Bestand

Nachlass Kromer, Carl Theodor (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Geb. 10. August 1901 in Freiburg, gest. 28. August 1993 ebd. Nach dem Abitur Eintritt in die väterliche Schraubenspundfabrik in Freiburg sowie Studium an den Technischen Hochschulen Karlsruhe und Stuttgart (1922 Diplom, 1930 Promotion in Karlsruhe), 1922 technischer Leiter der Fabrik. Ab 1923 Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen. 1927-1929 technisch-wirtschaftlicher Berater bei den Kraftübertragungswerken Rheinfelden, 1929 Wechsel zur Generaldirektion der Gesellschaft für elektrische Unternehmungen in Berlin, 1943 Berufung in den Vorstand der Badenwerk AG in Karlsruhe, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zugleich Landeslastordner für den französisch besetzten Teil Badens, 1954-1967 Vorstandsvorsitzender der Badenwerk AG; zahlreiche Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsmandate bei Energieunternehmen.
Inhalt und Bewertung
Vorstandstätigkeit bei der Badenwerk AG (v.a. Bau und Betrieb von Kraftwerken); Mitgliedschaft in Organisationen und Kommissionen; Lehrtätigleit (v.a. Technische Hochschule Karlsruhe); Publikationen und Vorträge

Biografischer Abriss: Carl-Theodor Kromer wurde als Sohn des Fabrikanten Max Kromer und seiner Ehefrau Elisabeth, geb. Krebs, am 10.8.1901 in Freiburg i. Br. geboren. Aus seiner Ehe mit Marie-Luise von Baerle-Kriekenbeck gingen ein Sohn und eine Tochter hervor. Die Familie trägt den Doppelnamen Kromer-von Baerle, den er selbst nach Aufkommen von Zweifeln an der Vereinbarkeit des Adelsprädikats mit dem deutschen Namensrecht nicht mehr verwendete. Am 28.8.1993 ist Carl Theodor Kromer in seinem Heimat- und langjährigen Wohnort Freiburg verstorben. [...] Der Eindruck, dass die stärksten Impulse für die Entwicklung der Wirtschaft von der Erzeugung und Verteilung von Elektrizität ausgingen, dürfte entscheidend für Studium und Berufswahl gewesen sein, die Überzeugung von der Relevanz staatlicher Mitwirkung entscheidend für den späteren Eintritt in das 1921 gegründete Badenwerk, eine Aktiengesellschaft, deren Allein-Aktionär das Land Baden - seit 1952 das Land Baden-Württemberg - war: Sie schuf, ab 1928 zusammen mit der Schluchseewerk AG, ein zunehmend flächendeckendes Energiegewinnungs- und Verteilungssystem und setzte u.a. Maßstäbe für die Herausbildung eines im "gemeinwirtschaftlichen" Interesse liegenden badischen "Normaltarifs". Das Erlebnis der katastrophalen Folgen des Kohlemangels und der Unterbrechung von Bahnverkehr und Schifffahrt sowie der neuen Grenzziehung am Oberrhein zwischen 1920 und 1924 schließlich förderte ein Verständnis für internationale Wirtschaftsverflechtungen und grenzübergreifende Zusammenarbeit einerseits, für Verbesserung deutscher Verkehrsbedingungen (Eisenbahnelektrifizierung) andererseit. Nach dem Abitur trat Kromer in den väterlichen Betrieb in Freiburg ein, eine als Aktiengesellschaft geführte Schraubenspundfabrik mit mechanischer Werkstatt und Eisengießerei, und studierte an den Technischen Hochschulen Karlsruhe und Stuttgart. 1922 erwarb er sein Diplom und wurde Technischer Leiter der Fabrik. Ab 1923 hielt er nebenher an der Universität Freiburg als Assistent des Seminars für technisch-wirtschaftliche Fragen der Industrie Vorlesungen und las am Chemischen Institut über allgemeine Maschinenlehre und Elektrotechnik. Außerdem hielt er zusammen mit Professor Briefs Colloquien über den technisch-wirtschaftliche Probleme der Gegenwart und ihre Zusammenhänge in der Wirtschaft; die Ergebnisse wurden 1925 von ihm zusammengefasst, 1926 publiziert. Er erstellte auch Gutachten für andere Unternehmungen und befasste sich mit Fragen des Baus von Wasserkraftwerken, bis er 1927-1929 als technisch-wirtschaftlicher Berater in den Kraftübertragungswerken Rheinfelden tätig wurde. Diesen Beruf konnte er mit Vorlesungen an der Nürnberger Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften über technisch-wirtschaftliche Probleme der Energieerzeugung und -verteilung und über Fabrikanlagen und Fabrikorganisation in Einklang bringen, ebenso mit seiner Doktorarbeit: 1930 promovierte er bei Professor Robert Haas in Karlsruhe zum Dr.-Ing. Haas war als Generaldirektor der Kraftübertragungswerke Rheinfelden sein Vorgesetzter und auch für den Verwaltungsrat der Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt AG tätig. Mit ihm zusammen hatte Kromer 1928 Aufsätze über Wirtschaftlichkeit von Pumpenspeicherwerken, Laufwasserkräften und Speicherwasserkräften veröffentlicht. Der Dissertation vorausgegangen war ferner die Mitarbeit an einem 1928 erschienenen Buch von Walther Windel, Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Berlin, über Aufbau und Entwicklungsmöglichkeiten der europäischen Elektrizitätswirtschaft, dessen zweiten Teil über ausländische Elektrizitätswerke und internationalen Stromaustausch er übernahm. [...] Schon im Frühjahr 1929 übernahm er bei der Generaldirektion der Gesellschaft für elektrische Unternehmungen in Berlin, einer Finanzierungs- und Holdinggesellschaft der Elektroindustrie mit Interessenschwerpunkt Straßenbahn- und Kraftwerkbau, die technisch-wirtschaftlichen Arbeiten für die 2. Weltkraftkonferenz in Berlin 1930. Aus Berlin wurde er 1943 in den Vorstand der Badenwerk AG Karlsruhe berufen. Inzwischen hatte er durch Zeitschriftenaufsätze v.a. über Austausch von Strom- und Dampflieferung zwischen öffentlichen Kraftwerken und Brikettwerken und über Stromversorgung der Industrie durch öffentliche Kraftwerke sowie durch Beiträge zur Marktforschung und zur Elektrifizierung ländlicher Orte zunehmend in Fachkreisen an Bekanntheit gewonnen. Dass er sich mit der Befürwortung internationaler Verbundnetze in Gegensatz zur Propagierung nationaler Autarkie während des "Dritten Reichs" brachte, geriet nicht zum beruflichen Nachteil, zumal die NSDAP keine einheitliche Linie vertrat und während des Zweiten Weltkriegs die Energieproduktion des besetzten Auslands für Deutschland durch ein Verbundsystem nutzbar gemacht wurde. Kromer fungierte zunächst als stellvertretendes, dann ordentliches Vorstandsmitglied der Badenwerk AG. Da nie NSDAP-Mitglied gewesen, also politisch unbelastet, konnte er auch ab 1945 seine Funktionen ungehindert wahrnehmen, soweit die Zeitumstände das zuließen. Dekartellisierungsmaßnahmen und Zwangsverwaltung der Besatzungsmächte betrafen auch Elektrizitätsgesellschaften und Kraftwerke: Die französische Militärregierung erkannte deren "öffentlichen" Charakter nicht an und beeinträchtigte sogar Grenzkraftwerke am Hochrhein. An seinem Freiburger Wohnsitz wirkte Kromer bis Frühjahr 1952 als "der Landeslastordner der französisch besetzten Zone in Baden" bzw. Landeslastverteiler. Das Wirtschaftsministerium beteiligte ihn an Verhandlungen über die von der Militärregierung verfügten Stromsperren und Strombezugseinschränkungen sowie an deren Umsetzung, an der Tarif- und Preisgestaltung - und an der Planung von Außenwirtschaftsmaßnahmen wie dem Strombezug aus der Schweiz und aus Frankreich, die seit Übernahme des Energiewirtschaftsgesetzes von 1935 in das Recht des Bundes vom Bundeswirtschaftsministerium genehmigt werden mussten. Die allseitige und kontinuierliche Informiertheit war für die Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der Badenwerk AG (1.1.1954-31.12.1967) von Nutzen. In dieser Zeit des Aufschwungs nahm die Badenwerk AG z.B. 1957 in der Hierarchie westdeutscher Energieversorgungsunternehmen die 6. Stelle ein, musste zwar wegen voll ausgelasteter Anlagen bei wachsender Nachfrage verstärkt investieren und konnte weite Teile Badens nur "unter enger Bindung an das übergelagerte Verbundnetz" mit elektrischer Arbeit versorgen, hat aber dem Alleinaktionär Baden-Württemberg jahrelang Spitzendividenden ausgeschüttet und galt daher 1960 als eine der wirtschaftlichsten Anlagen des Landes. Der Anteil der aus fremden Kraftwerken bezogenen Energie lag damals noch unter 20%, landeseigene Dampfkraftwerke lieferten etwa doppelt so viel Elektrizität wie Wasserkraftwerke und galten weiterhin als zukunftsträchtig. An dieser Entwicklung hatte Kromer maßgeblichen Anteil: Gemäß von ihm am 11.12.1953 angeregter Satzungsänderung gab bei Pattsituationen im Vorstand die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Zu seinen Pflichten gehörten regelmäßige Berichte vor dem Aufsichtsrat und dem Aufsichtsratsausschuss über die aktuelle Stromversorgungslage, Verhandlungen mit anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, den Sachstand bei Projektierung, Konzessionierung und Bau herkömmlicher Kraftwerke am Rhein sowie v.a. seit 1956 über den verlauf der Verhandlungen um Errichtung eines ersten Kernkraftwerks in Baden-Württemberg. Die Badenwerk AG gehörte zwar zu den Mitbegründern der Kernreaktor Bau- und Betriebs-GmbH, mit deren Hilfe 1957 der Baubeginn für das Kernforschungszentrum in Karlsruhe möglich wurde, zeigte sich aber anfangs eher zurückhaltend. Zur Drucklegung des ausführlichen Berichts über eine Studienreise nach Amerika (1950) bewilligte der Aufsichtsratsausschuss 1954 Kromer und anderen Teilnehmern finanzielle Mittel. Nach Eintritt in den Ruhestand gehörte er 1968-1980 dem Aufsichtsrat der Badenwerk AG, der die Geschäftsführung des Vorstands zu kontrollieren hat, selbst an. Er war aber auch jahrelang Vertreter der Badenwerk AG in Kontrollgremien anderer Aktiengesellschaften, an denen sie mit Kapital beteiligt war. Seit 1945 gehörte er dem Aufsichtsrat der Schluchseewerk AG an, war (1954-1962) regelmäßig Teilnehmer an den Aufsichtsratssitzungen der Kraftübertragungswerke Rheinfelden AG (Baden) und hatte ab 1965 bis Juni 1969 den Vorsitz im Aufsichtsrat der Rheinkraftwerk Säckingen AG, in welchen Zeitraum die Eröffnung des Werkes am 8.4.1968 fiel. Bei der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk AG wurde er 1975 vom Aufsichtsrat zur Wiederwahl in den Verwaltungsbeirat vorgeschlagen. In Aktiengesellschaften nach schweizerischem Recht war er Mitglied des Verwaltungsrats und damit eines Entscheidungsträgers: seit 1946 und noch 1961 bei der Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt AG Rheinfelden (Schweiz), bei der Rheinkraftwerk AG seit der konstituierenden Sitzung 1964 bis zur Liquidation des Unternehmens 1973. Ertrag solcher Mitgliedschaften waren u.a. Vorträge anlässlich von Hauptversammlungen und deren Publikation in Schweizer Fachzeitschriften. Gelegentlich hat er auch Gastvorlesungen an der Technischen Hochschule Zürich gehalten. Als Vorstand der Badenwerk AG war er seit 1956 im Beirat für Kernenergie beim Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg und in der 1956 als Verein gegründeten Arbeitsgemeinschaft zum Studium der Errichtung eines Kernkraftwerks. Sie sollte einerseits die zur Aufstellung eines konkreten Projekts erforderlichen wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Erfahrungen zur Atomstromerzeugung sowie Unterlagen für den Kernkraftwerkbau sammeln, andererseits Fachkräfte für den Landesbedarf ausbilden. Auch im Verband der Elektrizitätswerke Südbadens e.V. in Freiburg scheint er von 1946 bis gegen 1966 tätig gewesen zu sein. Außerdem wirkte Kromer in internationalen Arbeitsgemeinschaften und Organisationen mit. Im Rahmen dieses Vorwortes kann nicht völlig geklärt werden, was es mit seiner Nennung als Mitglied der Weltkraftkonferenz noch 1981 und als Ehrenmitglied des Deutschen Nationalen Komitees der Weltenergiekonferenz auf sich hat. Jedoch gehörte er jahrelang der deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung von Erzeugern und Verteilern elektrischer Energie (UNIPEDE) an, fungierte 1959-1962 als Präsident und richtete 1961 in Baden-Baden deren 12. internationalen Kongress (den ersten in Deutschland) aus. Hierzu hatten die deutschen Elektrizitätswerke eingeladen. In einer der Eröffnungsansprachen wurde deutlich, dass sie in Kromer als Vizepräsidenten des VDE ihren Ansprechpartner besaßen. Um 1963-1967 war er auch in der Hydrologischen Arbeitsgruppe der Deutsch-Französischen Studienkommission für den Ausbau des Rheins zwischen Straßburg-Kehl und Lauterburg. Seit 1953 war er Honorarprofessor für Elektrizitätswirtschaft an der Technischen Hochschule Karlsruhe, wo er noch 1981 lehrte, und wurde 1964 in den Verwaltungsrat der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Karlsruhe berufen. 1952-1993 war er als Direktor der Badenwerk AG Ehrensenator der Universität Freiburg, 1955-1972 auch als Fördermitglied im Verwaltungsrat des Studentenwerks und 1959-1991 Mitglied des Universitätsbeirats. Ferner wurde er 1965-1988 als Vorsitzender des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg i. Br. e.V. und bis 1991 noch als Ehrenvorsitzender aktiv, 1965-1966 auch als Mitglied des Kuratoriums der Wissenschaftlichen Gesellschaft, einer der Universität nahestehenden Einrichtung. Hervorgehoben wurden seine Bemühungen um Nachwuchsgewinnung für technische Berufe, z.B. als Veranstalter der Edison-Jugend-Tage seit 1970, und um projektbezogene Fördermittel sowie als Initiator einer Forschungsstelle für elektrische Unfälle. Auch als Mitglied (trustee) der Thomas Alva Edison Foundation in Southfield (USA) wird er erwähnt. Auf Grund vielfältiger Verdienste erhielt er die Universitätsmedaille. Außer für wissenschaftliche, berufsständische und soziale Anliegen setzte sich Kromer als Komtur des Ritterordens vom Heiligen Grab in Jerusalem auch für konfessionelle Belange ein. Er war Träger des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland. Freiburg, Juli 2000 Eva Gießler-Wirsig

Bestandsgeschichte: Der Nachlass Kromer gelangte in drei Schenkungen 1991 (durch Carl Theodor Kromer selbst) sowie 1994 (durch Kromers Sohn) ins Staatsarchiv Freiburg. Der überwiegende Teil des Nachlasses von Carl Theodor Kromer war - nach Informationen von Kromers Sohn - indessen bereits vorher an die Badenwerk AG abgegeben worden. Das von Eva Gießler-Wirsig im Jahr 2000 erstellte Findbuch wurde im Juni 2006 unter Überarbeitung der Titelaufnahmen von Helmut Weldle digitalisiert. Aus technischen Gründen wurden die im analogen Findmittel im biografischen Abriss befindlichen Fußnoten im Online-Findbuch weggelassen. Die Endredaktion oblag dem Unterzeichneten. Der Bestand T 1 Nachlass Kromer, Carl Theodor umfasst 69 Faszikel und misst 0,6 lfd.m. Freiburg, Juni 2006 Dr. Christof Strauß

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg, T 1 (Zugang 1991/0152)
Umfang
1-69

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg (Archivtektonik) >> Nachlässe und Familienarchive >> Nachlässe und Vorlässe

Indexbegriff Person
Kromer, Carl Theodor - Nachlass
Kromer, Carl Theodor
Indexbegriff Sache
Badenwerk AG; Nachlass Kromer

Bestandslaufzeit
1922-1977

Weitere Objektseiten
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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
30.05.2023, 10:07 MESZ

Objekttyp


  • Bestand

Entstanden


  • 1922-1977

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