Tektonik

02.03.02 Auswärtige Angelegenheiten

Wie andere deutsche und europäische Länder baute Sachsen im 17./18. Jahrhundert ein Netz diplomatischer Vertretungen auf. Im Unterschied zur älteren Praxis zeitlich und sachlich begrenzter Sondergesandtschaften wurden dabei ständige Gesandtschaften mit der Absicht dauerhafter diplomatischer Vertretung eingerichtet. Völkerrechtliche Grundlage für die diplomatischen Aktivitäten der deutschen Reichsstände war vor allem der Westfälische Frieden (1648), der ihr Gesandtschaftsrecht endgültig sanktionierte.
Die erste dauerhafte diplomatische Vertretung Sachsens entstand um 1620 in Wien. Zwischen 1648 und 1694 (Herrschaftsbeginn Kurfürst Friedrich Augusts I.) wurden außerdem Posten in Den Haag, Hamburg, Lübeck und Regensburg gegründet. Höhere Anforderungen an die sächsische Außenpolitik nach dem Erwerb der polnischen Krone (1697) führten zur Einrichtung von Gesandtschaften u. a. in Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien und Russland sowie an den Höfen der großen deutschen Reichsfürsten. Mitte des 18. Jahrhunderts unterhielt Sachsen etwa 30 diplomatische Vertretungen.
Nach dem Siebenjährigen Krieg ging die außenpolitische Aktivität Sachsens zurück, so dass die Zahl der Gesandtschaften bis Ende der 1780er-Jahre auf 16 sank. Zur Förderung der sächsischen Exportwirtschaft entstand 1807 in Málaga das erste Konsulat. In den ersten Jahrzehnten des Deutschen Bundes trat das 1815 geteilte Königreich Sachsen außenpolitisch kaum noch in Erscheinung. Zur Koordinierung der auswärtigen Beziehungen sowie des Gesandtschafts- und Konsulatswesens wurde im Zuge der Staatsreform 1831 jedoch ein eigenes Fachministerium (das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten) gebildet, das die Aufgaben des bis dahin zuständigen Departements der auswärtigen Angelegenheiten des Geheimen Kabinetts übernahm.
In der "Ära Beust" (1849 - 1866) setzte eine gewisse außenpolitische Reaktivierung ein, was an der steigenden Zahl der Gesandtschaften und Konsulate ablesbar ist. 1867/71 verlor die sächsische Außenpolitik durch den Beitritt des Landes zum Norddeutschen Bund bzw. Deutschen Kaiserreich jedoch weitgehend ihre Bedeutung. Da das Gesandtschaftsrecht den deutschen Bundesstaaten 1867/71 formell verblieb, behielt Sachsen das Außenministerium, einige innerdeutsche Gesandtschaften und Konsulate bei. Mit Abstand am wichtigsten war die Gesandtschaft Berlin, die die Landesinteressen beim Reich vertrat und den Kontakt mit der Reichsverwaltung aufrechterhielt.
Da die Weimarer Verfassung die auswärtigen Beziehungen ausschließlich in die Kompetenz des Reiches verlagerte und damit das bundesstaatliche Gesandtschaftsrecht aufhob, kam es in den 1920er-Jahren zur schrittweisen Aufhebung der meisten noch bestehenden Gesandtschaften und Konsulate. Zuletzt aufgelöst wurden 1933 die Konsulate in Frankfurt am Main und Köln, während das Außenministerium 1935 mit der Staatskanzlei verschmolz. Lediglich die Gesandtschaft Berlin blieb als "Vertretung Sachsens in Berlin" auch in der NS-Zeit bestehen und stellte ihre Tätigkeit erst Anfang 1945 ein.
In der Tektonikgruppe 02.03.02 Auswärtige Angelegenheiten sind die Archivbestände des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten und der Gesandtschaften ab 1830 überliefert. Die Unterlagen der ständigen Gesandtschaften bis 1830 sowie des Departements der auswärtigen Angelegenheiten des Geheimen Kabinetts sind in der Gliederungsgruppe Gesandtschaften im Bestand 10026 Geheimes Kabinett zu finden. Die wenigen überlieferten Konsulatsarchive wurden in den Bestand 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eingegliedert.

Veröffentlichungen:
Ludwig, Jörg: Zur Geschichte des sächsischen Konsulatswesens (1807 - 1933). In: Consuls et services consulaires au XIXe siècle. Hamburg 2010. S. 365-378
ders.: Sächsische Außenpolitik 1871-1918 : Institutionen und Archivbestände. In: Die Außenpolitik der deutschen Länder im Kaiserreich : Geschichte, Akteure und archivische Überlieferung (1871 - 1918); Beiträge des Wissenschaftlichen Kolloquiums zum 90. Gründungstag des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts am 3. August 2010 . München 2012. S. 57 - 78
Matzke, Judith: Gesandtschaftswesen und diplomatischer Dienst Sachsens 1694 - 1763. Leipzig 2011
Schreckenbach, Hans-Joachim: Innerdeutsche Gesandtschaften 1867 - 1945. In: Studien zur Archiv- und Geschichtswissenschaft : Zum 65. Geburtstag von H. O. Meisner. Berlin 1965. S. 404 - 428

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Sächsisches Staatsarchiv (Beständegliederung) >> 02. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945 >> 02.03 Fachbehörden und nachgeordnete Einrichtungen

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