kulturerbe.niedersachsen.de: Niedersachsens kulturelles Gedächtnis

kulturerbe.niedersachsen.de: Niedersachsens kulturelles Gedächtnis

24.01.2019

Unsere Publikation „Föderale Vielfalt – Globale Vernetzung: Strategien der Bundesländer für das kulturelle Erbe in der digitalen Welt“ (erschienen im September 2016) liefert erstmals einen umfassenderen Überblick über die Aktivitäten zur Vermittlung und Vernetzung des kulturellen Erbes einzelner Bundesländer in Deutschland.

Sukzessive veröffentlichen wir die einzelnen Beiträge der Publikation in der Reihenfolge des Inhaltsverzeichnisses. Weiterhin können die Beiträge als PDF heruntergeladen und – da sie unter einer CC BY-ND 4.0 Creative Commons Lizenz stehen – nachgenutzt und weiterverwendet werden. Eine Auflistung aller bereits veröffentlichten Artikel findet sich bei den Hintergrundinformationen

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kulturerbe.niedersachsen.de: Niedersachsens kulturelles Gedächtnis

Till Manning für das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur 

Digitale Kulturvermittlung als Zukunftsaufgabe

Die Bewahrung des kulturellen Erbes Niedersachsens gehört zu den zentralen Aufträgen aller niedersächsischen Archive, Bibliotheken und Museen. Aus diesem historischen Sammlungsauftrag aus der Vergangenheit erwächst eine Vermittlungsaufgabe für die Zukunft: Es gilt, die umfangreichen und wertvollen Bestände der Kultureinrichtungen einer breiten Öffentlichkeit aus Wissenschaft und Gesellschaft zugänglich zu machen. Hierfür bieten die technischen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts im Kontext der Digitalisierung den strukturellen Rahmen, den das Land Niedersachsen im Zusammenspiel mit den verschiedenen kulturbewahrenden Einrichtungen und Institutionen nutzt.

Die Digitalisierung beschreibt einen umfassenden Wandel in der Gestaltung und Wahrnehmung der sozialen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Prozesse. Gerade für die Kultureinrichtungen ist sie der Ausgangspunkt für eine innovative und zukunftsorientierte Präsentation der Museumsobjekte, Archivalien und Bibliotheksgüter. Die Digitalisierung erleichtert den Zugang für die Bevölkerung zu den unterschiedlichsten Kulturgütern und sie bietet den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein modernes Forschungsumfeld für ihre kulturhistorischen Fragestellungen. Die Digitalisierung weckt das Interesse am kulturellen Erbe und ermöglicht gesellschaftliche Debatten über kulturelle Phänomene und historische Zusammenhänge.

Mit einer finanziellen Förderung des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur haben Ende 2012 die fünf größten Bibliotheken mit historischen Beständen, zwei der führenden Landesmuseen sowie das Niedersächsische Landesarchiv eine Kooperationsvereinbarung zur Einrichtung einer Internetplattform für das kulturelle Erbe des Landes geschlossen. Mit der Internetpräsenz kulturerbe.niedersachsen.de sollen Umfang, Sichtbarkeit und Nutzung von Digitalisaten der kulturellen Überlieferung in Niedersachsen erhöht werden. Ziel ist es, die Recherche zum kulturellen Gedächtnis des Landes zu erleichtern. Darüber hinaus präsentieren Online-Ausstellungen und thematische Zusammenstellungen das reiche kulturelle Erbe des Landes.

Digitale Agenda in Niedersachsen: Ein dynamischer Prozess

So wie die Digitalisierung ein stetiger, gesamtgesellschaftlicher Entwicklungsprozess ist, wird auch die Digitalisierung des kulturellen Erbes in Niedersachsen dynamisch fortgeschrieben und weiterentwickelt. Ausgehend von den Digitalisierungsmaßnahmen der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB) und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) mit ihren umfangreichen bibliothekarischen Altbeständen ist durch die Etablierung des Kulturerbeportals kulturerbe.niedersachsen.de eine Infrastruktur entstanden, die es sämtlichen Kultureinrichtungen des Landes ermöglicht, ihre Bestände einer breiten Öffentlichkeit digital zur Verfügung zu stellen.

Die HAB mit ihren bedeutenden Handschriften und Buchbeständen gehört zu den wichtigsten Forschungsbibliotheken für die Frühe Neuzeit. Hier ist in den vergangenen Jahren eine professionelle Foto- und Digitalisierungswerkstatt aufgebaut worden, die es der HAB ermöglicht, forschungsrelevante, besonders seltene, herausragende oder häufig genutzte Teile ihres Altbestandes über die Wolfenbütteler Digitale Bibliothek (WDB) im Internet der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zusammen mit dem Göttinger Digitalisierungszentrum an der Georg-August-Universität Göttingen, das Druckwerke, Handschriften und Bildwerke aus den Beständen der SUB elektronisch erfasst und präsentiert, sind in der Vergangenheit die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der Digitalisierung in Archiven, Bibliotheken und Museen in ganz Niedersachsen geschaffen worden. Dabei war und ist es das vorrangige Ziel, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern große Mengen wissenschaftlich relevanter Texte für die Nutzung in Forschung und Lehre in digitaler Form zur Verfügung zu stellen.

Um die im Land bereits allokierten Kompetenzen auf dem Gebiet der Digitalisierung effektiv zu nutzen, bedienen sich die Partner der bereits bestehenden Einrichtungen. Das Kulturerbeportal wird durch die SUB koordiniert, die Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (GBV) – einem Zusammenschluss der Bibliotheken der fünf norddeutschen Bundesländer sowie Thüringen, Sachsen-Anhalt und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – hat die Aufgabe eines technischen Dienstleisters übernommen. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen worden, um die Digitalisierung des kulturellen Erbes Niedersachsens professionell weiterzuentwickeln. Zudem arbeiten alle Partner von kulturerbe.niedersachsen.de eng mit weiteren spartenspezifischen Organisationen der Sammlungseinrichtungen in Niedersachsen sowie mit dem Göttinger Digitalisierungszentrum als Berater für weitere Digitalisierungsvorhaben zusammen.

Strategische Ausrichtung: -Niedersachsen bündelt seine Kräfte

Die stetige Modernisierung der technischen Ausstattung von Bibliotheken gehört vor dem Hintergrund der digitalen Transformation von Forschung, Bildung und Kulturvermittlung zu den Kernaufgaben besonders von Universitäts- und Landesbibliotheken. Da im Bereich IT/IuK Dienstleistungen und Services deutlich einfacher gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden können, hat sich die Verbundzentrale des GBV auf diesem Gebiet eine weitreichende Expertise aufgebaut, die sie auch einrichtungsübergreifend für ganz Niedersachsen und den GBV insgesamt anbieten kann. Ein Beispiel hierfür ist der Hosting-Service für die lokal angewendeten elektronischen Bibliothekssysteme. Den Prozess der Bibliotheksautomation hat das Land Niedersachsen über das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur zudem in den letzten Jahren durch zusätzliche Mittel vor allem für die drei Landesbibliotheken sowie die Verbundzentrale des GBV auch finanziell unterstützt. Aus diesen Mitteln konnte beispielsweise bei der Herzog August Bibliothek umfangreiche Server-Hardware zur Speicherung und Bereitstellung digitalisierter Kulturschätze für die dortige Foto- und Digitalisierungswerkstatt angeschafft werden.

Die Digitalisierung von Beständen wird auch von den niedersächsischen Landesmuseen in Braunschweig, Hannover und Oldenburg als wichtige und dauerhafte Aufgabe gesehen. Dementsprechend werden die Digitalisierung und die Vereinheitlichung bei der Erfassung und Bereitstellung von Exponaten auch hier nachhaltig vorangebracht.

Verschiedene, teilweise drittmittelfinanzierte Vorhaben der letzten Jahre unterstreichen die herausgehobene Bedeutung der Digitalisierung und sind zugleich Ausweis der auf diesem Feld aufgebauten Fachkenntnisse und Fertigkeiten. Beispielhaft seien das DFG-geförderte Projekt zur Digitalisierung und Erschließung von Handzeichnungen („Virtuelles Zeichnungskabinett“), das Projekt zur Einrichtung eines „Kupferstichkabinetts online“ zur Erschließung europäischer Druckgrafiken oder die Digitalisierung und Erschließung der numismatischen Bestände des Landesmuseums in Hannover im Rahmen des länderübergreifenden und von der Verbundzentrale des GBV koordinierten Projekts KENOM zu nennen.

Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung des Kulturerbeportals niedersachsen.kulturerbe.de ein konsequenter Schritt zur Bündelung von Kompetenzen durch das Ausschöpfen der Synergieeffekte und zur Weiterentwicklung der Digitalisierung des kulturellen Gedächtnisses Niedersachsens. Die im Kulturerbeportal zusammengeschlossenen Partner werden zukünftig den dort online verfügbaren Bestand an Digitalisaten ausbauen und zum Zwecke der Bildung, Lehre und Wissenschaft, des kulturelles Lebens und der Heimatpflege sowie des Kulturtourismus attraktiv und nachhaltig gestalten. Dazu zählt auch die Weiterentwicklung der technischen Rahmenbedingungen des Kulturerbeportals. Hier sind es vor allem die Verbundzentrale des GBV und die SUB Göttingen sowie die Technische Informationsbibliothek in Hannover in ihrer Funktion als Deutsche Zentrale Fachbibliothek für den technisch-naturwissenschaftlichen Bereich, die ihre Kompetenzen auf den Gebieten der Datenaggregierung, der Datensicherung und der Langzeitarchivierung bündeln werden. Es ist das Ziel all dieser Bemühungen, mit kulturerbe.niedersachsen.de ein Internetportal zur Verfügung zu stellen, dass die wissenschaftliche Erforschung des niedersächsischen Kulturgutes weiterhin vorantreibt und gleichzeitig einen öffentlichen Diskurs über das kulturelle Gedächtnis Niedersachsens und seiner Regionen anregt.

Kooperation

Die Kooperation von Archiven, Bibliotheken und Museen im Rahmen des Kulturerbeportals kulturerbe.niedersachsen.de ist der Ausgangspunkt für das Zusammenwirken aller niedersächsischer Kultureinrichtungen im Sinne der digitalen Kulturvermittlung. Das Land Niedersachsen begleitet und fördert diese Entwicklung, indem es das Kulturerbeportal sowohl finanziell als auch politisch unterstützt. Darüber hinaus hat das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur den Förderschwerpunkt „PRO*Niedersachsen – Kulturelles Erbe – Sammlungen und Objekte“ verankert. Im Rahmen dieser Ausschreibung fördert das Land gezielt die Erforschung der Kulturschätze Niedersachsens, seien es Sammlungen, Archivgut oder Bau-, Garten-, Boden- und paläontologische Denkmale. Ziel ist es, die kulturelle Überlieferung in Niedersachsen zu erschließen, zu erforschen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und somit neue Impulse für die Erforschung des kulturellen Erbes in Niedersachsen zu geben.

Die Digitalisierung des Kulturgutes ist keinesfalls nur als spezifische Länderaufgabe wahrzunehmen. Sie stellt sich auch auf Bundes- und europäischer Ebene. Die dort implementierten Einrichtungen und Portale – die Deutsche Digitale Bibliothek sowie die Europeana – sind die natürlichen Partner im Prozess der Digitalisierung. Die technische Kooperation ist dabei von zentraler Bedeutung, da diese die Grundlage bildet, um die Kulturportale der jeweils nächsten Ebene nach den Kriterien der Effizienz und Effektivität mit den notwendigen Daten zu beliefern. Vor diesem Hintergrund nimmt das Kulturerbeportal mit seinen Partnern die Aufgabe eines Daten-Aggregators für die Deutsche Digitale Bibliothek ein. Diese Schnittstelle gilt es auszubauen und weiterzuentwickeln, um einen optimalen Datenfluss auch bis zur Europeana zu gewährleisten.

Auf niedersächsischer Ebene ist die Kooperation zwischen den einzelnen Institutionen für den Betrieb von kulturerbe.niedersachsen.de zielführend strukturiert. Regelmäßige Partnertreffen stellen sicher, dass die Zusammenarbeit reibungslos verlaufen kann.

Ausblick: Digitalisierung im Kontext von Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft

Die Zukunftsaufgabe der Digitalisierung des kulturellen Erbes ist Teil der aktuellen und zukünftigen kulturpolitischen Herausforderungen insgesamt. Eine unmittelbare Schnittstelle ergibt sich hier zur Frage der Bestandserhaltung. Vor dem Hintergrund des jüngst veröffentlichten Berichts der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts kommt der Digitalisierung nicht nur die Aufgabe der Kulturvermittlung zu, sondern fügt sich ein in den Kontext des Schutzes kulturell bedeutsamer Schriftgüter. In diesem Zusammenhang ist eine Kooperation mit den anderen Bundesländern und vor allem mit dem Bund aus Sicht Niedersachsens unerlässlich. Das Land sieht es als unerlässlich an, dass die vorhandenen Länderprogramme ergänzt werden durch ein Bundesprogramm zur Förderung der Digitalisierung des kulturellen Erbes.

Darüber hinaus ergeben sich Schnittstellen zu weiteren bibliothekarischen und archivalischen Themenfeldern wie der Erschließung des schriftlichen Kulturgutes und der Aufgabe der Langzeitarchivierung. Dabei handelt es sich nicht nur um eine technische Herausforderung zur Gestaltung der Infrastruktur. Es gilt auch, strukturelle Aspekte in den Blick zu nehmen und inhaltliche Fragen von Auswahl und Qualitätssicherung zu adressieren. Mit dem Anspruch, durch die Digitalisierung nicht nur den öffentlichen Zugang zum kulturellen Erbe zu erweitern, sondern gleichzeitig auch Forschung und Lehre zu unterstützen, werden auch Schnittstellen zur wissenschaftlichen Informationsinfrastruktur offensichtlich. Aus Sicht des Landes wird es zukünftig darum gehen, diese Perspektiven bei den weiteren Entwicklungen von Konzepten und Maßnahmen zu berücksichtigen.

Die bisherige Entwicklung auf dem Gebiet der Digitalisierung des kulturellen Erbes hat gezeigt, dass diese Aufgabe nicht allein auf Ebene der einzelnen Einrichtung gelöst werden kann. Kooperationen sind unerlässlich, um dieser Herausforderung inhaltlich und finanziell begegnen zu können. Mit der Etablierung des Kulturerbeportals kulturerbe.niedersachsen.de hat Niedersachsen den Grundstock gelegt für die gemeinschaftliche Bewältigung der anstehenden Aufgaben.

 

Zum Autor

Dr. Till Manning * 1977, Studium der Geschichte, Politikwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie der europäischen Kulturgeschichte an der Universität Göttingen und der Università degli Studi di Udine. Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft für eine kulturgeschichtliche Promotion zur Entstehung des modernen Massentourismus. Seit 2014 Referent im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, zuständig für die Betreuung der wissenschaftlichen Bibliotheken Niedersachsens, Fragen des Informationsmanagements und der wissenschaftlichen Informationsinfrastruktur sowie der Öffnung von Hochschulen. Vertreter der KMK im Steuerungsgremium des Kompetenznetzwerks für Bibliotheken sowie in der Arbeitsgemeinschaft (bibliothekarische) Verbundsysteme.

Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Leibnizufer 9

30169 Hannover

Telefon +49 511 120 25 34

till.manning [at] mwk.niedersachsen.de

www.mwk.niedersachsen.de

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Links und Downloads

[PDF] kulturerbe.niedersachsen.de: Niedersachsens kulturelles Gedächtnis

Erläuterung der LizenzCC BY-ND 4.0 International

Namensnennung: Till Manning für das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur: "kulturerbe.niedersachsen.de: Niedersachsens kulturelles Gedächtnis", in: Föderale Vielfalt – Globale Vernetzung: Strategien der Bundesländer für das kulturelle Erbe in der digitalen Welt, eine Publikation der Deutschen Digitalen Bibliothek, hrsgg. von Paul Klimpel und Ellen Euler, Hamburg University Press: Berlin 2016, Seite 102 - 108. CC BY-ND 4.0 International
 
Bestellmöglichkeiten und Verlagsinformation:
Online frei verfügbar unter: hup.sub.uni-hamburg.de/purl/HamburgUP_DDB2_Vielfalt
             EPUB: ISBN 978-3-943423-35-8
             PDF: 978-3-943423-36-5
Print-on-Demand: € 14,90 bestellbar über den Buchhandel oder den Verlag
             ISBN 978-3-943423-34-1, Softcover, 239 Seiten mit Bildstrecke, 12,8 x 20,8 cm
Weitere Informationen:
             https://blogs.sub.uni-hamburg.de/hup/reihen/kulturelles-erbe-in-der-digitalen-welt/

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Startseiten- und Indexteaser: "Norderney: Strand bei Ebbe, mit Drachen und Sonnenuntergang" (1986), Willy Pragher, Landesarchiv Baden-Württemberg (CC BY 3.0 Deutschland)

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