.
[8] Vgl. Rasmus, Rugo: Schwetz an der Weichsel. Stadt und Kreis. Natur - Geschichte - Wirtschaft - Kultur. Münster 2001, Seite 9.
[9] Vgl. Bär, Max: Die Behördenverfassung in Westpreußen seit der Ordenszeit. Mit einem Geleitwort von Bernhart Jähnig (Sonderschriften des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen e. V., Nr. 62). Danzig 1912, Nachdruck Hamburg 1989, Seite 352.
Demnach begann nach der Eröffnung des Staatsarchivs in Danzig ab Frühjahr 1903 die Übernahme von älteren Registraturen, u. a. von Landratsämtern. Vgl. ebenda, Seite 343.
[10] Vgl. Bestandsverzeichnis des Staatsarchivs Danzig aus der Zeit vor 1945: Abt. 204 Landratsamt und Kreisausschuss Schwetz (Signatur: GStA PK, Altfindmittel, Varia, Nr. 55).
[11] Im Einzelnen: 1925 (21 Verzeichnungseinheiten (VE)); 1933 (333 VE); 1938 (8 VE).
[12] Vgl. Stojanowski, Jozef: Das Schicksal der ehemaligen preußischen Provinz "Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen". Warszawa1957, Seite 14 ff.
[13] XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, Findbuch-Nr. 705; In diesem Verzeichnis sind die in Goslar 1949/1951 noch vorgefundenen Akten aus dem Staatsarchiv Danzig zusammengefasst.
113 Pakete der Abt. 204 wurden am 13. September 1944 in das Kalibergwerk Grasleben ausgelagert und später nach Goslar verbracht; vgl. Bestandsverzeichnis des Staatsarchivs Danzig aus der Zeit vor 1945: Verzeichnis der Bestände des Reichsarchivs Danzig mit Angabe der derzeitigen Aufbewahrungsorte (Signatur: GStA PK, Altfindmittel, Varia, Nr. 161) sowie Kruppe, Michael: Das Staatliche Archivlager in Göttingen (1953-1979): seine Geschichte, seine Bedeutung, in: Preußenland. Jahrbuch der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung und der Copernicus-Vereinigung für Geschichte und Landeskunde Westpreußens. Mitteilungen aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (6) 2015. Osnabrück 2016, Seite 126 ff.
1952/53 wurde das in Goslar verwahrte Archivgut in das damalige Staatliche Archivlager nach Göttingen verbracht und 1979 an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz abgegeben.
[14] 263 VE.




Zitierweise: GStA PK, XIV. HA, Rep. 204

Reference number of holding
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, XIV. HA, Rep. 204
Extent
Umfang: 16,7 lfm (625 VE); 16,7 lfm (625 VE)
Language of the material
deutsch

Context
Tektonik >> TERRITORIALÜBERLIEFERUNGEN, PROVINZIAL- UND LOKALBEHÖRDEN >> Westpreußen >> Die preußische Provinz bis 1920 >> Innere und Polizeiverwaltung

Date of creation of holding
Laufzeit: 1772 - 1919

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28.03.2023, 8:52 AM CEST

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  • Laufzeit: 1772 - 1919

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