Neue Virtuelle Ausstellung: „Das Kino des Ersten Weltkriegs: Einsichten in eine transnationale Mediengeschichte“

Neue Virtuelle Ausstellung: „Das Kino des Ersten Weltkriegs: Einsichten in eine transnationale Mediengeschichte“

13.07.2017

Von Wiebke Hauschildt (Online-Redaktion)

„Zu den hervorstechenden Merkmalen des Ersten Weltkriegs zählen neben den neuartigen Formen der Kriegführung auch die neuartigen Formen ihrer Medialisierung. Nie zuvor ist ein Krieg so ausgiebig gefilmt, nie zuvor das Medium Film so systematisch zur Meinungslenkung instrumentalisiert worden.“

Mit diesen Worten führt Kurator Felix Schürmann vom Deutschen Filminstitut in Frankfurt am Main in die neue virtuelle Ausstellung der Deutschen Digitalen Bibliothek ein und erläutert, warum der Titel der Ausstellung sich ausdrücklich auf eine „transnationale Mediengeschichte“ bezieht: Im starken Gegensatz zur umgreifenden Nationalisierung der Filmwirtschaft mit Kriegsbeginn waren Filmemacher und Publikum zuvor an internationales Programm und eben solche Produktionsbedingungen gewöhnt. Konfrontiert mit nun kriegsbedingten starren Ländergrenzen und ähnlichen Problemen in Bezug auf das produktive Schaffen kommt die Filmwirtschaft der einzelnen Länder erstaunlicherweise auf ähnliche Antworten hinsichtlich der formalen Gestaltung, inhaltlichen Muster und ökonomischen und propagandistischen Strategien ihrer filmischen Produktion.

Die virtuelle Ausstellung akzentuiert anhand von 120 Filmausschnitten, Fotografien und Plakaten in 20 Kapiteln die Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten der unterschiedlichen Länder bei der Filmproduktion. 

Deutscher Kamera-Operateur im Schützengraben an der Westfront, ca. 1917/1918. Bundesarchiv (Rechte vorbehalten – Freier Zugang)

Filmstars, Feinde & die Front

Während in Europa das „Star-System“ noch in den Kinderschuhen steckte, hatten sich in den USA die Schauspieler und ihr Status als Star bereits etabliert. Namhafte damalige Filmgrößen wie Marie Dressler, Theda Bara oder Charles Chaplin äußerten sich nicht nur öffentlich für Kriegsanleihen, sondern drehten auch Werbefilme für die US-Notenbank. Die virtuelle Ausstellung zeigt Filmausschnitte und Set-Fotografien deutscher, britischer, italienischer und US-amerikanischer Filme, die sich die Bekannt- und Beliebtheit berühmter SchauspielerInnen zunutze machen, um die Bevölkerung propagandistisch auf den Kriegszweck einzuschwören.

Neben dem Einsatz von Filmstars war die Konstruktion von Feindbildern eine wichtige Propaganda-Technik. Speziell in den USA und Frankreich wurden Filme gedreht, die Deutsche als barbarische, blutrünstige Meute darstellten; so zeigten sie beispielsweise deutsche Soldaten, die Kinder hinrichten und Babys aus Fenstern werfen. Im Gegensatz zu diesen plumperen Formen der Propaganda versprach sich das deutsche Bild- und Filmamt der Obersten Heeresleitung mehr von sogenannten „Tendenzdramen“. Sie sollten vordergründig unterhalten und subtil die jeweilige Kriegsbotschaft vermitteln. Hierzu wurde 1917 eigens die Universum-Film AG, kurz Ufa, gegründet. Der Plan sollte nicht aufgehen, da die Ufa sich schnell auf „reine Unterhaltungsfilme spezialisierte und ihren politischen Auftrag weitgehend ignorierte“, wie Kurator Felix Schürmann erläutert.

„Laßt die draußen nicht im Stich! – Sorgt ihr nicht für die Front, kann euch die Front nicht schützen“ ist die Botschaft eines deutschen Werbefilms für Kriegsanleihen von 1916. Vor allem in Deutschland und Großbritannien, wo die Bevölkerung zuhause kaum mit Kampfhandlungen in Berührung kam, sollte eine Verbundenheit zwischen Soldaten und ZivilistInnen hergestellt werden: Heimat, Front, Heimatfront. So wurden beispielsweise den Soldaten an der Front Programme vorgespielt, wie sie auch in zivilen Filmvorführungen zu sehen waren, um einer „Entfremdung“ von der Heimat entgegenzuwirken.

„Und Eure Pflicht? Zeichnet Kriegsanleihe“ Mit einem Verweis auf das leidvolle Schicksal der Frontsoldaten fordert dieses Plakat von Zivilisten, ebenfalls Opfer zu bringen. Landesarchiv Baden-Württemberg (CC BY 3.0 Deutschland)

Als die Bilder lügen lernten

Neben Filmstars, Feinden und der Front führt die Ausstellung durch zahlreiche weitere Themengebiete: von unsichtbaren Kameramännern, neuen Genres (der Spionagefilm!) und klassischen Geschlechterrollen bis hin zu typischen Propagandatechniken und der Verwendung von „aktuellen“ Archivaufnahmen. Schwerpunkte werden durch die „Im Fokus“-Kapitel gesetzt: Zu Kameramann Wolfgang Filzinger, zur Schauspielerin Henny Porten und zu Kirchenruinen als Motivikonen vertiefen diese die Einblicke in Filmproduktion und -schaffen in den unterschiedlichen Ländern während des Ersten Weltkriegs.

Eine virtuelle Ausstellung, die mit klaren Worten und vielen historischen Film- und Fotomaterialien ein umfassendes Bild dieses Teils der Mediengeschichte zeichnet – anschauen!

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Download Gemeinsame Pressemitteilung der Deutschen Digitalen Bibliothek und des Deutschen Filminstituts zur Ausstellung (19.07.2017)

 

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