Der Würfel ist ein Symbol des Zufalls, des Glücks oder auch der Endgültigkeit. Schon in der Antike waren der Würfel sowie die Unveränderlichkeit seiner Wurfergebnisse als Sinnbild geläufig: Julius Caesar prägte an der Kriegsfront die Redewendung „Die Würfel sind gefallen“ („Alea iacta est“, wörtlich: „Der Würfel ist geworfen“).

Die meisten von uns kennen den Würfel als geometrischen Körper mit sechs quadratischen Seitenflächen, die ein bis sechs Augen zählen, zwölf gleich langen Kanten und acht Ecken. Die Augen der gegenüberliegenden Seiten ergeben in der Summe sieben.

Aber Würfel gibt es auch in rund oder als Quader, mit individueller, spielabhängiger Anzahl von Augen oder sogar in Tierform, so dass sie den Anschein erwecken, die Zufälligkeit und Gleichverteilung der möglichen Ergebnisse zu unterwandern.

Warum aber gab es verschiedene Formen? Welche Entwicklungen hat der Würfel durchlaufen? Und welche spannenden Geschichten und Erzählungen stecken dahinter?

Lassen Sie uns gemeinsam den Spuren des Würfels und des Würfelspiels folgen!

Der ungeklärte Ursprung des Würfels

Um die Entstehungsgeschichte des Würfels ranken sich zahlreiche Mythen. Ganz genau sagen, woher der Würfel stammt, aus welchen Vorläufern er sich entwickelt hat, oder gar wer ihn erfunden hat, kann wohl niemand. Die Inder nehmen für sich in Anspruch, den Würfel erfunden zu haben, aber auch bei den alten Ägyptern, Römern und Griechen waren Würfel bekannt, beliebt – ihre Nutzung teilweise verpönt und verboten.

Der römische Gelehrte Plinius der Ältere schrieb beispielsweise die Erfindung des Würfels dem griechischen Heros Palamedes zu Zeiten des Trojanischen Krieges zu, der griechische Geschichtsschreiber Herodot sah bei den Lydern, einem Volk in der heutigen Türkei, seinen Ursprung.

Gesichert ist lediglich, dass es erste Vorläufer des Würfels aus Obstkernen und Kieselsteinen bereits um 6.000 vor Christus gab. Alles andere ist Spekulation. Als wahrscheinlich gilt in der archäologischen Forschung, dass Würfel unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten weltweit entwickelt wurden.

Figuren und Würfel aus Tierknochen

Frühe würfelähnliche Objekte waren die sogenannten Astragali, kleine Spielobjekte aus den Sprunggelenkknöchelchen von Paarhufern wie Schafen oder Ziegen. Sie waren sowohl in der griechischen als auch in der römischen Antike bekannt.

Astragali wurden einerseits für Geschicklichkeits- und Wurfspiele genutzt, beispielsweise für das Fünfsteinspiel, das heute noch in einigen Gesellschaften bekannt ist. Wie auf dem Wandbild aus Pompeji abgebildet, wurde es zumeist von Mädchen und jungen Frauen gespielt. Ziel des Spiels war es, die in die Luft geworfenen Astragali mit dem Handrücken zu fangen und anschließend die heruntergefallenen Steine aufzulesen, ohne die bereits gefangenen abzuwerfen. Das Spiel wird bis heute beispielsweise in England und in der Türkei gespielt.

Ein heute in seinen Grundzügen ebenfalls noch immer geschätztes Spiel ist Omilla. Hier werden die Astragali in einen Kreis geworfen, mit dem Ziel, die kleinen Figürchen der Mitspieler*innen aus dem Kreis heraus zu befördern. Heute kennen wir eine abgewandelte Form des Omilla-Spiels als Murmelspiel, Kinder spielen es noch immer auf dem Pausenhof.

Andererseits wurden Astragali auch zum Würfeln genutzt. Obwohl sie, wie ein gängiger moderner Würfel, sechs Seiten haben, kommen zwei der Seiten, eine gewölbte und eine spitze, aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht als Liegefläche in Frage. Die übrigen vier Flächen – der „Bauch“ mit Wölbung, der „Rücken“ mit tiefer Höhlung, eine Seite mit Kehlung und eine flache Seite – liegen mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit auf dem Boden auf. Aus dieser Wahrscheinlichkeit ergaben sich unterschiedliche Zahlenwerte, die den einzelnen Seiten zugeordnet wurden.

Ein Zeitvertreib für die Schönen und Reichen

Archäologische Funde belegen ebenfalls die Verwendung von Würfeln bei den alten Ägyptern, beispielsweise im Rahmen des Brettspiels „Senet“. Dies war ein Spiel, dass die ägyptische Oberschicht bereits ab ca. 3.000 vor Christus mit Begeisterung spielte. Man spielte es zu zweit mit je sieben Spielfiguren und Würfeln oder Wurfstäbchen. Zahlreiche weitere Würfelspiele waren im alten Ägypten bekannt und beliebt.

„Senet“ ähnelte im Spielablauf einer Kombination aus Mensch ärgere Dich nicht und Spiel des Lebens: Je nach Würfelergebnis wurde eine Spielfigur auf ein bestimmtes Feld gezogen. Vier davon waren mit Hieroglyphen versehen, die entweder Glück oder Unglück für den weiteren Spielverlauf und im übertragenden Sinne für den weiteren Lebensweg brachten. Gewonnen hatte, wer zuerst vom Feld „Geburt“ zu den am anderen Ende des Spielfelds befindlichen Häusern der Götter gelangt war.

Der Würfel als Blick in die Zukunft

Im Spiel „Senet“ hatte der Würfel neben dem reinen Unterhaltungswert auch eine spirituelle, religiöse Bedeutung. Aus den zahlreichen Bezügen zu Geburt, Leben und Tod, zum Sonnenstand und den Dekan-Sternen, zum Sternbild Orion und somit zum Totengott Osiris wurden Rückschlüsse gezogen auf die eigene Zukunft und den weiteren Lebensweg. Die Spieler übernahmen so stellvertretend die göttliche Rolle und entschieden über Schicksal, Leben und Tod ihrer Spielfiguren.

Ebenso nutzten die Menschen in der römischen und griechischen Antike Würfel zum Zwecke der Wahrsagerei – und auch heute ist das Würfelorakel ein gerne genutztes, wenn auch von den meisten nicht mehr ganz ernst gemeintes Mittel, um in die Zukunft zu schauen oder eine übergeordnete Macht die eigenen Entscheidungen treffen zu lassen.

Was Galileo mit dem Würfel zu tun hat

Die Gleichseitigkeit des Würfels und damit die Gleichverteilung der Wurfergebnisse spielte bis zur Renaissance in den Köpfen der Menschen keine Rolle. Das Konzept des Zufalls und der Wahrscheinlichkeit war noch nicht entwickelt und man war der Überzeugung, dass eine übergeordnete (göttliche) Macht entscheidet, welche Seite des Würfels oben liegt. Die Beeinflussung des Wurfergebnisses durch einen ungleich aufgebauten Würfel brauchte ein Gott aufgrund seiner Allmacht nicht zu fürchten.

Erst in der Renaissance setzten sich Gelehrte wie Galileo Galilei und Blaise Pascal mit Zufall und Wahrscheinlichkeit auseinander:

Teilweise geschah dies, indem sie sich mit Spielen und Würfeln beschäftigten. Es dauerte nicht lange, bis Zufall und Wahrscheinlichkeit auch im kollektiven Bewusstsein der menschlichen Gesellschaft verhaftet waren, sodass wir heute beim Würfeln, wenn überhaupt, an Glück oder Unglück glauben – und selbstverständlich nur mit regelmäßigem Hexaeder und sonstigen gleichverteilten Würfeln spielen.

Verbotenes Hobby

Im Römischen Reich war es übrigens strengstens untersagt, Astragali und Würfel für Glücksspiele um Geld zu verwenden. Dennoch war es ein beliebter Zeitvertreib, wenn nicht sogar eine Sucht zahlreicher Römer. Nicht wenige sollen durch exzessives Spielen ihre Lebensgrundlage verloren haben.

Ausschließlich während der Saturnalien, einem Erntefest, das im Dezember zu Ehren Saturns gefeiert wurde, war das Würfelspiel um Geld im antiken Rom erlaubt – und wurde ausgiebig betrieben.

Bis ins Mittelalter und in die Frühe Neuzeit hinein war das Würfelspiel in der Gesellschaft weit verbreitet und beliebt – und war dennoch häufig als Laster verpönt. Zahlreiche kirchliche wie auch weltliche Herrscher sprachen Verbote aus.

War doch der Teufel der Erfinder des Würfels?

Als ein möglicher Grund für das Verbot des Würfels in christlichen Gesellschaften gilt der Mythos, dass der Teufel selbst das Spielgerät erfunden habe. Franz Semrau bezieht sich auf die französischsprachige Aufsatzsammlung von Achille Jubinal, wenn er folgende Rückschlüsse zieht: Die vier Soldaten, die Jesus kreuzigten, erfuhren durch den Teufel, wie ein Würfel herzustellen sei. Nach der Kreuzigung nahmen sie Jesu Kleidung und teilten sie unter sich auf. Lediglich das Untergewand wollten sie nicht in vier Teile teilen, sondern entschlossen sich, den künftigen Besitzer auszulosen. Hierfür kam der Würfel zum Einsatz.

Der Teufel gab jedoch nicht nur die Herstellungsweise eines Würfels bekannt, sondern auch die Bedeutung seiner Augenzahlen: „Die 1 ist zum Hohne für Gott Vater; die 2 für Gott Vater und Sohn; die 3 für die Hl. Dreifaltigkeit; die 4 für die vier Evangelisten; die 5 für die fünf Wunden, die 6 für den ganzen himmlischen Hof“ (Semrau (1909), S. 24).

Die Szene der Aufteilung von Jesu Gewand ist über Jahrhunderte hinweg fester Bestandteil der Darstellung der Arma Christi, der Leidenswerkzeuge, die in Bezug zur Kreuzigung Christi stehen. Am Bekanntesten sind aus diesem Zusammenhang wohl das Kreuz und die Dornenkrone, aber auch die Würfel, zum Beispiel in den Händen von Engeln, verweisen auf die christliche Bildsprache.

Und heute?

Eines ist gleichgeblieben, seit vor Tausenden von Jahren der Würfel und seine Vorläufer erfunden wurden: Es wird gerne und häufig in fast jedem Haushalt gespielt. Jedes Kind hat wohl schon einmal mit einem Bauklotz-Puzzle oder Würfelturm gespielt, jeder Erwachsene hat schon – ob freiwillig oder unfreiwillig – an einer Runde Mensch ärgere Dich nicht, Kniffel oder Backgammon teilgenommen. Geändert haben sich die Gesetze: Das Würfelspiel um Geld ist nicht erst im vornehmen Casino von einem verpönten Laster zu einem staatlich konzessionierten Freizeitvergnügen für viele geworden.
Nur die Frage, wer den Würfel erfunden hat, bleibt weiterhin ungeklärt.

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