Digitalisierung von Kulturgut im Land Bremen

Digitalisierung von Kulturgut im Land Bremen

02.05.2018

Unsere Publikation „Föderale Vielfalt – Globale Vernetzung: Strategien der Bundesländer für das kulturelle Erbe in der digitalen Welt“ (erschienen im September 2016) liefert erstmals einen umfassenderen Überblick über die Aktivitäten zur Vermittlung und Vernetzung des kulturellen Erbes einzelner Bundesländer in Deutschland.

Sukzessive veröffentlichen wir die einzelnen Beiträge der Publikation in der Reihenfolge des Inhaltsverzeichnisses. Weiterhin können die Beiträge als PDF heruntergeladen und – da sie unter einer CC BY-ND 4.0 Creative Commons Lizenz stehen – nachgenutzt und weiterverwendet werden. Eine Auflistung aller bereits veröffentlichten Artikel findet sich bei den Hintergrundinformationen
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Digitalisierung von Kulturgut im Land Bremen

Anna Greve für den Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen

„Alle Menschen streben von Natur nach Wissen“, schreibt Aristoteles (384–322 v. Chr.) zu Beginn seiner Metaphysik und definiert damit einen universalen menschlichen Anspruch.[1] Bis zur Philosophie der Aufklärung kristallisierte sich die Charakterisierung und Anerkennung des Menschen als vernunftbegabtes Wesen heraus, das wissen will und sich über das Fragen-Stellen und deren kontroverse Erörterung die Welt erschließt.[2] Mit Bezug auf Francis Bacon (1561–1626) prägte Wilhelm Liebknecht (1826–1900) den Leitsatz „Wissen ist Macht“ als zentralen Ausspruch innerhalb der Arbeiterbewegung.[3] Dieser Anspruch einer Demokratisierung von Informationszugängen ist angesichts der zur Verfügung stehenden digitalen Medien heute weitestgehend eingelöst, dessen Folgen sind derzeit aber noch nicht absehbar. Aktuell sieht sich Europa herausgefordert durch eine große Anzahl von aus anderen Weltgegenden geflüchteten Menschen, die nicht nur Schutz suchen, sondern folgerichtig den stets von Europa aus propagierten Lebensstil und Wertekanon nun auch für sich reklamieren (werden). Internet und soziale Medien haben nicht nur das Begehren geweckt, sondern nun auch die globale Mobilität in Gang gesetzt. Kulturelle Teilhabe im 21. Jahrhundert meint den Zugang zu den von Institutionen wie Archiven, Bibliotheken und Museen bewahrten Objekten und die Teilhabe an bzw. Produktion von Kultur als Interpretation von Lebensverhältnissen, Weltwahrnehmung und der Reflexion über das Sein an sich. Die Digitalisierung des Kulturerbes erschließt die Einrichtungen als Wissensspeicher im Prinzip jedem Einzelnen an jedem Ort. Im praktischen Objektumgang erfolgt der Paradigmenwechsel von der analogen Karteikartenerfassung zur virtuellen Kulturlandschaft. War zunächst die Erleichterung des Weges zu den Originalen und der von den Institutionen vorgegebenen Inhalten intendiert, so fordern die Rezipient/innen immer stärker eine selbstbestimmte Partizipation und stellen die Deutungshoheiten in Frage.

Status quo

Der Vertrag der Regierungskoalition für die 19. Legislatur (2015–2019) der Bürgerschaft der Freien Hansestadt Bremen trägt dieser Entwicklung Rechnung und hat den Auftrag formuliert: „Wir erarbeiten, soweit die fachlichen Voraussetzungen vorliegen, eine gemeinsame Digitalisierungsstrategie für Archive und Sammlungen der Bremer Kultureinrichtungen.“[4]
 
Dabei ist es für Bremen nur bedingt sinnvoll, sich an den Landesgrenzen zu orientieren. Die bereits bestehenden Vernetzungen einzelner Institutionen mit jeweils verschiedenen Partnern im Bundesgebiet zeigen, dass primär thematische und gattungsspezifische Kooperationen – national und international – sinnvoll sind, um das Know-how und die Erfahrungen spezialisierter Einrichtungen zu bündeln. Dem ureigenen Charakter des Mediums entsprechend, erfolgt Digitalisierung heute nicht in hierarchischen Schritten – etwa von der Einrichtung über eine Landesplattform hin zur Deutschen Digitalen Bibliothek –, sondern in einer Netzwerkstruktur. Diese Erkenntnis führt zu dem Schluss, dass sich eine Digitalisierungsstrategie des Jahres 2016 grundlegend vom Vorgehen aus den Anfängen der Digitalisierung unterscheiden muss. Aus heutiger Perspektive erscheint weder ein Digitalisierungszentrum noch eine zentrale Koordination von Digitalisierungsvorhaben für das Land Bremen sinnvoll, wie sie beispielsweise in den Flächenländern Bayern und Baden-Württemberg betrieben wird.[5] Vielmehr wird es bei der zu erarbeitenden Strategie zunächst darum gehen, eine spartenübergreifende Kommunikationsplattform zu gründen, über die Netzwerke zwischen einzelnen Institutionen gebildet und Synergieeffekte durch die Zusammenarbeit in fachlichen und technischen Bereichen gefördert sowie grundlegende Handlungsbedarfe ermittelt werden.
 
Derzeit wird der sehr heterogene Stand der Digitalisierung in den einzelnen Bremischen Einrichtungen erstmals ermittelt. Unterschiedliche personelle, technische und finanzielle Möglichkeiten, aber auch verschiedene Prioritätensetzungen haben zu dieser Heterogenität geführt. Sehen einige Institutionen in der sukzessiven Digitalisierung ihrer Papierkarteikarten oder der elektronischen Inventarisierung den größten Nutzen für die Praxis, digitalisieren andere gattungsspezifische oder thematische Objektkonvolute im Rahmen aktueller Projekte.
 
In den meisten Einrichtungen werden Digitalisierungsprojekte durch die Forschung angeregt, die den Zugang zu bzw. den neuartigen Umgang mit Materialien fordert. Im Übersee-Museum gibt es beispielsweise immer wieder internationale Kooperationen, deren Ergebnisse in die hauseigene Datenbank eingepflegt werden. Im naturkundlichen Bereich wird die Kooperation mit anderen Einrichtungen angestrebt, da auf bestimmte Bereiche des Inhalts zurückgegriffen werden kann. Zum anderen gewährt die Größe eines Verbundes auch die Weiterentwicklung der Software. Aber nicht nur große Einrichtungen wie das Übersee-Museum kooperieren über die Landesgrenzen hinweg, auch das Bremer Frauenarchiv belladonna hat sein Digitalisierungsvorhaben thematisch orientiert und ist an dem META-Katalog der Einrichtungen des i. d. a. beteiligt, in dem Datensätze aus 29 deutschsprachigen Frauen-/Lesbenarchiven, -bibliotheken und -dokumentationsstellen recherchierbar sind und das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mitfinanziert wird.
 
In Bremen findet Kulturgut-Digitalisierung sowohl in den Landeseinrichtungen als auch in zahlreichen Spezialarchiven statt. Das Zentrum für Künstlerpublikationen, Abteilung der Weserburg – Museum für moderne Kunst, betreibt seit 2013 eine Digitalisierung mithilfe eines DinA1-Buchscanners, der mit Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erworben wurde. Langfristig ist es vorgesehen, alle Bestände zu digitalisieren und über eine eigene Online-Forschungsdatenbank zugänglich zu machen. Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen digitalisiert in verschiedenen Qualitätsstufen seit sechs Jahren Videomaterialien institutseigener Bestände sowie Videobestände anderer Tanzakteure wie zum Beispiel von Stadt- oder Staatstheatern. Das Kulturhaus Walle Brodelpott e. V. (mit dem Geschichtskontor und dem Digitalen Heimatmuseum) befasst sich mit Alltagsgeschichte und Stadtentwicklung mit Schwerpunkt im von Hafen- und Industriearbeit geprägten Bremer Westen. Im Mittelpunkt steht der Dialog mit den Zeitzeugen. Das Digitale Heimatmuseum veröffentlicht die Funde.[6] Es wurde 2015 mit dem Bremer Preis für Heimatforschung ausgezeichnet.
 
Bremische Institutionen wie das Staatsarchiv, das Landesamt für Denkmalpflege, die Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) und das Deutsche Schiffahrtsmuseum speisen ihre digitalisierten Bestände direkt bei der Deutschen Digitalen Bibliothek ein. Innerhalb Bremens kooperieren insbesondere SuUB, Universitätsarchiv, Staatsarchiv, Landesamt für Denkmalpflege und Deutsches Schiffahrtsmuseum bei der gemeinsamen Nutzung eines Großformat-(Rollen-)Scanners im Staatsarchiv bzw. bei der wechselseitigen Ergänzung von lückenhaften Beständen, um diese virtuell zusammenzubringen.[7] Der Arbeitskreis Bremer Archive, in dem sich 39 Archive zusammengeschlossen haben, ist von zentraler Bedeutung, um personelle Ressourcen und Know-how sowie technische Voraussetzungen zu teilen und effizient einsetzen zu können.
 
Das Staatsarchiv kooperiert außerdem seit mehreren Jahren mit der Gesellschaft für Familienforschung e. V. Bremen. Es werden Archivalien für die Nutzung reproduziert, und der Verein ist auch bei Erschließungsarbeiten unterstützend tätig. Mit Ansätzen zum Citizen Science zur Einbindung von Laienforscher/innen bei der Datensammlung und Erschließung arbeitet auch das Deutsche Schiffahrtsmuseum.
 
Einzelne Einrichtungen arbeiten auch mit kommerziellen Partnern zusammen, so hat etwa die Gerhard-Marcks-Stiftung mit der Firma Trenz ein explizit auf die Bedürfnisse einer Bildhauersammlung zugeschnittenes Datenbanksystem entwickelt. Das Deutsche Schiffahrtsmuseum hat die Fotografiesammlung Hanns Tschira in Kooperation mit der Bildagentur culture images erschlossen.[8]
 
Strategische Vorgaben zur Digitalisierung finden sich in Bildungsplänen der Schulen bezüglich Medieneinsatz und Medienbildung, für die SuUB sind der Bibliotheksentwicklungsplan 2020 und der Wissenschaftsplan 2020 maßgeblich. Strategische Vorgaben finden sich ebenfalls in einzelnen Museumskonzepten. Die im Rahmen des Museumsgütesiegels Niedersachsen und Bremen in Abstimmung mit dem Deutschen Museumsbund bzw. ICOM Deutschland formulierten Standards fordern auch eine Digitalisierungsstrategie.[9] Im Sinne eines zielgerichteten Ressourceneinsatzes ist diese an der jeweiligen Sammlungsstrategie zu orientieren. Neben der digitalen Inventarisierung streben viele Museen als nächsten Schritt die Online-Präsentation ihrer Sammlung an – umgesetzt haben dies für wesentliche Teile ihrer Bestände bereits die Kunsthalle und die Gerhard-Marcks-Stiftung.[10]

Besondere Projekte und Kooperationen

Exemplarisch seien im Folgenden einige im Land Bremen abgeschlossene Digitalisierungsprojekte mit bundesweiter Relevanz vorgestellt:

  • Die Bremer Papyri (SuUB): Als Schenkung des Bremer Kaufmanns Hermann Melchers gelangten 1902/03 84 Papyri an die heutige SuUB Bremen. Diese einzigartige Sammlung, die aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammt, zählt zum ältesten Bibliotheksbestand. Die meisten der auf Griechisch verfassten Schriftstücke entstanden im Umfeld eines hohen Verwaltungsbeamten Apollonios. In ihnen werden seine alltäglichen Probleme geschildert, beispielsweise das Eintreiben von Getreidesteuern oder der Bau und die Ausstattung eines Hauses sowie familiäre Angelegenheiten.[11] Im Rahmen dieses Projektes wurden auch einzelne Objekte, die sich im Bestand des Übersee-Museums befinden, digitalisiert und online präsentiert. Hinsichtlich der Erschließung der digitalisierten Papyri sowie der Integration der Daten in das Deutsche Papyrus-Portal Leipzig erhielt die SuUB Unterstützung von der Universitätsbibliothek Leipzig.
  • Die Grenzboten (SuUB): Durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurde die Digitalisierung der Zeitschrift „Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst“. Diese zwischen 1841 und 1922 erschienene kulturgeschichtlich bedeutsame Zeitschrift gewährt Einblicke in bürgerliche Diskurse des deutschen Nationalismus.[12]
  • Deutschsprachige Zeitungen des 17. Jahrhunderts (SuUB): Die SuUB Bremen ist im Besitz eines in seiner Vollständigkeit unvergleichbaren Bestands deutschsprachiger Zeitungen des 17. Jahrhunderts (ca. 605 Zeitungstitel, 300 Zeitungsunternehmen, ca. 360 000 Seiten). Im Rahmen eines großen, durch die DFG geförderten Pilotprojekts der Zeitungsdigitalisierung wird dieser umfassende Bestand digitalisiert und online zugänglich gemacht. Er gibt Aufschluss über Ereignisse, Mentalitäten und Kommunikationsstrukturen des 17. Jahrhunderts und ist somit eine herausragende Quelle für Wissenschaftler/innen zahlreicher Fachdisziplinen.[13]
  • Das Deutsche Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven war beteiligt an zwei durch die Leibniz-Gemeinschaft geförderten SAW-Projekten. DigiPEER widmete sich der Digitalisierung wertvoller Pläne und technischer Zeichnungen zur Erfassung und Erschließung des Raums im 20. Jahrhundert. Projektpartner waren die Archiveinrichtungen des Deutschen Museums München, des Deutschen Bergbau-Museums Bochum sowie des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung Erkner. Grundlegendes Ziel des Projekts war es, am Beispiel dieser speziellen Quellengattung die Potenziale einer kooperativen Digitalisierung und des „Sammelns im Verbund“ durch Archiveinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft exemplarisch zu demonstrieren.[14] DigiPortA widmete sich der Digitalisierung und Erschließung von Porträtbeständen in Archiven der Leibniz-Gemeinschaft.[15]
  • Die Kunsthalle Bremen hat 2013 ihre Sammlungsdatenbank online gestellt. Darin enthalten ist der gesamte Bestand an Gemälden und Skulpturen.[16] Derzeit läuft die digitale Erschließung des gesamten Bestandes des Kupferstichkabinetts mit rund 200 000 Handzeichnungen und Druckgrafiken aus dem 15. bis 21. Jahrhundert. Aktuellste Technik gewährleistet einen schonenden Umgang mit den Originalen, für die Belichtung wird ausschließlich Kaltlicht in Form von LED-Lampen verwendet (Abb. 1 und 2). Sukzessive werden die Daten in den Online-Katalog eingearbeitet. Langfristig ist es geplant, grafische Sammlungen nationaler und internationaler Museen digital in einem gemeinsamen Grafikportal zu vernetzen, um einen sammlungsübergreifenden Zugriff auf die Bestände zu ermöglichen. Gefördert wird das Projekt durch die Waldemar Koch Stiftung.[17]

Verhältnis von Digitalisierung und Erschließung

In der SuUB erfolgen Digitalisierung und Erschließung stets im gleichen Arbeitsgang. Insbesondere im Bereich der Handschriften und Rara werden Bestände im Kontext der Digitalisierung erstmals elektronisch katalogmäßig erfasst. Das Universitätsarchiv kombiniert je nach technischen Möglichkeiten (Ausstattung mit Geräten) Erschließung und Digitalisierung in einem Arbeitsgang, in anderen Fällen wird die Verzeichnung erst nach der Digitalisierung vorgenommen. Aufgrund der Seltenheit geeigneter Geräte werden auch im Deutschen Tanzfilminstitut die Arbeitsvorgänge oft gestrafft, d. h. Videoaufnahmen erst digitalisiert und dann erschlossen. Auch im Staatsarchiv erfolgt insbesondere bei den Bildbeständen die Bearbeitung und Digitalisierung gemeinsam, da so der Bildinhalt unmittelbar sichtbar ist.[18] In den meisten Museen erfolgt die Digitalisierung einerseits aufbauend auf bisherige, analoge Sammlungserschließungen, andererseits wird der Prozess der Digitalisierung zur vertiefenden Erschließung genutzt. Im Bereich der Denkmalpflege wird die Digitalisierung bisher fast ausschließlich zur Erschließung einzelner Kulturdenkmale genutzt.

Sicherung von Digitalisaten

Dem oben festgestellten heterogenen Stand der Digitalisierung im Land Bremen entsprechend, erfolgt auch die Datensicherung auf sehr unterschiedliche Weise. In der SuUB erfolgt sie derzeit über das Digitalisierungssystem der Visual Library und zukünftig über den Gemeinsamen Bibliotheksverbund (GBV). Die Digitalisate des Landesamtes für Denkmalpflege werden auf den Serverlaufwerken durch den IT-Dienstleister Dataport gesichert. Die Gerhard-Marcks-Stiftung sichert ihre Daten neben der internen Speicherung zusätzlich auf dem Server der Firma Trenz und dem Medienserver „Pixelspeicher“ der Firma Medienhaven Bremen. Medienhaven prüft, archiviert und pflegt die Daten, ist also auch Ansprechpartner beim Thema Langzeitarchivierung. Im Deutschen Tanzfilminstitut erfolgt in einer ersten Phase die Digitalisierung von alten Videomaterialien als ISO/DVD und Videofiles auf Rechner plus MP4 Sichtungsformat. In einer zweiten Phase erfolgt die Digitalisierung in mehrfachen Stufen bis hin zu sogenannten LTO-Bändern, entsprechend der Entscheidung der Fernsehanstalten als Zukunftslösung. Im Staatsarchiv wird für die langfristige Sicherung der Abbildungen von Archivgut weiterhin vorrangig der Mikrofilm genutzt.
 
Mit Blick auf alle Kultureinrichtungen in Bremen kann festgehalten werden, dass die Digitalisate zumeist auf den eigenen Servern und externen Festplatten gesichert werden. Konzepte für eine weitergehende Langzeitarchivierung stellen eine zukünftige Aufgabe dar.

Datenlieferung an die Deutsche Digitale Bibliothek

Die Katalogisierung der Werke der SuUB wird im GBV vorgenommen bzw. für den Fall, dass es sich um Zeitschriften und Zeitungen handelt, in der Zeitschriftendatenbank (ZDB). Über die Integration des Metadatensatzes des Digitalisats in GBV bzw. ZDB sowie den Nachweis der Digitalisate in der Deutschen Digitalen Bibliothek und in der Europeana sind diese überregional und international nachgewiesen bzw. recherchierbar. Die Integration der Daten erfolgt über den Aggregator der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen.
 
Das Anmeldeverfahren der Deutschen Digitalen Bibliothek wird als problematisch und sehr zeitaufwändig erlebt. Gewünscht wird ein unkompliziertes, automatisiertes Anmeldeverfahren und eine automatisierte Integration der Daten. Das Staatsarchiv ist seit Betriebsbeginn an dem Archivportal-D als Teil der Deutschen Digitalen Bibliothek beteiligt. Das Verfahren der Datenlieferung wird als noch sehr verbesserungsfähig wahrgenommen, da bisher die Fachstelle Archiv stark unterstützen musste. Das Landesamt für Denkmalpflege kooperiert seit 2012 mit der Deutschen Digitalen Bibliothek, seit 2013 ist der Bestand online. Der Aufwand der Aufbereitung der Daten wird als lohnend beschrieben. Es wurde ein Kerndatensatz erarbeitet, der für alle Denkmaldatenbanken der Bundesländer Anwendung finden kann. So ist jetzt eine Zusammenschau der Denkmaldaten unterschiedlicher Bundesländer und außerdem die Verknüpfung mit digitalisiertem Kulturgut in den großen Archiven der Bundesrepublik möglich. Die Datenlieferung erfolgt über Aggregatoren, in diesem Fall über eine Firma in Frankfurt/M. Die Zusammenarbeit und Aufbereitung der Daten wird als sehr gut beschrieben. Fehlen würde bisher eine Aktualisierungsroutine.
 
Vom Deutschen Schiffahrtsmuseum sind in der Deutschen Digitalen Bibliothek bisher der „Registre International de Classification de Navires“ in digitaler Form zu finden. Der 3D-Objektbestand soll nach und nach in Konvoluten aufgearbeitet und in der Deutschen Digitalen Bibliothek sichtbar gemacht werden. Derzeit gibt es Überlegungen, die Daten über den Aggregator museum digital zur Verfügung zu stellen.
 
Die Kunsthalle Bremen will ab 2016 direkt Daten an die Deutsche Digitale Bibliothek liefern. Das Universitätsarchiv plant ebenfalls eine direkte Datenlieferung nach der für 2016 geplanten Online-Stellung seiner Datenbank. Auch das oben erwähnte Studienzentrum für Künstlerpublikationen sieht für 2016 vor, die Metadaten der Online-Datenbank des Zentrums mit den veröffentlichten Digitalisaten in das Archivportal-D einzustellen. Metadaten und Digitalisate sind bereits in european-art.net und Prometheus eingeflossen bzw. der Prozess befindet sich in der Umsetzungsphase.
 
Die Gerhard-Marcks-Stiftung bereitet derzeit einen Datenaustausch über das XML-Harvesting Schema LIDO vor. Dazu wird nach Vorgaben von ICOM in der Easy-Logic-Datenbank eine Schnittstelle implementiert werden, die den Datenaustausch ermöglicht bzw. erleichtert. Die Digitalisate sollen dann über die Deutsche Digitale Bibliothek als auch über die Plattform Europeana zugänglich gemacht werden.
 
Für viele Institutionen ist die Fertigstellung eigener Datenbanken Voraussetzung für die Datenlieferung an die Deutsche Digitale Bibliothek. Als Anforderungen an die Deutsche Digitale Bibliothek werden vor allem die Kostenübernahme von Digitalisierungsvorhaben, die nötigen Rechteabklärungen gegenüber Künstler/innen und mit VG Bild-Kunst sowie die Klärung von Urheberrechtsfragen im Allgemeinen angesehen. Teilweise wird eine bessere inhaltliche Würdigung der Sammlungen gewünscht.

Ausblick

Die digitalen Medien haben ungeahnte neue Möglichkeiten des öffentlichen wie privaten Zugangs zu Kulturgut eröffnet. Das Ansprechen neuer Zielgruppen, die Förderung eines innovativen Netzwerkdenkens und neue Dimensionen der Partizipation lassen erahnen, dass es bei diesem Thema um mehr als nur die digitale Repräsentanz des vorhandenen Kulturreichtums geht. Das Kulturverständnis und die Beziehung zum kulturellen Erbe erfahren durch die neuartige Zugänglichkeit einerseits und das veränderte Verhältnis von Original und Abbild/Reproduktion andererseits einen radikalen Wandel.[19] Vorsicht ist aber dann geboten, wenn die Euphorie für die Möglichkeiten der Digitalisierung auf Kosten der Erhaltung und physischen Begegnung mit den Originalen geht. Museen müssen sich als Alternativorte zur virtuellen Beschleunigung neu positionieren und sollten dies selbstbewusst tun. Digitalisierung ist ein teures Vorhaben und nur über einen längerfristigen Zeitraum, über mehrere Generationen und mithilfe von Drittmitteln zu bewältigen. Wird sie als Erweiterung der Kernaufgaben aufgefasst, muss die unbequeme Frage gestellt werden, wie dies zu finanzieren ist bzw. auf welche anderen Aufgaben verzichtet werden kann.
 
Es fehlt derzeit an Bundesprogrammen und Drittmittelförderung im Bereich der regional- und kulturgeschichtlichen Bestände und für die breit angelegte Bestandsdigitalisierung. Die bundesweite Förderstruktur legt ihr Augenmerk auf länderübergreifende, thematische Projekte, sodass sich eher vergleichbare Akteure an verschiedenen Orten denn institutionelle Nachbarn zusammentun. Insofern erscheint auch aus diesem Grund eine an den Landesgrenzen orientierte Digitalisierungsstrategie in dem speziellen Fall Bremens wenig zielführend. Auch wenn es theoretisch denkbar ist, dass sich mehrere Einrichtungen unter dem Dach eines gemeinsamen Themas – beispielsweise Schifffahrt – um ein drittmittelgefördertes Digitalisierungsprojekt bewerben.
 
Um den einleitenden Gedanken wieder aufzugreifen: Maßnahmen wie die von der Deutschen Digitalen Bibliothek vorangebrachten Digitalisierungsoffensive sind durchaus wünschenswert, eröffnen diversifizierten Zielgruppen neuartige Zugänge zum kulturellen Erbe und bieten Chancen für veränderte Vermittlungsarbeit und kulturelle Bildung, müssen jedoch im Verhältnis gesehen und bewertet werden zu aktuellen gesellschaftlichen Problemlagen. Kulturinstitutionen sollten jetzt primär Orte sein, an denen sich Menschen begegnen und mit materiellem Kulturerbe auseinandersetzen können.[20]      
 

 

[1]  Für die Zulieferung von Textbausteinen danke ich meinen Kolleg/innen im Kulturressort, den Mitarbeiter/innen der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz, den Mitarbeiter/innen der Senatorin für Kinder und Bildung, der Wirtschaftsförderung Bremen sowie allen weiteren Institutionen, die Informationen aus ihrer Praxis mit beigesteuert haben. Für ihre kritische Lektüre und wertvolle Hinweise danke ich ganz besonders Johannes Dimpfl und Heiner Stahn.  Aristoteles: Philosophische Schriften in sechs Bänden. Hamburg 1998. Bd. 5: Metaphysik 980a21, nach der Übersetzung von Herrmann Bonitz bearbeitet von Horst Seidl.

[2]  Nach Aristoteles blieb unter dem Einfluss des immer mächtiger werdenden Christentums bis in die Hochscholastik des 13. Jahrhunderts das Verhältnis des Wissens zum Glauben vorherrschendes Diskussionsthema. Zu Beginn der Neuzeit trat der Machtcharakter des Wissens zunehmend in den Vordergrund. Gleichzeitig misstraute man im Umbruch der beginnenden Neuzeit allen Autoritäten und setzte auf die Idee der Freiheit des Menschen. Der englische Lordkanzler und Philosoph Francis Bacon setzte in seinen „Aphorismen über die Interpretation der Natur und der Herrschaft des Menschen“ das Können in Abhängigkeit zum Wissen und legte die Basis für das berühmte Diktum „Wissen ist Macht“. Vgl. Thomas von Aquin: Summe der Theologie, hrsg. von Joseph Bernhardt. Stuttgart 1985; Francis Bacon: Neues Organon, hrsg. von Wolfgang Krohn, Teilband 1, Aphorismus 1 und Aphorismus 3.

[3] Vgl. Wilhelm Liebknecht: Wissen ist Macht – Macht ist Wissen. Vortrag gehalten zum Stiftungsfest des Dresdner Bildungsvereins am 5. Februar 1872 und zum Stiftungsfest des Leipziger Arbeiterbildungsvereins am 25. Februar 1872. Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei, Leipzig 1872.

[4]  Vereinbarung zur Zusammenarbeit in einer Regierungskoalition für die 19. Wahlperiode der Bremischen Bürgerschaft 2015–2019, vgl. www.spd-land-bremen.de/Binaries/Binary_13418/Koalitionsvereinbarung_2015...pdf, S. 106 (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015).

[5]  Vgl. www.stmwi.bayern.de/digitalisierung-medien/bayern-digital/zentrum-digitalisierung-bayern/ (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015); https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/themen/digitalisierung/ (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015).

[6]  Vgl. www.digitales-heimatmuseum.de (Letzter Aufruf: 24. 11. 2015).

[7]  Exemplarisch sei die Digitalisierung Bremer Adressbücher der SuUB in Kooperation mit dem Staatsarchiv genannt: www.suub.uni-bremen.de/ueber-uns/projekte/adressbuecher/ (Letzter Aufruf: 25. 11. 2015).

[8]  Vgl. www.culture-images.com/pages/search.php?text=tschira&x=0&y=0&search=true (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015).

[9]  Vgl. www.mvnb.de/museumsguetesiegel/ (Letzter Aufruf: 24. 11. 2015).

[10]  Vgl. www.kunsthalle-bremen.de/sammlung/online-katalog/ (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015), www.marcks.de/suche.aspx (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015).

[11]  Vgl. http://brema.suub.uni-bremen.de/content/titleinfo/365722 (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015).

[12]  Vgl. http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015).

[13]  Vgl. http://brema.suub.uni-bremen.de/zeitungen17 (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015).

[14]  Vgl. www.digipeer.de/index.php (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015).

[15]  Vgl. www.digiporta.net (Letzter Aufruf: 23. 11. 2015).

[16]  Vgl. Kunsthalle Bremen: Pressemitteilung vom 14. 03. 2013: Sammlung der Kunsthalle Bremen online. www.kunsthalle-bremen.de/sammlung/online-katalog/ (Letzter Aufruf: 24. 11. 2015).

[17]  Vgl. Kunsthalle Bremen: Pressemitteilung im September 2015: Das Digitalisierungsprojekt im Kupferstichkabinett der Kunsthalle Bremen. Eine anspruchsvolle Aufgabe für die nächste Dekade.

[18]  Vgl. beispielsweise die Bearbeitung der Bildsammlung der Norddeutschen Missionsgesellschaft durch das Staatsarchiv in Kooperation mit einem universitären Forschungsvorhaben: www.staatsarchiv-bremen.findbuch.net/php/main.php?ar_id=3672&be_kurz=372c313032​3520466f746f73​&ve_vnum=0#372c3130323520466f746f73 (Letzter Aufruf: 24. 11. 2015).

[19]  Beispielsweise ermöglicht das Städel Museum in Frankfurt/Main mit seiner Digitalen Sammlung den virtuellen Besucher/innen ein „digitales Schlendern“ und die aktive Partizipation durch eigene Kommentare und Galeriezusammenstellungen. Vgl. Bürgermuseum 4.0. in: Public Marketing 10 (Oktober 2015), S. 10–15, hier S. 12.

[20] Vgl. beispielsweise Kunsthalle Bremen: Pressemitteilung vom 11. 11. 2015: Kunst Unlimited! Ein Tag für alle. Ein Tag mit einem reichhaltigen Programm in verschiedenen Sprachen für alle Generationen zum Kennenlernen der Kunsthalle. Siehe ebenso das kostenlose Angebot des Übersee-Museums für nach Bremen geflüchtete Menschen, www.uebersee-museum.de/veranstaltungen/aktuelles/refugees-welcome/ (Letzter Aufruf: 25. 11. 2015).

Zur Autorin

PD Dr. Anna Greve * 1973, Studium der Kunstgeschichte und Politikwissenschaft an der Universität Osnabrück 1993–1998, dort 2002 Promotion. 2003–2007 zunächst Volontärin, dann wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. 2007–2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karlsruher Institut für Technologie – KIT, dort 2013 Habilitation. 2012–2016 Museumsreferentin, seit 2016 Referatsleiterin beim Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen, zudem Privatdozentin der Universität Bremen. Forschungsschwerpunkte: Frühe Neuzeit und Klassische Moderne, Postkoloniale Theorie und Museologie. Aktuell: „Farbe – Macht – Körper. Kritische Weißseinsforschung in der europäischen Kunstgeschichte“, Karlsruhe 2013; „Weißsein und Kunst. Neue postkoloniale Analysemethoden“, Göttingen 2015.

Der Senator für Kultur
Altenwall 15/16
28195 Bremen
Telefon +49 421 361 197 51
anna.greve [at] kultur.bremen.de
www.kultur.bremen.de

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Links und Downloads

[PDF] Digitalisierung von Kulturgut im Land Bremen

Erläuterung der LizenzCC BY-ND 4.0 International

Namensnennung: Anna Greve für den Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen: "Digitalisierung von Kulturgut im Land Bremen", in: Föderale Vielfalt – Globale Vernetzung: Strategien der Bundesländer für das kulturelle Erbe in der digitalen Welt, eine Publikation der Deutschen Digitalen Bibliothek, hrsgg. von Paul Klimpel und Ellen Euler, Hamburg University Press: Berlin 2016, Seite 72 - 84. CC BY-ND 4.0 International
 
Bestellmöglichkeiten und Verlagsinformation:
Online frei verfügbar unter: hup.sub.uni-hamburg.de/purl/HamburgUP_DDB2_Vielfalt
             EPUB: ISBN 978-3-943423-35-8
             PDF: 978-3-943423-36-5
Print-on-Demand: € 14,90 bestellbar über den Buchhandel oder den Verlag
             ISBN 978-3-943423-34-1, Softcover, 239 Seiten mit Bildstrecke, 12,8 x 20,8 cm
Weitere Informationen:
             https://blogs.sub.uni-hamburg.de/hup/reihen/kulturelles-erbe-in-der-digitalen-welt/

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Startseiten- und Indexteaser: "Bremen", Georg-Eckert-Institut - Leibniz Institut für internationale Schulbuchforschung Braunschweig, (CC0 1.0 Universell - Public Domain Dedication)

 

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