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Regierungspräsidium Freiburg: Stabsstelle für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Bestand)

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein: Eine Aussöhnung der "Erbfeinde" Deutschland und Frankreich als wesentliche Voraussetzung für eine friedliche und konfliktfreie Nachkriegsordnung in einem geeinten Europa gehörte bereits wenige Jahre nach Kriegsende zu den unumstößlichen politischen Axiomen in Mittel- und Westeuropa. Die 1948 erfolgte Gründung des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg wie die Anfang der 1950er Jahre einsetzende Welle von Partnerschaften zwischen deutschen und französischen Gemeinden und Städten waren unmittelbarer Ausdruck dieses wechselseitigen Bedürfnisses nach Aussöhnung und partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Auch am Oberrhein schlug sich dieses Begehren in einer Reihe von Aktivitäten nieder. Wohl das spektakulärste Zeichen für das neue Europa setzte die stark kriegszerstörte Stadt Breisach im Mai 1950, als in einer kommunalen Volksabstimmung fast 96 Prozent der Bürgerinnen und Bürger für die Schaffung eines europäischen Bundesstaates votierten. Persönliche Kontakte erleichterten nicht unwesentlich das Aufeinanderzugehen der Akteure. So hatten sich der südbadische Regierungspräsident Anton Dichtel und der Colmarer Bürgermeister Joseph Rey am Ende des Krieges in der Justizvollzugsanstalt Freiburg kennengelernt, in die beide im Rahmen der Säuberungen nach dem 20. Juli 1944 eingeliefert worden waren. Diese persönlichen Kontakte bildeten häufig den Humus, auf dem die Ansätze für die gemeinschaftliche Bewältigung der raumschaftlichen, grenzüberschreitenden Probleme wachsen und feste Strukturen der gegenseitigen Information und institutionellen Zusammenarbeit entstehen konnten. So definierte der 1963 von Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft gegründete Schweizer Verein "Regio Basiliensis" als Vereinszweck "die Planung und Förderung der wirtschaftlichen politischen und kulturellen Entwicklung" des Gebietes und den "Abbau der Grenzhemmnisse zwischen den verschiedenen Teilgebieten (der Region), soweit sie einen wirtschaftlichen und sozialpsychologischen Faktor" darstellten. Die Gründung eines "Grenzlandreferats" im Regierungspräsidium Freiburg manifestierte den baden-württembergischen Willen zu einer engeren ökonomischen wie politischen Zusammenarbeit der Raumschaft am Oberrhein, der sich in einer beeindruckenden Dichte an regionalen Initiativen und Netzwerken für fast alle Bereiche der Daseinsvorsorge (Energie, Umwelt, Raumplanung, Verkehr, Kultur etc.) niederschlug.

Behördengeschichte: Die per Abkommen 1975 eingerichtete deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission zur Prüfung und Lösung nachbarschaftlicher Fragen im Oberrheingebiet verstand sich als Impulsgeber und Koordinierungsgremium für die zahlreichen regionalen Projekte. In ihr tagten die Delegierten der Außenministerien der drei Länder während die praktische Umsetzung der Projekte in zwei zwischenstaatlichen Ausschüssen erfolgte - im Dreiseitigen Ausschuss (deutsch-französisch-schweizerisch) für den südlichen Raum und im Zweiseitigen Ausschuss (deutsch-französisch) für den auch die Südpfalz umfassenden nördlichen Raum des Oberrheins. Insbesondere die beiden Regionalausschüsse entwickelten in der Folgezeit eine besondere Dynamik, der das große Gremium der deutsch-französisch-schweizerischen Regierungskommission nur schwer zu folgen vermochte. Zur Steigerung der Effizienz der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wurden 1991 die beiden Ausschüsse fusioniert und als "Oberrheinkonferenz" institutionalisiert. Schon fünf Jahre vorher war aus dem Grenzlandreferat im Regierungspräsidium die Stabsstelle für grenzüberschreitende Angelegenheiten und europäische Angelegenheiten geworden, womit die zentrale Rolle des Regierungspräsidiums in der Koordination der grenzüberschreitenden Aktivitäten des Landes Baden-Württemberg unterstrichen wurde. An diese Stabsstelle sind seither sowohl das Gemeinsame Sekretariat der Oberrheinkonferenz und die Geschäftsstelle der internationalen Bodenseekonferenz haushaltstechnisch und organisatorisch angebunden. Die bisherigen Leiter dieser Stabsstelle waren und sind: Hans-Konrad Schneider, Wilderich von Droste-Hülshoff, Jürgen Oser Auch dank der Arbeit dieser Stabsstelle sowie ähnlicher Organisationen in der Nordwestschweiz und der Region Elsass konnte sich der Oberrhein als Modellregion der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa etablieren, in dem - auch dank der europäischen Unterstützung in Form des INTERREG-Programms - eine Vielzahl von Projekten realisiert wurden, die als beispielhaft auch für andere Grenzregionen gewirkt haben. Als Beispiele sind das Netzwerk der Informations- und Beratungsstellen für grenzüberschreitende Fragen am Oberrhein zu nennen mit drei Infobest-Stellen entlang des Rheins, das trinationelle Jugendparlament, der Jugendfonds Oberrhein, die gemeinsamen Katastrophenhilfeübungen, ein gemeinsames Feuerlöschboot auf dem Rhein, der Museums-PASS-Musées, grenzüberschreitende Naturschutzprojekte, das Gemeinsame Zentrum für die deutsch-französische Polizei- und Zoll-Zusammenarbeit sowie das Schüler- und Lehrer-Austauschprogramm "Trischola". Literatur: Politik der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg. Entwicklung, Bilanz und Ausblick. Bearbeitet durch die Stabsstelle für grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Regierungspräsidium Freiburg auf der Grundage der Beiträge des Staatsministeriums, der Ressorts und der Regierungspräsidien Karlsruhe und Tübingen sowie für den historischen Teil von Herrn Leitenden Regierungsdirektor a.D. Hans-Konrad Schneider, Freiburg Oktober 1999 (Exemplar in der Dienstbibliothek des Staatsarchivs Freiburg); Seminardokumentation Euroinstitut, Teil 1 Seminardokumentation Euroinstitut, Teil 2

Bestandsgeschichte: Vorliegender Bestand kam in zwei Ablieferung in den Jahren 2002 und 2008 in das Landesarchiv, Staatsarchiv Freiburg. Diese bildeten die Bestände F 39/1 und F 39/2. Der Bestand wurde in den Jahren 2017 und 2018 durch den Unterzeichneten erschlossen und entsprechend dem geltenden Aktenplan der Stabsstelle (Basis landeseinheitlicher Aktenplan mit spezifischen Ableitungen) geordnet. Dabei wurde der Bestand F 39/2 in den Bestand F 39/1 integriert. Die im Rahmen der Verzeichnung gefundenen Duplikate von Berichten, Mehrfertigungen von Protokollen, Gutachten usw. wurden dabei aus dem Bestand herausgenommen und der amtlichen Aktenvernichtung zugeführt. Der Bestand umfasst nunmehr 1117 Nummern in 46,5 lfd. Metern. Er unterliegt noch in großen Teilen den allgemeinen Schutzfristen des Landesarchivgesetzes Baden-Württemberg. Freiburg, im August 2018 Kurt Hochstuhl

Reference number of holding
Abt. Staatsarchiv Freiburg, F 39/1
Extent
Nr. 1-1117

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg (Archivtektonik) >> Baden-Württemberg 1952 ff.: Ober- und Mittelbehörden >> Geschäftsbereich Innenministerium >> Regierungspräsidium Freiburg

Indexbegriff subject
Regierungspräsidium Freiburg
Indexentry place
Freiburg im Breisgau FR; Regierungspräsidium

Date of creation of holding
(1899-) 1957-2005

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Rights
Last update
13.11.2025, 2:41 PM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • (1899-) 1957-2005

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